Verfahrensgang

SG Augsburg (Entscheidung vom 10.08.2022; Aktenzeichen S 16 AS 211/22)

SG Augsburg (Entscheidung vom 10.08.2022; Aktenzeichen S 16 AS 212/22)

SG Augsburg (Entscheidung vom 10.08.2022; Aktenzeichen S 16 AS 213/22)

SG Augsburg (Entscheidung vom 10.08.2022; Aktenzeichen S 16 AS 214/22)

Bayerisches LSG (Urteil vom 07.02.2023; Aktenzeichen L 15 AS 528/22)

Bayerisches LSG (Urteil vom 07.02.2023; Aktenzeichen L 15 AS 529/22)

Bayerisches LSG (Urteil vom 07.02.2023; Aktenzeichen L 15 AS 530/22)

Bayerisches LSG (Urteil vom 07.02.2023; Aktenzeichen L 15 AS 531/22)

 

Tenor

Die Verfahren B 7 AS 34/23 BH, B 7 AS 35/23 BH, B 7 AS 36/23 BH und B 7 AS 37/23 BH werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren B 7 AS 34/23 BH.

Die Anträge der Kläger, ihnen für die Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Februar 2023 - L 15 AS 528/22, L 15 AS 529/22, L 15 AS 530/22 und L 15 AS 531/22 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, werden abgelehnt.

 

Gründe

Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 113 Abs 1 SGG.

Die Anträge auf Bewilligung von PKH sind nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags der Kläger keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Diese ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Mit Schreiben an das SG Augsburg vom 11.5.2022 haben die Kläger "Klage auf Unterbindung verspäteter Anrechnungen" (S 16 AS 211/22 - L 15 AS 528/22), "Klage auf Unterbindung der Weitergabe 'meiner' Daten" (S 16 AS 212/22 - L 15 AS 529/22), "Klage auf Unterbindung der Verwicklungen weiterer Behörden in Straftaten des Jobcenters" (konkret der Zollverwaltung; S 16 AS 213/22 - L 15 AS 530/22) und "Klage auf Einhaltung der Sozialpakete" (S 16 AS 214/22 - L 15 AS 531/22) erhoben. Offene Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hier nicht. Die Kläger bemängeln vielmehr die Handhabung von Vorschriften des SGB II in ihrem Einzelfall, was die Revisionsinstanz gerade nicht eröffnet.

Auch eine Divergenzrüge verspricht keine Aussicht auf Erfolg (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hätte; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen.

Und nicht zuletzt wird ein Prozessbevollmächtigter Verfahrensmängel nicht mit Erfolg geltend machen können. In allen Berufungsverfahren hat eine wirksame Zustimmung der Kläger zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung iS von § 124 Abs 2 SGG vorgelegen, zuletzt von den Klägern nach Eingang der Berufungserwiderung jeweils wiederholt am 4.1.2023. Ob sich auch die vorangegangenen Entscheidungen des SG zu Recht auf entsprechende Einverständniserklärungen der Kläger berufen, kann dahinstehen. Denn Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind Verstöße des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug, hier des LSG. Ein Verfahrensmangel, der dem SG unterlaufen wäre, kann daher nur dann die Revision rechtfertigen, wenn dieser fortwirken und insofern ebenfalls als Mangel des LSG anzusehen wäre (vgl BSG vom 23.2.2017 - B 5 R 381/16 B - RdNr 16). Dies ist angesichts des vor dem LSG ausdrücklich erklärten Einverständnisses mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nicht der Fall.

Insbesondere hat das LSG im Verfahren L 15 AS 531/22 das Klageziel "Einhaltung der Sozialpakete" so verstanden, dass die Kläger geltend machen, ihnen seien Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen zu gewähren. Vor dem Hintergrund eigenständiger Klageverfahren hierzu hat das LSG insoweit zu Recht die Entscheidung des SG, die später erhobene Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit als unzulässig zurückzuweisen, bestätigt (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 17).

Verfahrensfehlerfrei hat das LSG zur Begründung seiner Entscheidung auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanz (§ 153 Abs 2 SGG) verwiesen, weil neues rechtserhebliches Vorbringen, mit dem das LSG sich hätte auseinandersetzen müssen (vgl BSG vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - RdNr 13), bezogen auf die verfahrensgegenständlichen Begehren, nicht vorlag. Vielmehr haben die Kläger zu weiteren Ansprüchen ua auf Rückzahlung von Krankengeld, Auszahlung von Heizkosten- und Energiekostenzuschuss, auf Überführung ihrer Daten in das Bürgergeld und die Festsetzung sämtlicher Leistungen einschließlich der Erstausstattung für eine Wohnung vorgetragen. Dabei kann auch in Ansehung von § 123 SGG dahinstehen, ob die Kläger hiermit tatsächlich - wie vom LSG angenommen - die Klagen erweitern wollten oder lediglich beabsichtigt haben, die Begründung zu sonstigen anhängigen Klageverfahren zu ergänzen. Im ersten Fall weist die Zurückweisung der Klagen als unzulässig, soweit sie nicht ohnehin auf eine doppelte Rechtshängigkeit hätten gestützt werden können (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 17), unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 99 Abs 1 SGG keine Verfahrensfehler auf. Die - insoweit unterstellten - Klageerweiterungen, in die der Beklagte nicht eingewilligt hat, wären nicht sachdienlich gewesen, weil die Rechtsstreite durch sie auf eine völlig neue Grundlage gestellt worden wären (vgl BSG vom 7.8.2017 - B 11 AL 7/17 BH - RdNr 5). Haben die Kläger hingegen zusätzliche prozessuale Ansprüche nicht erheben, sondern ihre Klagebegründung nur ergänzen wollen (vgl insbesondere L 15 AS 511/22), könnte auch insoweit ein Verfahrensfehler (Verstoß gegen das rechtliche Gehör) nicht erfolgreich gerügt werden. Denn das LSG ist ohne Rechtsfehler von der Unzulässigkeit der Klagen ausgegangen.

Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

S. Knickrehm

Neumann

Siefert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15825269

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