Verfahrensgang
SG Köln (Entscheidung vom 08.10.2018; Aktenzeichen S 4 AS 4316/17) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.05.2019; Aktenzeichen L 19 AS 2034/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2019 - L 19 AS 2034/18 - wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit steht ein Unterlassungsanspruch. Nach dem Vorbringen des Klägers hat er dem beklagten Jobcenter per Email eine neue Kontoverbindung angezeigt und ist darauf aufgefordert worden, seine Identität nachzuweisen. Das habe einem Vergleich widersprochen, durch den sich der Beklagte verpflichtet habe, seine - des Klägers - Identität im Schriftverkehr nicht mehr anzuzweifeln. Die Klage mit dem Ziel, dem Beklagten die Nutzung der früheren Kontoverbindung zu untersagen, hatte das SG als unzulässig verworfen (Urteil vom 8.10.2018). Die Berufung hatte das LSG mangels eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses an der begehrten Unterlassung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 9.5.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG richtet sich die auf Verfahrensrügen (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG), weil der zu ihrer Begründung allein angeführte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt ist.
Das gilt insbesondere, soweit die Beschwerde die Garantie des gesetzlichen Richters und in Zusammenhang damit den Anspruch auf rechtliches Gehör, den Grundsatz des Fair Trial und das Gebot effektiven Rechtsschutzes als verletzt ansieht, weil das LSG einem nachträglich erfahrenen Grund für die Ablehnung des erstinstanzlichen Richters nicht Rechnung getragen habe.
Dabei kann dahinstehen, ob das LSG von einer Zurückverweisung in die 1. Instanz im Hinblick auf die beschränkten Zurückverweisungsgründe nach § 159 Abs 1 Nr 2 SGG auch bei einem wesentlichen Verfahrensmangel absehen kann, solange eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme nicht notwendig ist (vgl nur BSG vom 18.10.1995 - 6 RKa 31/94 - SozR 3-2500 § 87 Nr 8 S 27) oder ob etwas anderes in Betracht zu ziehen sein kann, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen nach der Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise eine Zurückverweisung in die Berufungsinstanz in Betracht kommt und die Zurückverweisung im Berufungsverfahren ausdrücklich beantragt (vgl nur BSG vom 9.9.1998 - B 6 KA 34/98 B - juris RdNr 6) worden war (vgl hierzu letztens BVerfG ≪Kammer≫ vom 21.11.2018 - 1 BvR 436/17 - NJW 2019, 505 RdNr 15).
Denn ungeachtet der Frage, ob die von der Beschwerde gerügte Mitteilung des Kammervorsitzenden an die Rechtsanwaltskammer, der Kläger - der freiberuflicher Rechtsanwalt ist - prozessiere "in einer Vielzahl von Fällen" in eigener Sache gegen den Beklagten, geeignet war, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 60 Abs 1 SGG iVm § 42 Abs 2 ZPO), war der Kammervorsitzende mangels Ablehnung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht deswegen von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen. Letzter Zeitpunkt für die Geltendmachung von Ablehnungsgründen ist nach der Rechtsprechung des BVerfG und der Obersten Bundesgerichte der vollständige Abschluss der Instanz, weil die getroffene Entscheidung von dem Gericht, dem die im Anschluss abgelehnten Richter angehören, nicht mehr geändert werden kann (BGH vom 11.7.2007 - IV ZB 38/06 - NJW-RR 2007, 1653 RdNr 5 mwN; darauf Bezug nehmend BVerfG vom 28.4.2011 - 1 BvR 2411/10 - NJW 2011, 2191, 2192; ebenso etwa BSG vom 2.8.2001 - B 7 AL 28/01 B; BAG vom 18.3.1964 - 4 AZR 63/63 - DB 1964, 1123; BFH vom 17.5.1995 - X R 55/94 - BFHE 177, 344; BGH vom 17.5.2018 - I ZR 195/15 - NJW-RR 2018, 1461 RdNr 4; BVerwG vom 29.6.2016 - 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs 2 Ziff 3 VwGO Nr 77 RdNr 38). Das anders zu sehen gibt die Beschwerde keinen Anlass. Mindestens deshalb war das LSG wegen erst im Nachhinein geltend gemachter Ablehnungsgründe an einer Sachentscheidung über die Berufung des Klägers nicht gehindert. Dass ein Mangel an Unvoreingenommenheit des Kammervorsitzenden - lag er vor - durch das Berufungsverfahren nicht geheilt worden sein könnte (vgl BVerwG vom 20.5.2015 - 2 B 4.15 - NVwZ 2015, 1299 RdNr 8 f: Kein Absehen von mündlicher Verhandlung in der Berufungsinstanz bei erstinstanzlicher mündlicher Verhandlung vor befangenem Richter), zeigt die Beschwerde nicht auf.
Soweit die Beschwerde die Bestätigung der Prozessentscheidung des SG durch das LSG als verfahrensfehlerhaft rügt, ist ihr nicht substantiiert zu entnehmen, inwiefern ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse an dem begehrten Unterlassungsausspruch (vgl dazu nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 RdNr 42a mwN) bestanden hat, nachdem der Beklagte - wie sie vorträgt - zugesagt habe, dem Kläger bewilligte Leistungen ab Dezember 2017 nur noch auf das neue Konto zu überweisen. Dass er dies nicht - wie sie rügt - mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verbunden hat, tangiert schutzwürdige Interessen des Klägers nicht. Soweit die Beschwerde schließlich ein partielles Fehlverständnis des Klagebegehrens durch das LSG ("Erfindung einer … Klageänderung") rügt, zeigt sie nicht auf, inwieweit dessen Entscheidung hierauf beruhen könnte ("Zu welchen Ergebnissen die hier verfahrensfehlerhaft ergangene Entscheidung geführt hätte, ist derzeit nicht vorhersehbar").
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14113955 |