Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.03.1998)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. März 1998 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

Durch Urteil vom 9. März 1998 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Beklagte verurteilt, dem während des Beschwerdeverfahrens verstorbenen Ehemann der Klägerin (Versicherten) im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bereits ab 1. November 1992 (Vollendung des 65. Lebensjahres) Regelaltersrente zu gewähren. Die Beklagte habe gegenüber dem Versicherten, der neben seiner Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zunächst Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit und ab Dezember 1987 vorzeitiges Altersruhegeld erhielt, ihre Hinweispflicht aus § 115 Abs 6 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) verletzt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf grundsätzliche Bedeutung und Divergenz.

Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Gemäß § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). In der Beschwerdebegründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Das ist hier nicht geschehen.

Um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG darzulegen, muß der Beschwerdeführer im einzelnen folgendes aufzeigen (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65): (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung der Beklagten nicht gerecht.

Allerdings hat die Beklagte zunächst eine Rechtsfrage hinreichend bezeichnet. Dabei geht es ihr darum zu klären, ob § 115 Abs 6 Satz 1 SGB VI auch bei Versicherten, die bereits eine Rente beziehen, und zwar eine vorzeitige Altersrente, eine Hinweispflicht bezüglich der zu beantragenden Regelaltersrente begründet. Die weiteren von ihr auf Bl 5 f der Begründungsschrift vom 22. Juni 1998 angesprochenen Fragen haben insoweit keine eigenständige Bedeutung, da sie lediglich interpretatorische Einzelheiten betreffen, welche für die Beantwortung der eigentlichen Rechtsfrage von Bedeutung sein könnten.

Zu der von ihr aufgeworfenen Frage hat die Beklagte zwar behauptet, sie sei klärungsbedürftig, es jedoch unterlassen darzulegen, warum sie nicht bereits durch das Urteil des BSG vom 9. Dezember 1997 – 8 RKn 1/97 – (in BSGE 81, 251 = SozR 3-2600 § 115 Nr 2) hinreichend geklärt sei. Der Hinweis auf das zeitlich frühere und einen anderen Fall betreffende Urteil des BSG vom 22. Oktober 1996 – 13 RJ 23/95 – (in BSGE 79, 168 = SozR 3-2600 § 115 Nr 1) reicht insoweit nicht aus. Vielmehr hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, inwiefern der BSG-Entscheidung vom 9. Dezember 1997 in nicht geringfügigem Umfang widersprochen werde oder welche nicht von vornherein abwegigen Einwendungen gegen sie vorzubringen seien (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 13).

Im übrigen fehlt es auch an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsfähigkeit der genannten Rechtsfrage. Da die Frage sehr allgemein gefaßt ist, liegt es jedenfalls nicht auf der Hand, daß sie im angestrebten Revisionsverfahren zu beantworten wäre. Insbesondere ist die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht darauf eingegangen, ob der Versicherte nicht bereits im Hinblick darauf zu einer besonderen Gruppe von Beziehern vorzeitigen Altersruhegeldes (alten Rechts) gehörte, als er daneben eine Unfallrente erhielt. Dadurch mußte ihm bei der Berechnung einer Regelaltersrente nach dem SGB VI jedenfalls die sich aus § 93 Abs 2 Nr 2 SGB VI ergebende Vergünstigung zugute kommen.

Zur formgerechten Rüge eines Zulassungsgrundes der Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, daß sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muß darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muß einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, daß die Divergenz erkennbar wird. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, daß die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29). Diese Begründungserfordernisse hat die Beklagte nicht erfüllt.

Soweit die Beklagte geltend macht, das LSG sei von dem Urteil des BSG vom 9. Dezember 1997 – 8 RKn 1/97 – abgewichen, hat sie zwar zwei sich widersprechende Rechtssätze einander gegenübergestellt, den Rechtssatz, welchen sie dem LSG zuschreibt, hat sie jedoch nicht anhand der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils hinreichend bezeichnet. Die Beklagte erörtert zwar darüber hinaus eine Abweichung des LSG von dem Urteil des BSG vom 22. Oktober 1996 – 13 RJ 23/95 –, auch insoweit mangelt es jedoch an konkreten Angaben zu den fraglichen Rechtssätzen. Jedenfalls wird nicht deutlich, an welcher Stelle seines Urteils vom 22. Oktober 1996 der erkennende Senat die ihm unterstellte Rechtsansicht vertreten haben soll.

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175335

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