Orientierungssatz

1. Die ab 1.7.1977 geltende Neuregelung in § 1265 RVO ist verfassungsgemäß.

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 11.5.1988 - 1 BvR 215/88).

 

Normenkette

RVO § 1265 Abs. 1 Fassung: 1976-06-14; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14, 6 Abs. 1, Art. 20

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 11.12.1987; Aktenzeichen L 14 J 220/87)

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig; denn die Begründung entspricht nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form.

Die Klägerin macht geltend, es handele sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Dieser Zulassungsgrund muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Die Beschwerdeführerin hat mindestens eine Rechtsfrage klar zu bezeichnen. Von grundsätzlicher Art ist diese dann, wenn die Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, die Entscheidung der Frage also im allgemeinen Interesse liegt, weil das Recht fortentwickelt oder vereinheitlicht wird. Schließlich ist noch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) darzulegen, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist, inwiefern folglich ihre Beantwortung zweifelhaft und im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist (vgl BSG in SozR 1500 § 160a Nrn 17 und 54). Diesen Anforderungen entspricht hier die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin beansprucht Hinterbliebenenrente gem § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aus der Versicherung ihres früheren Ehemannes, obwohl ihre Ehe nach dem 1. Juli 1977 geschieden und ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht die Klägerin darin, daß die genannte Vorschrift verfassungswidrig sei, weil eine frühere Ehefrau nun keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente mehr habe, wenn ihre Ehe nach dem 1. Juli 1977 geschieden worden sei. Diese Frage ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch bereits ausreichend geklärt und eine weitergehende Klärungsbedürftigkeit ist von der Klägerin nicht aufgezeigt worden.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat durch Beschluß vom 13. Mai 1986 (SozR 2200 § 1265 Nr 78) entschieden, § 1265 RVO in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung sei verfassungsgemäß. Die Norm verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Sie sei auch mit Art 14 GG und mit den Grundsätzen vereinbar, nach denen das BVerfG die Vereinbarkeit von Gesetzen mit unechter Rückwirkung mit dem GG beurteile. Zuvor hatte bereits der erkennende Senat - damals als 5b Senat - durch Beschluß vom 14. März 1985 - 5b BJ 218/84 - im Anschluß an einen Beschluß des BSG vom 20. Januar 1983 - 11 BA 119/82 - entschieden, es könne zweifelsfrei verneint werden, daß die Ersetzung der Rente für geschiedene Ehefrauen verfassungswidrig sei. Weder der Schutz von Ehe und Familie in Art 6 GG noch das Sozialstaatsgebot des Art 20 GG begründeten eine Verpflichtung des Gesetzgebers, es bei der bisherigen Regelung der sog Geschiedenen-Witwenrente zu belassen.

Die gegen den erwähnten Beschluß des erkennenden Senats vom 14. März 1985 gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG im Beschluß vom 11. November 1986 - 1 BvR 1173/84 - nicht zur Entscheidung angenommen, weil keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe. Dazu hat das BVerfG ausgeführt, eine nach dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehefrau habe beim Fortfall der Geschiedenen-Witwenrenten keine ihr ausschließlich zustehende Rechtsposition gehabt, wie sie für den Schutz aus Art 14 GG von der Rechtsprechung vorausgesetzt werde. Die vom genannten Zeitpunkt an geltende neue Regelung in § 1265 RVO verstoße auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber sei berechtigt gewesen, mit dem Stichtag der Einführung des Versorgungsausgleichs einen Unterschied zwischen solchen Ehegatten zu machen, die vor und nach dem 1. Juli 1977 geschieden worden seien. Eine Verletzung des Art 6 Abs 1 GG liege fern; denn die Neuregelung entspreche gerade in besonderem Maße den Gewährleistungen in dieser Bestimmung des GG. Schließlich komme eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips nicht in Betracht. Dieses könne nicht dazu führen, Härten oder Unbilligkeiten zu beseitigen, die eine im übrigen sachgerechte und verfassungsgemäße Regelung zur Folge habe.

Durch die angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung ist die Verfassungsmäßigkeit der ab 1. Juli 1977 geltenden Neuregelung in § 1265 RVO unter allen hier möglichen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bestätigt worden. Das Vorbringen der Klägerin in der Beschwerdebegründung ist nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen. Eine bereits geklärte Rechtsfrage ist nämlich nur dann möglicherweise erneut klärungsbedürftig, wenn aufgezeigt wird, inwiefern der höchstrichterlichen Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen worden ist und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht worden sind (so BSG in SozR 1500 § 160a Nr 17). An derartigen Darlegungen fehlt es in der Beschwerdebegründung der Klägerin.

Die somit nicht formgerecht begründete Beschwerde mußte als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665607

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