Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 13. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um das Bestehen einer Familienversicherung.
Der Kläger zu 1. ist der Stiefvater der Klägerinnen zu 2. und 3. Letztere waren über ihn familienversichert. In der Zeit vom 14. bis zum 30.11.2014, vom 1.1. bis 28.2.2015 sowie ab Mai 2015 erzielte die Klägerin zu 2. eigene Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung. Im Sommer 2015 begann sie eine fachschulische Ausbildung, erhielt Leistungen nach dem BAföG und übte weiterhin eine geringfügige Beschäftigung aus. Die Klägerin zu 3. erzielte ab 1.8.2015 ebenfalls Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung.
Die beklagte Krankenkasse stellte das Nichtbestehen einer Familienversicherung der Klägerinnen zu 2. und 3. in den oben genannten Zeiträumen mit der Begründung fest, aufgrund deren eigener Einnahmen würden sie vom Kläger zu 1. nicht mehr überwiegend unterhalten (Bescheide vom 16. und 17.12.2015, Widerspruchsbescheide vom 6.4.2016). Klage und Berufung der Kläger sind ohne Erfolg geblieben (SG-Urteil vom 16.4.2019; LSG-Urteil vom 13.1.2022). Die unterschiedliche versicherungsrechtliche Behandlung von Stief- und Pflegekindern sei nicht verfassungswidrig.
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Die Beschwerdebegründung vom 28.2.2022 stützt sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Die Kläger machen geltend, § 10 Abs 4 Satz 1 SGB V aF sei verfassungswidrig gewesen. Die Entscheidungen des SG und des LSG würden gegen Art 3 Abs 1 und Art 6 GG verstoßen. § 10 Abs 4 Satz 1 SGB V aF benachteilige Stiefkinder, die neben den mit ihrem Stiefelternteil verheirateten leiblichen Elternteil keinen anderen leiblichen Elternteil vorweisen könnten, bei welchem sie sich ansonsten familienversichern könnten. Sie benachteilige weiterhin Stiefkinder, die in angespannten finanziellen Verhältnissen leben würden, gegenüber anderen Kindern.
1. Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht erfüllt, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
2. Die Beschwerdebegründung erfüllt die Zulässigkeitsanforderungen jedenfalls deshalb nicht, weil die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt wird.
a) Die Beschwerdebegründung befasst sich schon nicht hinreichend damit, dass sich die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf ausgelaufenes Recht bezieht. § 10 Abs 4 Satz 1 SGB V wurde mit Wirkung vom 11.5.2019 durch Art 1 Nr 6 Buchst c des Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG) vom 6.5.2019 (BGBl I 646) geändert. Der Kreis der zur Familienversicherung berechtigten Kinder wurde erweitert, indem nicht nur vom Mitglied überwiegend unterhaltene, sondern nunmehr auch Stiefkinder familienversichert sind, die das Mitglied "in seinen Haushalt aufgenommen hat". Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann jedoch eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn sie nicht offensichtlich erfüllt sind, in der Beschwerdebegründung darzulegen (BSG Beschluss vom 5.10.2020 - B 12 KR 52/20 B - juris RdNr 11 mwN).
Die Kläger erkennen zwar die zwischenzeitliche Rechtsänderung. Sie führen aber insoweit lediglich aus, dass es weiterhin zu "Beeinträchtigungen" komme, weil sie bis heute Raten an die Beklagte zahlen würden. Damit fehlt es an der für eine auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde an der erforderlichen Darlegung einer fortwirkenden allgemeinen Bedeutung. Selbst eine individuelle Betroffenheit durch die Norm in ihrer früheren Fassung legen die Kläger nicht hinreichend dar. Sie stellen lediglich auf eine vermeintliche wirtschaftliche Belastung durch eine behauptete Ratenzahlung ab, ohne darzulegen, wen von ihnen dies konkret, in welcher Höhe und auf welcher Rechtsgrundlage betrifft und welche Feststellungen das LSG hierzu getroffen hat. Auch fehlt es an Ausführungen dazu, in welchen Zeiträumen die behaupteten "Beeinträchtigungen" bestanden und ob sie weiterhin bestehen. Die Kläger gehen in ihrer Beschwerdebegründung auch nicht der naheliegenden Frage nach, ob und wann bei den Klägerinnen Versicherungspflicht, uU gemäß § 5 Abs 4a SGB V, eingetreten ist. Auch legen die Kläger nicht dar, inwieweit die wirtschaftlichen Folgen der nach der Beendigung der Familienversicherung eintretenden obligatorischen freiwilligen Versicherung der Klägerinnen durch Leistungen des Trägers der Grundsicherung oder der Sozialhilfe, uU nach § 26 Abs 2 SGB II, § 32 SGB XII, oder Leistungen nach § 13a BAföG kompensiert wurden oder hätten kompensiert werden können.
b) Unabhängig hiervon legen die Kläger die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache auch im Hinblick auf die gerügten Grundrechtsverstöße nicht hinreichend dar. Wird eine Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Kläger begründen ihre gerügten Verfassungsverstöße mit einer behaupteten wirtschaftlichen Mehrbelastung des Familienverbunds durch die Beendigung der Familienversicherung der Klägerinnen. Sie befassen sich weder mit den verfassungsrechtlichen Hintergründen der (beitragsfreien) Familienversicherung noch mit der unmittelbaren Ursache ihrer Beendigung im vorliegenden Fall, nämlich der Aufnahme (geringfügiger) Beschäftigungen durch die Klägerinnen. Dadurch fehlt die notwendige Auseinandersetzung mit den sozialrechtlichen Konsequenzen des Wegfalls der Familienversicherung infolge Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung, dem Eintritt einer eigenen obligatorischen, freiwilligen Anschlussversicherung aufgrund eigener Beschäftigungen der Klägerinnen oder der anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall im Rahmen ergänzender Leistungen der Grundsicherung oder Sozialhilfe. In diesem Zusammenhang legt die Beschwerdebegründung auch nicht dar, inwieweit es rechtlich überhaupt zu einer Mehrbelastung des Familienverbunds gekommen sein und auf welcher Rechtsgrundlage der Kläger zu 1. die Beiträge zur obligatorischen freiwilligen Versicherung der Klägerinnen übernommen haben soll oder hätte übernehmen müssen.
Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil § 10 Abs 4 Satz 1 SGB V - wie bereits ausgeführt wurde - zwischenzeitlich um eine weitere Alternative ergänzt wurde. Ausweislich der Materialien (BT-Drucks 19/6337 S 86 zu Buchst c) war die Rechtsänderung lediglich zur Reduzierung des "erheblichen Verwaltungsaufwands" bei der notwendigen Einzelfallprüfung des überwiegenden Unterhalts und nicht wegen eines vom Gesetzgeber erkannten Gleichheitsproblems veranlasst. Zudem wird in den Materialien ausdrücklich auf die Begrenzung des Anwendungsbereichs der Norm auf Konstellationen, die dem Schutzzweck der Familienversicherung entsprechen, hingewiesen.
3. Schließlich legen die Kläger auch die Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dar. Sie zeigen nicht auf, welche konkreten Feststellungen des LSG, insbesondere zu den Versicherungsverläufen der Klägerinnen, den zeitlichen Abläufen, ihren Einnahmen, möglichen Kompensationsleistungen, dem BSG in dem angestrebten Revisionsverfahren überhaupt eine Entscheidung über die in den Raum gestellten Fragen hätten ermöglichen können.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Heinz Bergner Beck
Fundstellen
Dokument-Index HI15291975 |