Verfahrensgang
SG Aurich (Entscheidung vom 26.09.2019; Aktenzeichen S 45 AS 187/17) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 23.06.2021; Aktenzeichen L 13 AS 266/19) |
Tenor
Die Verfahren der Klägerin mit den Aktenzeichen B 7/14 AS 63/21 BH, B 7/14 AS 64/21 BH, B 7/14 AS 65/21 BH und B 7/14 AS 66/21 BH werden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden; führend ist das Verfahren mit dem Aktenzeichen B 7/14 AS 63/21 BH. Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Juni 2021 - L 13 AS 266/19, L 13 AS 267/19, L 13 AS 268/19 und L 13 AS 120/20 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 113 Abs 1 SGG.
Dem Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von der Klägerin angestrebte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des LSG erfolgreich zu begründen. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakten ersichtlich.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich wegen der im Berufungsverfahren streitigen Frage nach dem Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c, Abs 3a SGB II, die in dem vorliegend auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung beschränkten Rechtsstreit wegen der angemessenen Wohnungsgröße relevant ist (vgl nur Luik in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 22 RdNr 112 mwN), mit Blick auf die hierzu bereits vorliegende Rechtsprechung des BSG (BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32; BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 60/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 51) Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen.
Die Entscheidung des LSG weicht auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ab, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz kommt ausschließlich in Betracht, wenn das LSG einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen. Soweit die Klägerin mit ihrem PKH-Antrag einzelne Entscheidungen des BSG benennt, von denen das LSG ihrer Meinung nach abweiche (ua BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32), macht sie nur geltend, die angegriffene Entscheidung des LSG sei falsch. Es ist aber nicht ersichtlich, dass das LSG eigene, vom BSG abweichende rechtliche Maßstäbe formuliert hat, was Voraussetzung für eine erfolgreiche Divergenzrüge ist.
Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG).
Soweit die Klägerin rügt, das Protokoll der mündlichen Verhandlung sei nicht unterschrieben (vgl § 122 SGG iVm § 163 Abs 1 ZPO), ist dies - ungeachtet der Frage, inwieweit das angegriffene Urteil auf einem solchen Fehler beruhen könnte - nach dem Inhalt der beigezogenen Verfahrensakten nicht zutreffend. Hieraus ergibt sich, dass das LSG in den vorliegend streitgegenständlichen Berufungsverfahren L 13 AS 266/19, L 13 AS 267/19, L 13 AS 268/19 und L 13 AS 120/20 ein gemeinsames Protokoll geführt hat, dessen Original sich in der Verfahrensakte L 13 AS 266/19 befindet. Dieses Original ist vom Vorsitzenden unterschrieben. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Richtigkeit der Übertragung aus der Tonaufnahme mit ihrer Unterschrift bestätigt (§ 163 Abs 1 Satz 2 ZPO). Soweit die Klägerin die fehlende Belehrung über die Möglichkeit der Strafbarkeit bei ihrer persönlichen Anhörung, die gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, und über die Verwertung der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Zeugenvernehmungen rügt, ist für einen Verfahrensfehler ebenfalls nichts ersichtlich.
Kein Verfahrensfehler liegt vor, soweit die Klägerin eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (vgl § 128 Abs 2 SGG) mit der Begründung rügt, sie habe sich zu den Ergebnissen der Zeugenvernehmungen nicht äußern können. Es ist nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, insoweit eine Verletzung rechtlichen Gehörs zu rügen (vgl hierzu nur BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 37/18 B - RdNr 6 mwN). Nach dem Inhalt des Protokolls hat das LSG das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten am Beginn der mündlichen Verhandlung und nach der Entscheidung, die Berufungsverfahren der Klägerin und des Herrn K1 gemeinsam zu verhandeln, erörtert. Zu diesem Zeitpunkt war Herr K1 in den Berufungsverfahren der Klägerin bereits als Zeuge vernommen worden. Im Anschluss an die sodann erfolgte Vernehmung des Zeugen S erfolgte zwar ausweislich des Protokolls keine Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses mehr. Allerdings hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in den vorliegenden Verfahren Sachanträge gestellt und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine weitere Erörterung der Beweisergebnisse nicht erforderlich war. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass es einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten gelingen würde darzulegen, dass die Klägerin ihrerseits alles Zumutbare getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl zu dieser Voraussetzung für die erfolgreiche Verfahrensrüge nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16d mwN aus der Rspr des BSG).
Soweit die Klägerin zuletzt rügt, sie habe nicht damit rechnen können, dass das LSG abweichend von der Einschätzung des beklagten Jobcenters im Verwaltungsverfahren und der Ansicht des SG vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihr und Herrn K1 ausgehe, liegt der hiermit gerügte Gehörsverstoß in Form einer Überraschungsentscheidung (hierzu zuletzt BSG vom 9.6.2021 - B 14 AS 302/20 B - RdNr 10) nach dem Akteninhalt nicht vor. Zwar ist es zutreffend, dass Inhalt der die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätze und der gerichtlichen Hinweise im Berufungsverfahren insbesondere Fragen der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftsaufwendungen waren. Bereits durch das mit der Ladung mitgeteilte Beweisthema "Wohn- und Lebensverhältnisse der Frau K2 und des Herrn K1" war aber für die Beteiligten erkennbar, dass Gegenstand der mündlichen Verhandlung die Frage nach dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft sein würde, zumal dies, wie bereits dargelegt, für die zugrunde zu legende Wohnungsgröße erheblich ist und vom LSG zu prüfen war. Im Übrigen teilt die Klägerin selbst mit, dass es vor dem LSG in der mehr als sechs Stunden dauernden mündlichen Verhandlung "nur" darum gegangen sei, ob sie mit Herrn K1 eine Bedarfsgemeinschaft bilde. Aus dem Protokoll ergibt sich zudem, dass der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin keinen Antrag auf Vertagung oder Schriftsatznachlass gestellt hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl zu den verschiedenen Möglichkeiten BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 37/18 B - RdNr 7 mwN).
S. Knickrehm Siefert Harich
Fundstellen
Dokument-Index HI15098648 |