Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständigkeit von VdAK-Prüfgremien. Anwendung des § 45 SGB 10 bei Honorarrückforderungen
Orientierungssatz
Zur Frage der Selbständigkeit von VdAK-Prüfgremien - Anwendung des § 45 SGB 10 bei Honorarrückforderungen:
1. Der Senat hält die Frage der Selbständigkeit der VdAK-Prüfgremien nicht für neu klärungsbedürftig.
2. Die Rückforderung von Honorarleistungen, die im Zusammenhang mit den allgemeinen Prüfungsmaßnahmen erfolgen, unterliegt nicht dem § 45 SGB 10.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 1; SGB 10 § 45
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 23.09.1987; Aktenzeichen L 1 Ka 2310/85) |
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen, welche die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) bei der Abrechnung von Parodontose (PA)-Behandlungen des Klägers, der bis Ende September 1983 im Bereich der Beklagten an der vertragszahnärztlichen Versorgung beteiligt war, vorgenommen hat.
Der VdAK-Prüfungsausschuß der Beklagten hat mit Bescheid vom 9. November 1987 wegen Nichterbringung bzw nicht vertragsgerechter Erbringung von PA-Behandlungen eine Honorarkürzung in Höhe von 3.174,35 DM vorgenommen. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg; im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger die Klage hinsichtlich einer PA-Behandlung über 908,53 DM zurückgenommen (Behandlungsfall H........, über den es nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) im Bescheid vom 9. November 1981 heißt, der Zahnarzt habe in diesem von ihm abgerechneten Fall überhaupt keine Leistungen erbracht). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: 1. Zwar habe es sich nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 14 Zahn-Ersatzkassenarztvertrag (Z-EKV), sondern um eine Richtigstellung gehandelt, für die die eigentliche Beklagte selbst zuständig gewesen wäre. Die fehlende Zuständigkeit führe aber, anders als im RVO-Bereich (BSGE 57, 154), nicht zur Rechtswidrigkeit der Bescheide, weil im Ersatzkassenbereich Prüfungsentscheidungen nicht von rechtlich verselbständigten Prüfungsinstanzen mit eigener Rechtspersönlichkeit und Beteiligtenfähigkeit erlassen würden, sodaß hier allein eine Verletzung von internen Aufgabenbegrenzungen vorlägen, was rechtlich unerheblich sei.
2. Die angefochtenen Bescheide würden auch nicht gegen die Begründungspflicht verstoßen (§ 35 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - -SGB X-). Zwar seien, außer im Falle des Patienten H., die Namen der (drei) Patienten nicht genannt worden. Dem Kläger sei aber aus der Einzelüberprüfung klar gewesen, daß es sich noch um die beiden Patienten T....... und N...... gehandelt habe.
3. Zwar sei durch die angefochtenen Bescheide ein begünstigender Verwaltungsakt - der zunächst ergangene Honoraranforderungsbescheid - teilweise aufgehoben worden. § 45 SGB X (Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes) finde aber hier keine Anwendung, da der Honorarbescheid unter dem Vorbehalt der nachträglichen Überprüfung der Wirtschaftlichkeit bzw der nachträglichen Richtigstellung nach den §§ 14, 12 des Z-EKV stehe (BSGE 53, 284, 288; 56, 116, 120).
4. Der Kläger habe die abgerechneten streitigen Leistungen nicht erbracht. Die Leistung Nr P 200 Bema (Lysothematische Behandlung von Parodontopathien = Erkrankungen des Zahnbettes) setze chirurgische Maßnahmen voraus. Sie seien vom Kläger, wie aufgrund der Prüfungen der Beklagten feststehe, nicht erbracht worden. In anderen Einzelfällen durchgeführte Vernehmungen von Patienten des Klägers hätten ergeben, daß ihnen nach Zahnsteinentfernung lediglich Mundduschen verabreicht worden seien. Selbst wenn der Kläger aber wie er behaupte, Curettagen (Auskratzungen) vorgenommen hätte, hätten sie, wie aufgrund Sachverständigengutachtens feststehe, nicht einer ordnungsgemäßen systematischen PA-Behandlung entsprochen. Der Kläger habe auch nicht der Lokalbehandlung die notwendige Vorbehandlung vorausgehen lassen; die Patienten seien ohne genaue Untersuchung in der ersten Sitzung sofort in Richtung einer PA-Behandlung geführt worden. Hierin liege ein Verstoß gegen die Richtlinien für die systematische Befunderhebung und Behandlung der Parodontopathien. Der Kläger habe daher keine systematische PA-Behandlung, insbesondere auch nicht den Leistungsinhalt der Nr P 200 Bema erbracht. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, die Rückforderungen in Höhe der Kosten der PA-Behandlungen einschließlich der Kosten der Nebenleistungen vorzunehmen.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, die er auf § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) stützt. Die Beklagte und der beigeladene VdAK sind der Beschwerde entgegengetreten.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Soweit der Kläger es für klärungsbedürftig ansieht, "ob ein Bescheid eines Ersatzkassenprüfgremiums wegen dessen sachlicher Unzuständigkeit rechtswidrig ist", was "bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden" sei, ist der Kläger nicht darauf eingegangen, daß in dem Urteil BSGE 42, 268, 271, auf das sich das Urteil BSGE 57, 151, 154 beruft und in dem es ebenfalls um den Bescheid eines Prüfungsausschusses ohne beschließende Mitwirkung von Kassenvertretern ging, allgemein gesagt wurde, daß die Gerichte einen angefochtenen Verwaltungsakt nicht allein wegen Fehlern des Verwaltungsverfahrens, insbesondere wegen einer Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften aufheben dürfen; der Kläger ist aber auch sonst nicht auf die vom LSG angeführte Literatur eingegangen. Der Kläger meint zwar, das Bundessozialgericht (BSG) solle die Frage der Selbständigkeit der VdAK-Prüfgremien neu überdenken. Der Senat hält diese Frage aber nicht für neu klärungsbedürftig.
2. Soweit der Kläger für klärungsbedürftig hält, ob eine nicht ordnungsgemäße kassenärztliche Leistung nur den Ersatz des durch den Mangel verursachten Schadens oder auch den Wegfall der Vergütung nach sich zieht und ob eine "Honorarberichtigung" wegen einer nicht ordnungsgemäß erbrachten Leistung rechtlich als gebührenordnungsmäßige Berichtigung zu qualifizieren ist, oder als Festsetzung eines "sonstigen Schadens" oder als Rückforderung eines Honorars für nicht erbrachte Leistungen, fehlt es an Ausführungen über die Klärungsfähigkeit; das LSG hat hier doch gerade die Zuständigkeit der KZÄV im Rahmen der gebrührenordnungsgemäßen Berichtigung angenommen.
3. Der Kläger hält es weiter für klärungsbedürftig, "ob Verstöße gegen die kassenärztlichen Richtlinien für die Reihenfolge der PA-Behandlungsschritte schon als solche eine mangelhafte medizinische Leistung des Zahnarztes bewirken" und ob der unter P 200 Bema verwendete Begriff "systematische" PA-Behandlung "gleichbedeutend ist mit einer PA-Behandlung, die die in den Richtlinien vorgeschriebene Reihenfolge (Systematik) der Behandlungsschritte einhält", wovon offenbar das LSG ausgehe. Das LSG hat seine Entscheidung jedoch nicht auf die Nichteinhaltung von Behandlungsschritten, sondern darauf gestützt, daß der Kläger den streitigen Leistungsinhalt nicht erbracht hat.
4. Schließlich sieht der Kläger für klärungsbedürftig an, ob für die Rückforderung nicht § 45 SGB X anwendbar ist, ob insbesondere unter einer abweichenden Regelung iS des § 37 SGB X nicht nur Regelungen formeller Gesetze zu verstehen sind. Das LSG hat ausgeführt, daß hier die Ausnahme einer abweichenden Regelung iS des § 37 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) nicht bedeute, daß Honorarbescheide für die Vergangenheit beliebig aufgehoben werden könnten; Beschränkungen ergäben sich durch die vierjährige Verjährungsfrist und unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung. Abgesehen davon, daß das LSG damit offenbar keine abschließende Aufzählung der zeitlichen Beschränkungen geben wollte, beruht die Entscheidung nicht auf der Einhaltung bzw Nichteinhaltung von Fristen. Was aber die Frage der abweichenden Regelung iS des § 37 SGB I als solche angeht, hat der Senat hinreichend geklärt, daß die Rückforderung von Honorarleistungen, die im Zusammenhang mit den allgemeinen Prüfungsmaßnahmen erfolgen, nicht dem § 45 SGB X unterliegt.
Fundstellen