Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkennung der Grenze des Entscheidungsspielraums. Verstoß gegen die Denkgesetze
Orientierungssatz
1. Das Berufungsgericht verstößt nicht gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens, wenn es materielle Rechtsvorschriften unrichtig anwendet. Insbesondere stellt deshalb eine Verkennung der Grenzen des Entscheidungsspielraums der Beschwerdekommission keinen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmangel dar.
2. Verstöße gegen die Denkgesetze können die Zulassung der Revision nicht begründen.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 3, § 128 Abs 1 S 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 25.11.1987; Aktenzeichen L 12 Ka 112/86) |
Gründe
Dem als Internisten an der Ersatzkassenpraxis beteiligten Kläger wurde das Ersatzkassenhonorar für das Quartal IV/81 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei den Sonderleistungen und bei den Laborleistungen gekürzt. Das Sozialgericht (SG) hat den Kürzungsbescheid hinsichtlich der Laborleistungen aufgehoben und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das Urteil des SG hinsichtlich der Laborleistungen aufgehoben und die Klage auch insoweit abgewiesen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist nicht begründet.
Unter Ziffer I 1. und 2. seiner Beschwerdebegründung rügt der Kläger Verfahrensfehler des LSG. Er hat aber keine Verfahrensmängel iS des § 160 Abs 2 Ziffer 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bezeichnet. Mängel des Verwaltungsverfahrens ergeben keinen Grund für die Zulassung der Revision nach dieser Bestimmung. Ebenso verstößt das Berufungsgericht nicht gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens, wenn es materielle Rechtsvorschriften unrichtig anwendet. Insbesondere stellt deshalb eine Verkennung der Grenzen des Entscheidungsspielraums der Beschwerdekommission keinen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmangel dar.
Die mehrfachen Rügen des Klägers, das LSG habe seine Aufklärungspflicht verletzt, greifen nicht durch. Auf eine Verletzung der die gerichtliche Aufklärungspflicht regelnden Vorschrift des § 103 SGG kann der Verfahrensmangel in der Nichtzulassungsbeschwerde nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Ziffer 3 SGG). Soweit der Kläger überhaupt auf einen Beweisantrag hinweist, fehlt es an einer Darlegung, warum sich das LSG nach seiner materiellen Rechtsauffassung zu der Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht sieht der Kläger auch darin, daß das LSG der Bedeutung seines hohen Überweisungsanteils nicht weiter nachgegangen sei. Das LSG hat indessen die Überweisungsfälle untersucht und dann näher begründet, warum der Gesamtanteil des Klägers an Überweisungsfällen als Praxisbesonderheit auszuscheiden habe.
An mehreren Stellen der Beschwerdebegründung weist der Kläger auf Widersprüche des LSG-Urteils zu Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) hin. Daraus ergeben sich keine Verfahrensmängel. Für Divergenzrügen (§ 160 Abs 2 Ziffer 2 SGG) fehlt es an der erforderlichen ausreichenden Darlegung von sich widersprechenden Rechtssätzen des LSG und des BSG. Das gilt insbesondere für die bloße Vermutung des Klägers, das LSG habe für die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe keine Veranlassung gesehen, offensichtlich wohl deshalb, weil der Kläger keine Zusatzbezeichnung führe sowie für den Satz des LSG, nach dem die vorwiegend diagnostische Tätigkeit des Klägers eine Verknüpfung mit Einsparungen bei den Arzneikosten grundsätzlich nicht zuläßt, "da in der Regel ein geringerer Arzneikostenaufwand der Praxis nur durch andere therapeutische Leistungen des Arztes ausgeglichen werden kann (vgl BSG vom 27. April 1982 - 6 RKa 7/79 -)." Mit der Einschränkung, daß dies in der Regel gelte, hat das LSG deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es insoweit um den Beweis des Kausalzusammenhangs geht und nicht um einen Rechtssatz. Zu dem erwähnten Satz des BSG im Urteil vom 9. Juni 1982 - 6 RKa 1/81 -, der Umfang der Arzneimittelverordnungen könne Rückschlüsse auf eine vorrangig der Diagnostik zugewendete Praxisführung zulassen, steht die vom LSG angenommene Regel nicht im Widerspruch.
Soweit der Kläger rügt, das LSG habe hinsichtlich des geltend gemachten verminderten Rentneranteils weiter aufklären müssen, fehlt es schon an der Darlegung eines speziell hierauf gerichteten Beweisantrages. Dem Vorbringen entnimmt der Senat aber eine Divergenzrüge. Es kann dahingestellt bleiben, ob das LSG insoweit überhaupt einen Rechtssatz aufgestellt hat. Die Divergenzrüge greift jedenfalls deshalb nicht durch, weil der Kläger nicht ausreichend dargelegt hat, warum das Urteil des LSG auf der behaupteten Abweichung beruht. Sein Vorbringen, bei gewichteter Überprüfung des Rentneranteils hätte sich eine nicht mehr zu beanstandende Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts ergeben, ist im einzelnen nicht nachvollziehbar, auch nicht im Zusammenhang mit den im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebenen Ausführungen, der unterdurchschnittliche Rentneranteil wirke sich bei den Sonderleistungen erhöht aus, weil Rentner zwar mehr Arztkosten verursachten als Mitglieder, im allgemeinen aber altersbedingte und chronische Leiden hätten. Auf einer Abweichung vom Urteil des BSG vom 18. Mai 1983 - 6 RKa 18/80 - könnte das Berufungsurteil nur beruhen, wenn es aufgrund der Feststellungen des LSG und seiner Rechtsauffassung ohne die Abweichung möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Deshalb muß der Beschwerdeführer jedenfalls auf solche Feststellungen und rechtlichen Ausführungen des Berufungsurteils eingehen, die der Entscheidungserheblichkeit der Abweichung in offensichtlicher Weise entgegenstehen können. Das hat der Kläger nicht getan. Im Berufungsurteil heißt es, daß der Kläger bei den Rentnern durchweg die Nummern 406, 407, 651 und 685 E-GO zur Abrechnung gebracht habe. Diese Leistungsnummern enthalten die jeweils aufwendigeren Ultraschall-, elektrokardiographischen und gastroskopischen Untersuchungen. Deshalb hätte es einer genaueren Darlegung bedurft, warum gerade in der Praxis des Klägers die Überschreitungen bei den Sonderleistungen (einschließlich der von der Beschwerdekommission gerade als unwirtschaftlich hervorgehobenen, oben genannten Untersuchungen) durch einen niedrigeren Rentneranteil bedingt sein sollen.
Soweit der Kläger eine Verkennung der Grenzen der freien Beweiswürdigung rügt, übersieht er den Ausschluß von Verstößen gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG als Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Verstöße gegen die Denkgesetze können daher die Zulassung der Revision nicht begründen. Soweit der Kläger die Verletzung des rechtlichen Gehörs behauptet, fehlt es am Nachweis, daß das LSG sein Vorbringen nicht berücksichtigt habe; das Gericht braucht nämlich nicht auf jedes Vorbringen eines Beteiligten in der Urteilsbegründung ausdrücklich einzugehen. Ferner muß das Urteil für die Zulassung der Revision auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen. Das trifft für die Feststellung des LSG, daß die Sonographie keine Besonderheit der internistischen Tätigkeit mehr sei, nicht zu, denn diese mit den Worten "... im übrigen ..." eingeleitete Feststellung trägt das Urteil nicht.
Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen