Leitsatz (amtlich)
Das Armenrecht kann vom Revisionsgericht nicht allein aus dem Grunde verweigert werden, weil das Gesuch nicht innerhalb der Revisionsfrist begründet worden ist. Auch wenn das Armenrechtsgesuch ohne jede Begründung gestellt wird, muß das Revisionsgericht die Aussichten eines solchen Gesuches unter Zugrundelegung des vorliegenden Streitstoffes prüfen.
Normenkette
ZPO § 118 Abs. 3
Tenor
Dem Antragsteller für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht das Armenrecht verweigert, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Gründe
Der Antragsteller hat mit einem persönlich unterzeichneten, beim Bundessozialgericht am 1. März 1956 eingegangenen Schreiben vom 28. Februar 1956 gegen das ihm am 10. Februar 1956 zugestellte Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 7. Dezember 1955 Revision eingelegt und gleichzeitig Antrag auf Bewilligung des Armenrechts und Beiordnung eines Rechtsanwalts als Prozeßbevollmächtigten für die Durchführung des Revisionsverfahrens gestellt. Mit einem beim Bundessozialgericht am 11. April 1956 eingegangenen Schreiben vom 8. April 1956 hat er den Antrag auf Bewilligung des Armenrechts begründet.
Der Antrag konnte jedoch keinen Erfolg haben.
Nach § 167 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann einem Beteiligten, der nicht nach § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG vertreten ist, für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht das Armenrecht bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Antragsgegner ist der Auffassung, daß dem Antragsteller das Armenrecht schon aus dem Grunde zu verweigern sei, weil er seinen Armenrechtsantrag nicht innerhalb der Revisionsfrist von einem Monat ausreichend begründet habe. Die Begründung des Armenrechtsgesuchs durch den Antragsteller sei sogar erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 11. April 1956 beim Bundessozialgericht eingegangen. Der Antragsgegner will sich mit diesem Vorbringen offenbar auf die nach § 167 Abs. 2 SGG entsprechend anwendbare Vorschrift des § 118 Abs. 3 ZPO beziehen, nach dem in dem Armenrechtsgesuch das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzulegen ist. § 118 Abs. 3 ZPO ist jedoch nach Auffassung des Senats eine Vorschrift, die grundsätzlich nur das Verfahren in der ersten Instanz betrifft, nicht dagegen das Verfahren in den Rechtsmittelinstanzen, nachdem das Streitverhältnis bereits in der vorhergehenden Instanz klargestellt ist. Es ist zwar zweckmäßig, daß auch bei einem Armenrechtsantrag, der in einer Rechtsmittelinstanz gestellt wird, die Gründe dargelegt werden, aus denen das Urteil der Vorinstanz angefochten werden soll. Hierzu besteht jedoch gesetzlich kein Zwang. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs an, der in einem Beschluß vom 20. November 1953 - IV ZB 83/53 - (veröffentlicht in Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 118 ZPO Nr. 3) ausgesprochen hat, daß selbst bei einem Armenrechtsgesuch, das ohne jegliche Begründung von einem Rechtsmittelkläger gestellt wird, das Rechtsmittelgericht die Aussichten eines solchen Gesuches unter Zugrundelegung des bisherigen Streitstoffes prüfen muß.
Die von dem Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen. Sie findet daher nur statt, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) das Gesetz verletzt ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Das Vorbringen des Klägers sowie die beigezogenen Akten lassen jedoch nichts erkennen, was darauf schließen läßt, daß das Verfahren vor dem Landessozialgericht an einem wesentlichen Mangel leidet oder daß bei der Prüfung der Zusammenhangsfrage das Gesetz verletzt ist. An die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist das Bundessozialgericht nach § 163 SGG gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Dies ist nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht gegen die ihm nach § 103 SGG obliegende Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, verstoßen. Wenn das angefochtene Urteil im übrigen unter eingehender Begründung dem Gutachten des Prof. Dr. Lange (Orthopädische Klinik München) vom 16. März 1955 gefolgt ist und die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs der bei dem Kläger vorliegenden Paget'schen Erkrankung mit dem Wehrdienst verneint hat, so hat es damit auch nicht den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 SGG) verletzt.
Da hiernach nicht ersichtlich ist, daß die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der Revision vorliegen, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung somit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das beantragte Armenrecht mußte daher verweigert werden.
Fundstellen