Leitsatz (amtlich)
Einer Berechtigten, bei der die Voraussetzungen des RVO § 1302 für eine Witwenrentenabfindung erfüllt sind, ist diese Abfindung auch dann in das Ausland zu zahlen, wenn die Zahlung weder im übernationalen Recht noch in zwischenstaatlichen Abkommen ausdrücklich vorgesehen ist.
Orientierungssatz
Zur Anwendung des interlokalen und internationalen Sozialversicherungsrechts (Verhältnis zueinander).
Zum "Territorialprinzip" in der Sozialversicherung.
Normenkette
RVO § 1302 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1315 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Einer Berechtigten, bei der die Voraussetzungen des § 1302 RVO für eine Witwenrentenabfindung erfüllt sind, ist diese Abfindung auch dann in das Ausland zu zahlen, wenn die Zahlung weder im übernationalen Recht noch in zwischenstaatlichen Abkommen ausdrücklich vorgesehen ist.
Gründe
A
Die Klägerin des beim 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) anhängigen Ausgangsverfahrens lebt in der Republik Südafrika. Sie besitzt die südafrikanische Staatsangehörigkeit; die frühere deutsche Staatsangehörigkeit hat sie durch rassische Verfolgung verloren. Aus der Versicherung ihres ersten, geschiedenen Ehemannes hat sie bis zu ihrer Wiederverheiratung im März 1968 eine Geschiedenen-Witwenrente bezogen. Den Antrag auf Gewährung der Witwenrentenabfindung hat die Beklagte im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin im Ausland abgelehnt. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg gewesen. Das mit der zugelassenen Revision von der Klägerin angefochtene Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen stützt sich im wesentlichen auf die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG. Dieser hat entschieden, daß der Aufenthalt der Berechtigten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsordnung (RVO) der Zahlung der Witwenrente entgegensteht, sofern nicht übernationales Recht oder zwischenstaatliche Abkommen die Zahlung zulassen (Urteile vom 3. Februar 1966 - BSG 24, 227 -, 12. November 1969 - SozR Nr. 10 zu § 1302 RVO -, 14. Oktober 1970 - 4 RJ 201/70 -). Diese Rechtsfolge ergebe sich aus dem Grundsatz, der für die Gewährung von Geldleistungen in das Ausland bestehe. Danach habe die Leistung zu ruhen, soweit nicht das Gesetz etwas anderes anordne. Dieser Grundsatz folge aus dem Territorialitätsprinzip, wonach sich die Sozialversicherungsgesetze im allgemeinen nur auf das Inland bezögen. Die §§ 1315 bis 1323 a RVO behandeln nach Ansicht des 4. Senats Ausnahmen von diesem Grundsatz. Solche Ausnahmen sehe das Gesetz vor, nämlich für Renten und Beitragserstattungen, nicht dagegen allgemein für sonstige Leistungen, also auch nicht für Rentenabfindungen. Für die Grundeinstellung des Gesetzes sei bestimmend, daß sich der Gesetzgeber die Entschließung darüber habe vorbehalten wollen, ob und unter welchen Voraussetzungen Leistungsansprüche außerhalb des Landes wohnender Berechtigter zu erfüllen seien. Wenn der Unterabschnitt D des zweiten Abschnitts des Vierten Buches der RVO auch die Überschrift trage: "Zahlung von Leistungen bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes", so bedeute das nicht, daß hier Tatbestände aufgeführt seien, bei deren Verwirklichung Leistungen trotz des an sich zu erfüllenden Anspruchs nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erbringen seien. Die Überschrift erkläre sich vielmehr zwanglos daraus, daß der Gesetzgeber daran gedacht habe, die Ermächtigung zu Zahlungen in das Ausland später zu erweitern, und daß er deshalb dem Gesetzesteil, den er für solche Rechtsetzungsakte zur Verfügung halte, eine umfassendere Überschrift gegeben habe. Diese Auffassung werde durch die Einfügung des § 1323 a in die RVO durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 gestützt. Bis dahin sei die Beitragserstattung in das Ausland als unzulässig angesehen worden. Die danach für die Beitragserstattung zugelassene Durchbrechung des allgemeinen Prinzips fehle für die Witwenrentenabfindungen. Die Voraussetzungen, unter denen Renten - abweichend von dem allgemeinen Prinzip - in ein Gebiet transferiert würden, in dem die RVO nicht gelte, könnten nicht ohne weiteres auf Rentenabfindungen übertragen werden. Die Rente diene der Unterhaltsbefriedigung im Interesse des einzelnen, mit der Abfindung verfolge der Gesetzgeber dagegen vornehmlich ein allgemeines sozialethisches Ziel. Ebenso verbiete sich die Parallele zwischen dem Fall der Rentenabfindung und der Beitragserstattung in das Ausland. Eine Gleichsetzung dieser beiden Ansprüche scheitere an der Verschiedenheit der ihnen zugrunde liegenden Interessenlagen. Dieser Unterschied bestehe u. a. darin, daß Beitragserstattungen weitere Ansprüche aufgrund zurückliegender Versicherungszeiten definitiv ausschlössen, während Witwenrentenabfindungen den Versicherungsträger nicht für alle Zukunft endgültig aus der Leistungspflicht entließen.
Der mit der Revision der Beklagten befaßte 12. Senat des BSG war geneigt, der Revision stattzugeben, sah sich daran aber durch die Entscheidungen des 4. Senats gehindert. Der 12. Senat sieht darin, daß in den §§ 1315 bis 1323 a RVO die Witwenrentenabfindung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausdrücklich erwähnt ist, keinen hinreichenden Grund für die Annahme, daß der Klägerin, weil sie in der Republik von Südafrika wohnt, diese Leistung nicht ausgezahlt werden könne. Er ist vielmehr der Auffassung, daß die Witwenrentenabfindung aus der gesetzlichen Rentenversicherung unter den gleichen Voraussetzungen an Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs der RVO zu zahlen sei, wie dies in den §§ 1315 ff. RVO für die Rente bestimmt sei. An seiner bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung im Urteil vom 29. Mai 1969 - 12 RJ 152/68 - will der 12. Senat nicht mehr festhalten.
Der 4. Senat hat dem 12. Senat auf Anfrage mitgeteilt, er wolle an seiner in den genannten Entscheidungen wiedergegebenen Rechtsauffassung festhalten. Ergänzend hat er dies damit begründet, daß auch für beamtenrechtliche Versorgungsansprüche in § 159 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) seiner Auffassung ähnliche Regelungen getroffen worden seien.
Eine Änderung des nach der Rechtsansicht des 4. Senats zur Zeit geltenden Rechts in dem Sinne, die Abfindung der Witwenrente bei Wiederverheiratung in die für Renten geltenden Regelungen einzubeziehen, müsse dem Gesetzgeber schon deshalb überlassen bleiben, weil nur er allein die verfügbaren finanziellen Mittel kenne. Die Rechtsprechung dürfe dem Gesetzgeber auch nicht die Möglichkeit nehmen, die Bestimmungen zwischenstaatlicher Abkommen oder überstaatlicher Normen unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit möglichst günstig für die deutsche Seite auszuhandeln. Die §§ 1315 ff. RVO seien dahin auszulegen, daß § 1316 RVO die Grundsatzvorschrift darstelle und sich auf alle Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe; § 1315 RVO stehe zu Unrecht voran. Aus dem Zusammenhang der §§ 1315 ff. RVO mit zwischen- und überstaatlichen Normen ergebe sich die Regel, daß Geldleistungen nicht in das Ausland zu zahlen seien. Für überstaatliche Normen wäre - zumindest zu einem wesentlichen Teil - kein Raum, wenn es nicht die "Barriere gegen grenzüberschreitende Leistungen" gäbe. Da diese Frage ein Hauptgegenstand zwischenstaatlicher Abmachungen sei, könne sie nicht bereits durch einseitige Gesetzgebung geregelt sein. Die Einfügung des § 1323 a RVO durch das 1. RVÄndG sei eine Reaktion des Gesetzgebers auf das eine Beitragserstattung in die DDR ablehnende Urteil des BSG vom 24. Februar 1965 - 4 RJ 403/62 - (BSG 22, 263) gewesen. Diese Entscheidung sei damit begründet worden, daß die Beitragserstattung bei Auslandsaufenthalt im Gesetz bisher nicht ausdrücklich geregelt sei. Darauf habe der Gesetzgeber eine weitere Durchbrechung des Territorialitätsprinzips angeordnet. Hätte er genauso auf das Urteil des 4. Senats vom 3. Februar 1966 reagieren wollen, so hätte er dazu im 3. RVÄndG, mit dem zahlreiche Vorschriften der RVO neu gefaßt oder geschaffen worden seien, Gelegenheit gehabt. Im übrigen werde im Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung (BT-Drucks. VI, 1126) nicht nur das Territorialitätsprinzip bestätigt, sondern auch "die gesetzgeberische Kompetenz hinsichtlich der Abfindung der Witwenrenten herausgestellt". Ob der vom Gesetzgeber gewollte Leistungsausschluß durch die Verneinung eines Anspruchs oder durch das Ruhen der Leistungen bewirkt werde, sei ohne Bedeutung. Ihm stünden meist mehrere Möglichkeiten offen, um sein Ziel zu erreichen. Aus seiner Wahl Schlüsse auf die Systematik zu ziehen, sei nicht zulässig. Bei der Witwenrentenabfindung handele es sich nicht um eine echte Abfindung. Die Witwenrente falle weg, wenn die Berechtigte wieder heirate. Was weggefallen sei, könne aber nicht abgefunden werden. Zwischen Witwenrente und der Abfindung der Witwe bestehe keine innere Verknüpfung. Es sei auch bedenklich, die Witwenrentenabfindung wirtschaftlich als eine im voraus zu zahlende wiederkehrende Rentenleistung anzusehen, denn die Abfindung habe keine Unterhaltsersatzfunktion. Es gebe auch keine Sicherung der Abfindung im Hinblick auf deren Verwendung zu einem bestimmten Zweck. Aus der Möglichkeit des Wiederauflebens von Witwenrenten im Ausland könnten keine Rückschlüsse auf die Zahlung einer Witwenrentenabfindung in das Ausland gezogen werden.
Zur Behebung der aufgezeigten Divergenz hat der 12. Senat aufgrund des § 42 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dem Großen Senat des BSG die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist einer Berechtigten im Ausland die Witwenrentenabfindung auch dann zu zahlen, wenn die Zahlung weder im übernationalen Recht noch in zwischenstaatlichen Abkommen ausdrücklich vorgesehen ist?
B
Der Große Senat hat die ihm in zulässiger Weise zur Entscheidung vorgelegte Rechtsfrage bejaht.
Nach § 1302 RVO wird einer Witwe, die wieder heiratet, als Abfindung das Fünffache des Jahresbetrages der bisher bezogenen Rente gewährt. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs wären unzweifelhaft gegeben, wenn davon abgesehen wird, daß es sich um einen Fall mit Auslandsberührung handelt. Die Auslandsberührung ergibt sich daraus, daß die Klägerin nicht die deutsche, sondern die südafrikanische Staatsangehörigkeit besitzt, ihren Wohnsitz im Ausland hat und die zweite Ehe im Ausland geschlossen worden ist. Bevor entschieden werden kann, ob deshalb der Anspruch auf Witwenrentenabfindung ruhen kann, muß geklärt werden, ob überhaupt ein Anspruch auf eine Witwenrentenabfindung entstanden ist, denn das Ruhen setzt begrifflich das Bestehen eines Anspruchs voraus, wie sich zudem deutlich aus dem Wort "Berechtigte" in § 1315 RVO ergibt.
I
1)
Für die Beantwortung der Frage, ob im vorliegenden Fall ein Anspruch nach § 1302 RVO entstanden ist, enthält weder das Fremdrentenrecht noch übernationales Recht (z. B. EWG-Recht) eine Regelung. Ein Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Republik Südafrika besteht nicht. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beeinflußt die Entscheidung nicht, weil die Klägerin diese zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 aus Gründen rassischer Verfolgung verloren hat und daher sozialversicherungsrechtlich einer deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt ist (vgl. § 1317 RVO und § 1 des Fremdrentengesetzes i. V. m. Art. 116 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes - GG -). Für die Beantwortung der Frage, ob im vorliegenden Fall ein Anspruch nach § 1302 RVO entstanden ist, können auch nicht die Grundsätze des interlokalen Sozialversicherungsrechts herangezogen werden, wie sie vor allem im Verhältnis der BRD zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zur Anwendung kommen. Die Beantwortung muß deshalb allein nach den Grundsätzen des Internationalen Sozialversicherungsrechts erfolgen. Danach ist § 1302 RVO anzuwenden.
Im Bereich der deutschen Sozialversicherung ist praktisch seit ihrem Bestehen anerkannt, daß für die Versicherungspflicht und die damit regelmäßig verbundene Beitragspflicht, also für die Beitragsseite, die deutschen Vorschriften auch in Fällen mit Auslandsberührung (z. B. Arbeitnehmer oder Arbeitgeber mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz im Ausland) dann anzuwenden sind, wenn der Ort der Beschäftigung im deutschen Rechtsgebiet liegt. Ausgangspunkt für diese Entwicklung war die Rekursentscheidung des Reichsversicherungsamtes vom 23. Oktober 1885 (AN 1885, S. 345 Nr. 72). Aus der Einführung der Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung, später auch in der Arbeitslosen- und der gesetzlichen Unfallversicherung und aus der daraus entspringenden Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen ist der Schluß gezogen worden, daß ein solches System grundsätzlich nur im Innern durchgeführt werden könne; denn Zwangsmaßnahmen könnten außerhalb des Herrschaftsbereichs der Gesetze nicht ausgeübt und die Versicherung könnte dort auch nicht durchgeführt werden. So ergab sich für die Frage der Versicherungspflicht zwangsläufig der Ort der Beschäftigung als maßgebend dafür, nach welchem Recht in Fällen mit Auslandsberührung die Versicherungspflicht zu bestimmen ist (Anknüpfungspunkt). Grundsätzlich ist aber dieses für die Hereinnahme bestimmter Arbeitnehmer in die Sozialversicherung geltende Recht auch für die sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Leistungen maßgebend, d. h. für die Leistung ist auch bei Auslandsberührung grundsätzlich dasselbe Recht anzuwenden, das für die Beitragsentrichtung maßgebend war. Daraus ergibt sich, daß für die Leistungsseite der Sitz des Versicherungsträgers, der die sich aus den erbrachten Beiträgen ergebenden Leistungen festzustellen und zu erbringen hat, der Anknüpfungspunkt im Sinne des Internationalen Sozialversicherungsrechts sein muß. Beitrag und Leistung stehen bei einem Versicherungsverhältnis in einer engen gegenseitigen wirtschaftlichen und rechtlichen Abhängigkeit. Auch dies rechtfertigt es, die Frage nach dem anzuwendenden Recht bei Beiträgen und Leistungen gleich zu beantworten. Im vorliegenden Fall ist daher für die Leistung das Recht der Bundesrepublik Deutschland auch bei Auslandsberührung maßgebend, also § 1302 RVO anzuwenden (vgl. hierzu BSG 8, 195, 197).
Wenn das BSG - erstmalig im Urteil des 5. Senats vom 20. September 1956 (BSG 3, 266) und dann in ständiger Rechtsprechung - hinsichtlich der Frage, wie sich ein Aufenthalt in der DDR auf die Anwendung der Bestimmungen der RVO auswirkt, einen anderen Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Recht, nämlich den des Wohnsitzes des Anspruchsberechtigten gewählt hat, so ergibt sich aus den Gründen des genannten Urteils deutlich, daß dieser Anknüpfungspunkt nur gerechtfertigt ist, weil Deutschland in politisch, rechtlich und wirtschaftlich getrennte Teile aufgespalten und dadurch ein bis dahin einheitliches Sozialversicherungsgebiet zerrissen worden ist und auf deutschem Boden zwei voneinander unabhängige eigenständige Sozialversicherungssysteme entstanden sind, die Leistungen an die Bewohner ihres Gebietes nur nach eigenem Recht, wenn auch unter zumindest teilweiser Berücksichtigung der in dem anderen Teil entrichteten Beiträge ohne die Möglichkeit eines gegenseitigen Lastenausgleichs gewähren. Hier konnte eine Lösung nur darin gefunden werden, daß man nunmehr jeden Anspruchsberechtigten als schicksalsmäßig verhaftet mit der Entwicklung des Sozialversicherungsrechts an seinem Wohnsitz ansah und ihn für die Geltendmachung von Sozialversicherungsansprüchen an die jeweils dort zuständigen Versicherungsträger verwies (BSG 3, 290, 291).
Diese durch die Teilung Deutschlands bedingte Rechtssituation stellt sich nur im interlokalen Sozialversicherungsrecht im Verhältnis der BRD zur DDR, nicht aber im Internationalen Sozialversicherungsrecht, weil hier Beschäftigungsort und Leistungsort in demselben Rechtsgebiet liegen, so daß der zur Leistung verpflichtete Versicherungsträger in den Fällen mit Auslandsberührung dasselbe Recht anzuwenden hat wie der Versicherungsträger des Beschäftigungsortes, an den die Beiträge entrichtet worden sind und der gesetzlich vorgeschriebene Lastenausgleich durchgeführt wird. Wenn wegen der einmaligen Besonderheit der deutschen Teilung als Anknüpfungspunkt für das für Leistungen geltende Recht der Wohnsitz gewählt worden ist, so können daraus keine Folgerungen für das Internationale Sozialversicherungsrecht gezogen werden. Es sind allerdings Mißverständnisse dadurch entstanden, daß aus der Rechtsprechung des BSG, die interlokales Sozialversicherungsrecht im Verhältnis der BRD zur DDR betraf, Grundsätze für das Internationale Sozialversicherungsrecht abgeleitet worden sind. Dadurch konnte man zu der unrichtigen Schlußfolgerung kommen, in dem Urteil vom 20. September 1956 (BSG 3, 286) und in dem Urteil vom 23. Oktober 1958 (BSG 8, 195) seien gegensätzliche Ansichten vertreten worden.
2)
Wenn demnach § 1302 RVO nach den Regeln des Internationalen Sozialversicherungsrechts hier grundsätzlich anzuwenden ist, obwohl sich die Anspruchsberechtigte im Ausland aufhält und die zweite Ehe im Ausland geschlossen worden ist, könnte sich doch aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergeben, daß sie auf innerstaatliche Verhältnisse abgestellt und daher nur auf Tatbestände anwendbar ist, die der innerstaatlichen Rechtsordnung zuzurechnen sind. Möglicherweise könnte die Anwendung des § 1302 RVO auch deshalb ausgeschlossen sein, weil Ansprüche aus dieser Vorschrift mit einer hoheitlichen Kontroll- oder einer anderen hoheitlichen Maßnahme verbunden sind, die der Versicherungsträger im Ausland nicht durchführen kann. Beides ist jedoch nicht der Fall.
Der Sinn und der mit dieser Versicherungsleistung verfolgte Zweck schließen Witwenrentenabfindungen bei Auslandsaufenthalt nicht aus. Witwenrentenabfindungen und die Möglichkeit des Wiederauflebens einer Witwenrente sollen zwar den unerwünschten sogenannten Rentenkonkubinaten entgegenwirken und als Anreize für das Eingehen einer neuen Ehe wirken. Außer dieser sozialethischen Zielsetzung soll die Witwenrentenabfindung aber auch zur Einschränkung langjähriger Witwenrentenzahlungen führen und damit zu einer Entlastung des Versicherungsträgers beitragen. Eine Entlastung des Versicherungsträgers tritt bei jeder Wiederverheiratung ein, so daß aus diesem Grunde ein Anreiz zur Wiederverheiratung auch für Witwen gegeben werden muß, die ihre Witwenrente im Ausland beziehen oder sich in das Ausland wiederverheiraten wollen. Aber auch der sozialethische und gesellschaftspolitische Grund, unerwünschten Rentenkonkubinaten entgegenzuwirken, muß jedenfalls auch dann gelten, wenn es sich bei den für eine Witwenrentenabfindung in das Ausland in Betracht kommenden Fällen um Witwen deutscher Staatsangehörigkeit oder um diesen sozialversicherungsrechtlich gleichgestellte Witwen handelt.
Auch die völkerrechtliche Regel, an die das innerstaatliche Recht gemäß Art. 25 GG gebunden und nach der die Vornahme staatlicher Hoheitsakte auf dem Gebiet eines anderen Staates verboten ist, sofern nicht der andere Staat die Vornahme des Hoheitsaktes gestattet hat oder sich sonst aus dem allgemeinen oder besonderen Völkerrecht eine Rechtfertigung für einen solchen Eingriff ergibt (vgl. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S. 342), steht im vorliegenden Fall der Erfüllung von Ansprüchen aus § 1302 RVO in das Ausland nicht entgegen. Die Entstehung eines Anspruchs auf Witwenrentenabfindung bei einer im Ausland lebenden Person und die nachfolgende Auszahlung dieser Abfindung bedarf keiner Vornahme eines staatlichen Hoheitsaktes, sondern nur der Einholung von Unterlagen, die auch von Privatpersonen angefordert werden können.
3)
Ein Grundsatz, daß Geldleistungen bei Auslandsaufenthalt nicht gewährt werden, soweit das Gesetz nicht etwas anderes anordnet, ergibt sich auch nicht aus dem Territorialitätsprinzip. Aus diesem Prinzip läßt sich für die Beantwortung der dem Großen Senat gestellten Frage nichts Entscheidendes herleiten. Vor allem im älteren Schrifttum wurde davon ausgegangen, daß in der zwischenstaatlichen Sozialversicherung die Versicherungssysteme der einzelnen Staaten nach dem Grundsatz der Territorialität (Territorialitätsprinzip) voneinander abzugrenzen seien. Das Ziel dieses Grundsatzes sei es, für Arbeitnehmer, die zwischen den Systemen wechseln, Doppelversicherungen auszuschließen und Versicherungslücken zu vermeiden, die durch diesen Wechsel entstehen können (so Jantz in Maunz/Schraft, Die Sozialversicherung der Gegenwart, III 28). Deshalb wurde in Anwendung des Territorialitätsprinzips die Frage, ob für eine Beschäftigung Versicherungspflicht besteht, dahin beantwortet, daß für die Versicherungspflicht weder die Staatsangehörigkeit des Beschäftigten noch die des Arbeitgebers noch deren Wohnsitze von Bedeutung sind, sondern allein, ob sich der Beschäftigungsort im Inland befindet. In der Erkenntnis, daß die Möglichkeit für Zwangsmaßnahmen eines Staates an seinen Grenzen endet, sollte mit dem Territorialitätsprinzip die Anwendung der §§ 1227 ff. RVO auf ausländische, im Inland tätige Arbeitnehmer und das Hereinnehmen dieser Arbeitnehmer, die ihre Arbeitskraft der deutschen Wirtschaft oder deutschen Dienststellen im Inland zur Verfügung stellten, in den Schutz der deutschen Sozialversicherung erklärt werden. Der Begriff "Territorialitätsprinzip" ist also ursprünglich nicht als Erklärung oder Rechtfertigung für den Ausschluß des Versicherungsschutzes oder bestimmter sich aus diesem ergebender Leistungen für und an solche Arbeitnehmer benutzt worden, wie es in der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 3. Februar 1966 (BSG 24, 227) geschehen ist. Hierdurch wurde der Erfolg, der mit diesem Prinzip ursprünglich erklärt werden sollte (Hereinnahme in den Schutz der deutschen Sozialversicherung), insofern in sein Gegenteil verkehrt, als damit ein Ausschluß von Leistungen aus der deutschen Sozialversicherung gerechtfertigt werden sollte. Hierzu konnte es kommen, weil es an einer eindeutigen Inhaltsbestimmung des Territorialitätsprinzips fehlt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) spricht in seiner Entscheidung vom 24. Juli 1962 (SGb 1962, 301, 306) vom "sogenannten Territorialitätsprinzip in der Sozialversicherung". Aus dieser vorsichtigen Fassung läßt sich folgern, daß das BVerfG zurückhaltend beurteilt, ob das Territorialitätsprinzip als eindeutiger sozialversicherungsrechtlicher Begriff anzusehen ist. In der neueren Literatur ist dieses Prinzip häufig kritisch überprüft worden (so Podlech in NJW 1963, 1142, der zumindest in der gesetzlichen Unfallversicherung das Territorialitätsprinzip als mit dem Gesetz nicht vereinbar ansieht; Glienicke in SGb 1966, 501, der in dem Begriff "Territorialitätsprinzip" lediglich ein Schlagwort sieht; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, der auf S. 19 die Ansicht vertritt, die heutige Verwaltungspraxis habe - wenn auch nicht ausdrücklich, so doch der Sache nach - das Territorialitätsprinzip für den Bereich des Sozialversicherungsrechts inzwischen weitgehend aufgegeben; von Maydell, Sach- und Kollisionsnormen im internationalen Sozialversicherungsrecht - Band 3 der Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht - S. 71, der darauf hinweist, daß dem Territorialitätsprinzip keine allgemeine Geltung als Rechtsgrundsatz zukommt). Im Grunde bestätigt das Territorialitätsprinzip nur die Tatsache, daß die hoheitliche Wirkungsmöglichkeit eines Staates an seinen Grenzen endet. Im Sozialversicherungsrecht hat es daher seine besondere Bedeutung bei der Frage der Versicherungspflicht (vgl. Plöger-Wortmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, Bd. I S. 1 und Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Band I S. 399). Darüber hinaus könnte es allerdings auch in anderen Bereichen der Sozialversicherung bedeutsam werden, soweit eine hoheitliche Betätigung, insbesondere eine hoheitliche Kontrolle, außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Sozialversicherungsgesetze erforderlich sein würde (vgl. oben B I 2 b). Das Prinzip kann aber nicht zur Begründung der Meinung herangezogen werden, abweichend von den Grundsätzen des internationalen Sozialversicherungsrechts, seien Geldleistungen in das Ausland aus der deutschen Rentenversicherung nicht zu gewähren, wenn dies das Gesetz nicht ausdrücklich anordnet. Zu diesem Ergebnis ist auch der 3. Senat des BSG hinsichtlich des Zuschusses zu dem Krankenversicherungsbeitrag (§ 381 Abs. 4 Satz 2 RVO) gekommen. Nach seiner Ansicht schließt weder das Territorialitätsprinzip noch die Regelung in den §§ 1315 ff. RVO eine Überweisung von Zuschüssen zum Krankenversicherungsbeitrag bei Auslandsaufenthalt aus (SozR Nr. 24 zu § 381 RVO).
II
1)
Zur Frage, ob ein Witwenrentenabfindungsanspruch ruhen kann, ist zuerst festzustellen, daß die RVO das Ruhen von wiederkehrenden Leistungen, nicht aber ein Ruhen von Ansprüchen auf einmalige Leistungen, kennt (vgl. §§ 189, 216, 218, 480, 625, 847, 1278 ff., 1315 ff., 1569 a, 1626, 1629 RVO). Beim Ruhen von wiederkehrenden Leistungen geht die RVO davon aus, daß das Stammrecht erhalten bleibt, aber mit der Folge ruht, daß die sich aus ihm während des Ruhens ergebenden Einzelleistungen nicht entstehen. Kehrt beim Ruhen wegen Auslandsaufenthalts ein Berechtigter in das Inland zurück, so setzen die dann fällig werdenden Einzelleistungen wieder ein. Die während des Ruhens an sich fällig gewordenen, aber wegen des Ruhens nicht entstandenen Einzelleistungen werden jedoch nicht nachgezahlt. Der Zweck des Ruhens kann bei einmaligen Leistungen nicht erreicht werden. War ein solcher Anspruch bereits vor Beginn des Auslandsaufenthaltes entstanden, aber noch nicht festgestellt und ausgezahlt, so könnte sein Ruhen nur zur Folge haben, daß er erst nach Beendigung des Auslandsaufenthalts festgestellt und ausgezahlt werden könnte. Werden aber die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs erst während des Auslandsaufenthalts erfüllt, so könnte ein Ruhen seine Entstehung nicht verhindern, weil das Ruhen eines Anspruchs sein Vorhandensein voraussetzt. Auch hier könnte also das Ruhen lediglich zur Folge haben, daß der Anspruch erst nach Beendigung des Auslandsaufenthaltes festgestellt und ausgezahlt werden könnte. Diese wegen der Möglichkeit von Manipulationen wenig sinnvollen und vom 4. Senat des BSG auch nicht gewollten Ruhensfolgen würden nicht dem Zweck der §§ 1315 ff. RVO entsprechen, weil durch diese Vorschriften während des Auslandsaufenthalts schon das Entstehen eines Anspruchs auf Einzelleistungen aus dem sonst unberührt bleibenden Stammrecht verhindert werden soll. Bei dem vom 4. Senat des BSG erstrebten Ziel kann aber überhaupt nicht mehr von einem Ruhen eines Anspruchs gesprochen werden, weil im Ergebnis eine Verneinung des gesamten Anspruchs und damit ungleich weitere Wirkungen erreicht werden sollen, als sie die in den §§ 1315 ff. RVO getroffenen Regelungen haben.
2)
Die gesetzliche Behandlung einmaliger Leistungen vor der Rentenreform von 1957 spricht für die Gewährung der Witwenrentenabfindung in das Ausland.
Schon nach dem Gesetz betreffend die Invalidität und Altersversorgung vom 22. Juni 1889 - IuAVG - (RGBl. S. 97 f.) und nach dem Invalidenversicherungsgesetz vom 13. Juli 1899 - IVG - (RGBl. S. 463 F.) gab es Ansprüche auf einmalige Leistungen (Beitragserstattungen). Es ruhten aber bei Auslandsaufenthalt nach § 37 Nr. 4 IuAVG und nach § 48 Nr. 4 IVG nur Ansprüche auf Renten. Auch nach § 1313 Nr. 1 in der ersten am 13. Juli 1911 veröffentlichten Fassung der RVO (RGBl. S. 509 f.) ruhten nur die Renten, solange sich der Berechtigte freiwillig gewöhnlich im Ausland aufhielt; nach § 1316 RVO war jedoch der berechtigte Ausländer im Falle des § 1313 Nr. 1 RVO mit dem dreifachen Betrage seiner Jahresrente, also mit einer einmaligen Leistung, abzufinden. Zur Begründung dieser Regelung wurde damals ausgeführt, die Einbeziehung der Ausländer in die Alters- und Invaliditätsversicherung ergebe sich aus einem Grundsatz der bisherigen sozialpolitischen Gesetzgebung. Daß Rentenempfänger auf die Auszahlung der Rente keinen Anspruch haben sollten, solange sie nicht in Inland wohnten, entspreche dem Vorgang des Gesetzes betreffend die Unfallversicherung der Seeleute vom 13. Juli 1887. Nur sei in den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung mit Rücksicht auf die große Zahl der unter die Alters- und Invaliditätsversicherung fallenden Personen die Einstellung der Rentenzahlung obligatorisch gemacht worden. Denn die mit der Auszahlung von Renten im Ausland und mit der Kontrolle der im Ausland lebenden Rentenempfänger verbundenen Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten würden naturgemäß um so mehr empfunden, je häufiger sie zu erwarten seien. Auf diese Schwierigkeiten sei auch bei den Beratungen im Plenum des Reichstages hingewiesen worden (vgl. Kommentar zur RVO von Hanow/Lehmann, 3. Aufl., 1914 Ziff. 2 zu § 1313). Bis zum 31. Dezember 1933 konnten die Versicherungsträger einen berechtigten Ausländer, der sich gewöhnlich im Ausland aufhielt, mit dem Kapitalwert seiner Bezüge abfinden (§ 1317 RVO). Erst durch Art. I Nr. 3 der Verordnung über die Änderung, die neue Fassung und die Durchführung von Vorschriften der RVO, des AVG und des RKG vom 17. Mai 1934 - in Kraft seit dem 1. Januar 1934 - (RGBl. I, 419) wurde der damalige § 1317 RVO aufgehoben.
Der Gesetzgeber hatte also ursprünglich das Ruhen von Rentenleistungen in das Ausland nur angeordnet, um die Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten zu vermeiden, die bei der Auszahlung von Renten in das Ausland und bei der Kontrolle der im Ausland lebenden Rentenempfänger bestehen. Er hatte aber im Bewußtsein der Verpflichtung, daß grundsätzlich an Ausländer, die ihre Versicherungsbeiträge im Inland erbracht haben, auch die gleichen Leistungen wie an im Inland lebende Personen zu erbringen sind, bei Rentenleistungen in das Ausland die Rentenleistung durch eine einmalige Rentenabfindung ersetzt. Im übrigen war schon zur Geltungszeit des IuAVG und des IVG - ebenso wie nach dem Inkrafttreten der RVO - das Ruhen für Invaliden- und Altersrenten für zahlreiche ausländische Grenzgebiete ausgeschlossen, so daß Unbilligkeiten, die durch das Ruhen von Rentenleistungen in das Ausland hätten entstehen können, in den meisten Fällen von vornherein entfielen.
Aus dem Ruhen von Leistungen, die einer laufenden Überwachung und Kontrolle bedürfen, können daher keine Rückschlüsse für das Ruhen oder Nichtentstehen von einmaligen Leistungen gezogen werden, bei denen derartige Überwachungen und Kontrollen nicht erforderlich sind. Im Gegenteil ist aus dem Umstand, daß seit dem Inkrafttreten des IuAVG stets neben Renten auch einmalige Leistungen vorgesehen waren, der Gesetzgeber aber ausdrücklich nur das Ruhen von Renten angeordnet und lange Zeit sogar eine bei Auslandsaufenthalt ruhende Rente unter bestimmten Voraussetzungen durch eine einmalige Abfindung ersetzt hat, zu schließen, daß einmalige Geldleistungen bei einem Auslandsaufenthalt nicht ruhen sollten.
Auch die Witwenrentenabfindung ist in § 1298 Satz 2 RVO erstmals durch das Gesetz vom 13. Juli 1923 eingeführt worden, ohne daß dies für den Gesetzgeber ein Anlaß gewesen ist, die sich nur auf die Rente beziehenden Ruhensbestimmungen bei Auslandsaufenthalt auf die Witwenrentenabfindungen auszudehnen. Die sich aus den Ruhensbestimmungen für Renten ergebenden Einschränkungen wirken sich ohnehin in vielen Fällen auch bei Witwenrentenabfindungen dadurch aus, daß Renten, die wegen Auslandsaufenthalt nicht oder nach dem zur Zeit geltenden Recht nur gekürzt bezogen werden konnten, nicht oder nur geringer abgefunden werden können. Eine darüber hinausgehende Einschränkung für die Auszahlung von Witwenrentenabfindungen in das Ausland hat der Gesetzgeber aber nicht angeordnet. In dem vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger herausgegebenen Kommentar zur RVO ist erst unter Berufung auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 3. Februar 1966 (BSG 24, 227) dessen Ansicht wiedergegeben worden, daß der Aufenthalt der Berechtigten außerhalb des Geltungsbereichs der RVO der Zahlung der Witwenrentenabfindung entgegenstehe (Vorbemerkung 3 vor § 1315 RVO).
Man muß also nach der historischen Entwicklung zu dem Ergebnis kommen, daß die einmalige Abfindungsleistung für eine Rente, die durch die Wiederheirat weggefallen ist, auch in das Ausland gezahlt werden muß. Das gilt bei Witwenrentenabfindungen auch besonders deshalb, weil die Berechtigten die Abfindung zu jedem beliebigen Zweck verwenden können und eine Sicherung und Überwachung der Verwendung der Abfindung nicht notwendig ist. Die Witwenrentenabfindung braucht keine im Ausland nicht oder nur schwer durchführbare Überwachung und Kontrolle, wie das bei wiederkehrenden Leistungen und bei Rehabilitationsmaßnahmen der Fall ist.
3)
Aus beamtenrechtlichen Regelungen kann für die Entscheidung der dem Großen Senat vorgelegten Rechtsfrage nichts hergeleitet werden. Wenn nach § 159 Nr. 2 des BBG die Versorgungsbezüge eines Beamten ruhen, der seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Ausland hat, so kann diese für deutsche Ruhestandsbeamte geltende Regelung schon deshalb nicht ohne weiteres auf sonstige Arbeitnehmer übertragen werden, weil zwischen Beamten und dem Staat ein besonderes Treueverhältnis besteht, das auch noch nach dem Eintritt in den Ruhestand fortbesteht und das bei einem ständigen Auslandsaufenthalt des Ruhestandsbeamten im Ausland als entscheidend gelockert angesehen werden kann. Nach Ziffer 8 der Verwaltungsvorschriften zu § 159 BBG sind im allgemeinen Ausnahmen von dem Ruhen der Versorgungsbezüge zuzulassen, wenn Gründe in der Person des Versorgungsberechtigten vorliegen, die seinen dauernden Aufenthalt im Ausland notwendig machen, z. B.
a) wenn der Versorgungsberechtigte beabsichtigt, in der Nähe seines Ehegatten oder von Verwandten gerader Linie oder der Seitenlinie bis zum zweiten Grade (Geschwister) zu weilen,
b) wenn er sich vor Eintritt des Versorgungsfalles erhebliche Zeit in dem betreffenden Land aufgehalten hat.
Hierdurch können Härten vermieden werden. Diese Möglichkeit gibt es aber nicht im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung.
4)
Die Finanzierbarkeit und der Grundsatz der Gegenseitigkeit müssen bei der gesetzlichen Festlegung von Sozialversicherungsleistungen in das Ausland und beim Abschluß von Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten berücksichtigt werden. Die Gerichte können diese Gesichtspunkte aber nicht zur Rechtfertigung der Versagung von Leistungen benutzen, auf die ein Rechtsanspruch besteht und die nach den Grundsätzen des internationalen Sozialversicherungsrechts auch in das Ausland zu erbringen sind.
5)
Bei der Auslegung der §§ 1315 ff. RVO kann nur davon ausgegangen werden, daß es sich bei der in § 1316 RVO genannten Leistung um die in § 1315 RVO genannte Rente handelt, § 1316 RVO also lediglich die Möglichkeit des Ausschlusses des in § 1315 RVO grundsätzlich angeordneten Ruhens der Rentenleistung regelt. Dieser Aufbau entspricht dem der §§ 1317 RVO ff., dort wird in § 1317 RVO auch für Deutsche das grundsätzliche Ruhen einer Rentenleistung in das Ausland angeordnet, und die §§ 1318 ff. bestimmen dann die Voraussetzungen, unter denen die Rente doch ausnahmsweise in das Ausland gezahlt werden kann. Wenn der Gesetzgeber davon ausginge, daß grundsätzlich keine Geldleistung in das Ausland gezahlt werden könnte, wäre es auch unverständlich, warum er überhaupt das Ruhen von Rentenleistungen in das Ausland anordnet und dann Ausnahmen von diesem Ruhen zuläßt. Dann hätte es sich vielmehr angeboten, nur die Fälle zu regeln, in denen doch ausnahmsweise Rentenzahlungen in das Ausland zu gewähren sind.
6)
Die Einfügung des § 1323 a in die RVO durch das RVÄndG vom 9. Juni 1965 ermöglicht keine Schlüsse für die Beantwortung der dem Großen Senat gestellten Frage. Im Jahre 1965 wurden auch über die Möglichkeit einer Zahlung von Beitragserstattungen in das Ausland noch unterschiedliche Ansichten vertreten. Da sich die Verweigerung einer Beitragserstattung bei einer Versagung von Leistungen aus diesen Beiträgen als eine offensichtliche Unbilligkeit darstellt, erschien es dem Gesetzgeber möglicherweise hier besonders dringend erforderlich zu sein, die Diskussion über Beitragserstattungen in das Ausland baldmöglichst im Sinne der Zulässigkeit solcher Erstattungen zu beenden.
7)
Aus dem Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Rentenversicherung vom 31. August 1970 (BT-Drucks. VI/1126 C VI 2 und C VI 3 S. 39) an den Bundestag können keine Rückschlüsse auf die Rechtsansicht der Bundesregierung gezogen werden. Die Bundesregierung war gehalten, bei ihrem Bericht den Rechtszustand zugrunde zu legen, der sich aus der Rechtsprechung des für die angesprochenen Fragen zuständigen obersten Bundesgerichts ergab. Daher mußte hinsichtlich der Auswirkung des Territorialitätsprinzips und der Zahlung von Witwenrentenabfindungen an Berechtigte im Ausland von der hierzu vorliegenden Rechtsprechung des BSG ausgegangen werden.
Aus den gleichen Erwägungen mußten in Art. 10 Abs. 1 letzter Satz der EWG-VO Nr. 1408/71 (Amtsblatt EG 1971 Nr. L 149/7) noch bestehende Wohnsitzklauseln für Witwenrentenabfindungen von Mitgliedstaaten gegenüber anderen Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgehoben werden.
C
Gewisse Zusammenhänge mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Angehörigen anderer Staaten mit den Angehörigen des eigenen Staates bestehen mit einer Entwicklungsrichtung der zwischenstaatlichen Sozialversicherung, die von Jantz als Grundsatz der uneingeschränkten Leistungsgewährung in das Ausland oder als Grundsatz der an die Person gebundenen Leistung bezeichnet wird (vgl. Jantz in DOK 1968, 287, 291 und in BABl. 1970, 554, 559, 560). Jantz weist besonders darauf hin, daß sich soziale Sicherung heute nicht mehr auf die eigenen Staatsbürger und das eigene Territorium beschränken darf und daß die Übereinkommen und Empfehlungen des Internationalen Arbeitsamtes dem Zwecke dienen, den Schutz der sozialen Sicherheit personell und territorial auszuweiten. Ohne eine solche soziale Sicherheit gäbe es keine Freizügigkeit; an die Stelle des Territorialitätsprinzips trete das Personalitätsprinzip. Diese Tendenz verdient in einer Zeit, die unter dem Zeichen des engeren Zusammenschlusses von Staaten und des Austausches von Arbeitnehmern über die Staatsgrenzen hinweg steht, gefördert zu werden, und dieser Tendenz entspricht auch die Entscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, wie sie in seiner Präambel und in den Artikeln 24 bis 26 zum Ausdruck kommt.
Schließlich ist es aber auch schwer verständlich, warum Witwenrenten, die ohne die Wiederverheiratung aufgrund der §§ 1315 ff. RVO in das Ausland hätten weitergezahlt werden müssen, nicht auch in das Ausland abgefunden werden können, zumal die Witwenrentenabfindung und die Möglichkeit des Wiederauflebens einer Witwenrente den gleichen Zweck verfolgen und eine in das Ausland gezahlte Witwenrente bei einer späteren Auflösung der zweiten Ehe wiederaufleben kann, wie es im vorliegenden Falle auch nach dem am 29. Dezember 1970 eingetretenen Tode des zweiten Ehemannes der Klägerin geschehen ist. Zwischen der Witwenrente und der Witwenrentenabfindung besteht eine starke Wechselwirkung. Die Höhe der Witwenrentenabfindung hängt von der Höhe der Witwenrente ab. Wenn die Witwenrentenabfindung auch eine Versicherungsleistung eigener Art ist und nach der Gesetzessystematik von der Witwenrente getrennt behandelt wird, so stellt sie doch wirtschaftlich gesehen die Rentenzahlung für die nächsten fünf Jahre im voraus dar. Auch wird die Witwenrentenabfindung bei vorzeitiger Auflösung der zweiten Ehe auf die dann unter bestimmten Voraussetzungen wiederauflebende Witwenrente angerechnet (vgl. § 1302 Abs. 1 und § 1291 Abs. 2 letzter Satz RVO).
Aus den dargelegten Erwägungen hat der Große Senat die ihm vorgelegte Rechtsfrage wie in der Beschlußformel angegeben beantwortet.
Fundstellen