Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage. Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Befreiung des Arbeitgebers von der Pflicht zur Erstattung des Arbeitslosengeldes bei sozial gerechtfertigter Kündigung
Orientierungssatz
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer formulierten Rechtsfrage zum Befreiungstatbestand der sozial gerechtfertigten Kündigung gem § 147a SGB 3 muss der Beschwerdeführer aufzeigen, inwiefern sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht bereits unmittelbar aus dem Gesetz und der Rechtsprechung zumindest ableiten lässt (vgl BSG vom 17.10.2007 - B 11a AL 7/06 R = SozR 4-4100 § 128 Nr 9 und vom 15.6.2000 - B 7 AL 78/99 R = BSGE 86, 187 = SozR 3-4100 § 128 Nr 8).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; SGB 3 § 147a S. 2 Nr. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Juni 2011 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 3074,51 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist nicht in der durch § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfrage erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
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Die Klägerin wirft die Fragen auf, "ob ein Arbeitgeber, dessen Arbeitnehmer vorträgt, die Arbeitsleistung aus gesundheitlichen Gründen zukünftig nicht mehr erbringen zu können, an die strengen Voraussetzungen, die das Bundesarbeitsgericht für eine personenbedingte Kündigung aufgestellt hat, gebunden ist (1); ob ein Arbeitgeber bei Ausspruch einer personenbedingten Kündigung auf Aussagen seines Arbeitnehmers, er könne aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung zukünftig nicht mehr erbringen, ohne das Vorliegen einer objektivierbaren Erkrankung vertrauen darf, wenn die Aussage des Arbeitnehmers jedenfalls im Einklang mit einer erheblich reduzierten Leistung vor Ausspruch der Kündigung steht (2)". |
Der Senat lässt dahinstehen, ob die Klägerin damit Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung oder nur Fragen mit Einzelfallcharakter aufgeworfen hat. Jedenfalls hat sie die Klärungsbedürftigkeit bzw Klärungsfähigkeit dieser Fragen nicht hinreichend dargetan.
Hinsichtlich der zu (2) aufgeworfenen Frage legt die Klägerin weder dar, dass zu dieser Frage noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege, noch, dass die in ihrer Fragestellung enthaltenen tatsächlichen Voraussetzungen durch entsprechende Tatsachenfeststellungen des Landessozialgericht (LSG) gestützt werden. Insoweit beachtet die Klägerin nicht, dass die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu erfolgen hat (vgl hierzu ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 39; stRspr; zuletzt Senatsbeschluss vom 20.5.2011 - B 11 AL 25/11 B).
Hinsichtlich der zu (1) aufgeworfenen Frage trägt sie zwar vor, die Frage sei weder vom Bundessozialgericht (BSG) noch von den Tatsachengerichten der Sozialgerichtsbarkeit "eindeutig entschieden". Sie unterzieht sich allerdings nicht der Mühe, aufzuzeigen, inwiefern sich die Frage nicht bereits unmittelbar aus dem Gesetz (vgl § 147a Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ≪SGB III≫) und der Rechtsprechung zumindest ableiten lässt (vgl ua Senatsurteil vom 17.10.2007 - B 11a AL 7/06 R - Juris RdNr 16 f; BSGE 86, 187, 191, 194 = SozR 3-4100 § 128 Nr 8 S 69, 72 f; s auch Rolfs in Gagel, SGB II/SGB III, § 147 SGB III RdNr 169 bis 171, Stand Einzelkommentierung März 2011). Hierzu hätte aber umso mehr Veranlassung bestanden, als das LSG im angefochtenen Urteil nicht nur Rechtsprechung sowohl des BSG als auch des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Auslegung und Anwendung der Vorgängerregelung des § 128 Arbeitsförderungsgesetz bzw zum Kündigungsschutzgesetz, sondern auch Literatur, insbesondere Kommentarstellen zu § 147a SGB III, zitiert hat, womit sich die Klägerin hätte auseinandersetzen müssen. Allein die Wiedergabe eigener Rechtsansichten über vermeintlich (zu) strenge Voraussetzungen für eine personenbedingte Kündigung nach der Rechtsprechung des BAG ersetzt diese Auseinandersetzung nicht; sie erfüllt die Anforderungen an eine Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) in keiner Weise.
Dass die Klägerin die Entscheidung des LSG offenbar für sachlich unzutreffend erachtet, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn ob das LSG die Sache richtig entschieden hat, ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 mwN; stRspr).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs 3 iVm § 63 Abs 2 Gerichtskostengesetz.
Fundstellen