Tenor

Auf die Erinnerung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluß des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 20. November 1992 abgeändert und die aus der Bundeskasse zu erstattende Vergütung auf 1.299,60 DM (in Worten: Eintausendzweihundertneunundneunzig 60/100 Deutsche Mark) festgesetzt.

Im übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Klägerin und Revisionsklägerin ist durch Beschluß des erkennenden Senats vom 28. Juli 1992 Prozeßkostenhilfe für das Revisionsverfahren unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt worden. Nachdem das beklagte Land mit Bescheiden vom 16. und 17. September 1992 das begehrte Erziehungsgeld für zwei Kinder bewilligt hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Nach dem Beschluß des Senats vom 23. Oktober 1992 hat ihr der Beklagte die außergerichtlichen Kosten für alle Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten. Mit Schriftsatz vom 7. November 1992 hat der beigeordnete Rechtsanwalt die Festsetzung und Erstattung seiner Vergütung aus der Bundeskasse in Höhe von 1.812,60 DM beantragt. Er hat dabei die Gebühr nach § 116 Abs 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGebO) idF des Änderungsgesetzes vom 20. August 1990 (BGBl I S 1765) mit 1.550,– DM angesetzt. Der Urkundsbeamte hat mit dem angefochtenen Beschluß lediglich eine Gebühr von 800,– DM für angemessen erklärt und die zu erstattende Vergütung mit 957,60 DM festgesetzt.

Die zulässige Erinnerung ist teilweise begründet. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist zu Recht davon ausgegangen, daß der von dem Erinnerungsführer angesetzte Betrag der Rahmengebühr nicht billigem Ermessen iS von § 12 Abs 1 Satz 1 BRAGebO entspricht. Er hatte deshalb das Recht, gemäß § 12 Abs 1 Satz 2 diese Gebühr niedriger festzusetzen. Durch den Ansatz einer erheblich unter dem Mittelwert liegenden Gebühr wird allerdings der Anspruch des Erinnerungsführers auf eine angemessene Vergütung verletzt. Nach Auffassung des Senats ist hier die Mittelgebühr von 1.100,– DM angemessen und der Kostenfestsetzung zugrunde zu legen.

Der im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt erhält gemäß § 121 BRAGebO die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten des Bundes aus der Bundeskasse. Sie wird gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 BRAGebO von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des Rechtszuges festgesetzt. Über Erinnerungen des Rechtsanwalts gegen die Festsetzung entscheidet gemäß § 128 Abs 3 BRAGebO das Gericht des Rechtszuges, bei dem die Vergütung festgesetzt ist, durch Beschluß.

Im Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) erhält der Rechtsanwalt gemäß § 116 Abs 1 Nr 3 BRAGebO 140,– bis 2.060,– DM. Dieser Gebührenrahmen ist hier maßgebend. Eine Erhöhung des Höchstbetrages um 50 vH, wie sie § 116 Abs 3 Satz 2 BRAGebO iVm dem voranstehenden Satz 1 und § 24 BRAGebO vorsieht, wenn sich die Rechtssache nach Änderung der mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakte erledigt und der Rechtsanwalt bei der Erledigung mitgewirkt hat, kommt hier nicht in Betracht. Der Rechtsstreit hat sich zwar hier durch die Abhilfebescheide des beklagten Landes in der Hauptsache erledigt; der Erinnerungsführer hat aber nicht in dem erforderlichen Umfang daran mitgewirkt. Dazu reicht nicht aus, daß er die Erledigungserklärung abgegeben hat. Vielmehr wird von dem Rechtsanwalt ein besonderes Bemühen um eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits verlangt (ganz hM; vgl OVG Münster NJW 1976, 261; BVerwG NVwZ 1982, 36; FG Hamburg KostRspr BRAGO § 24 Nr 12; Göttlich/ Mümmler, BRAGO, 3. Aufl, S 529; Schumann/Geißiger, BRAGO, 2. Aufl, § 24 RdNr 10; Schürmann, Anm zum Urteil des SG Düsseldorf vom 23. März 1992 – S 20 An 207/91 – in SGb 1992, 361). Ob dazu schon ausreicht, daß im Hinblick auf einen schwebenden Musterprozeß ein Ruhensantrag gestellt wird (so OVG Münster, KostRspr BRAGO § 24 Nr 13), kann hier dahinstehen. Von dem Erinnerungsführer ist ein Ruhensantrag nicht gestellt worden. Er hat sich lediglich auf Vorschlag des Gerichts mit der Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Asylantrag der Klägerin einverstanden erklärt und damit überhaupt keine eigenständigen Bemühungen zur Erledigung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung erkennen lassen. Für eine Erhöhung des Gebührenrahmens fehlt es deshalb an jeden rechtfertigenden Grund.

Nach § 12 Abs 1 BRAGebO bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr – wie hier – von einem Dritten, der Bundeskasse, zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Die von dem Erinnerungsführer bestimmte Gebühr von 1.550,– DM ist unbillig, weil sie die angemessene Mittelgebühr von 1.100,– DM erheblich übersteigt. Es bedarf hier keiner Festlegung, ab welcher Überschreitung der angemessenen Gebühr die Bestimmung durch den Rechtsanwalt als unbillig anzusehen ist, ob dies erst bei einer um mehr als 20%igen Abweichung (vgl dazu BSG SozR 1300 § 63 Nr 4 mwN) oder, insbesondere beim Abweichen von der Mittelgebühr, schon bei einer geringeren Überschreitung der Fall sein kann (so wohl der 9a Senat des BSG, Urteil vom 26. Februar 1992 – 9a RVs 3/90 – = br 1992, 142-144). Der vom Erinnerungsführer angesetzte Betrag überschreitet den angemessenen Betrag der Mittelgebühr um mehr als 40 vH und ist damit zweifelsfrei unbillig.

Unter den zu berücksichtigenden Umständen nennt das Gesetz an erster Stelle die Bedeutung der Angelegenheit, dh hier die wirtschaftliche Bedeutung für die Klägerin. Diese ist als durchschnittlich zu bewerten. Es handelte sich um Erziehungsgeld für zwei Kinder, also um eine vorübergehende Leistung, mit einer streitigen Gesamtsumme von 8.820,– DM. Dies ist zwar kein wirtschaftlich unerheblicher Betrag, jedoch hängt davon die wirtschaftliche Existenz der Klägerin nicht so sehr ab wie bei für sozialrechtliche Streitigkeiten typischen Dauerleistungen, die ein Überschreiten der Mittelgebühr rechtfertigen könnten. Hinsichtlich des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die als nächste Umstände nach dem Gesetz bei der Bemessung der Rahmengebühr zu berücksichtigen sind, ist zwar einzuräumen, daß der Rechtsstreit neben den sozialrechtlichen Fragen auch schwierige ausländerrechtliche und verfassungsrechtliche Probleme aufgeworfen hat, die für sich gesehen eine deutlich überdurchschnittliche Einstufung rechtfertigen würden. Dabei ist jedoch als für den Anwalt arbeitserleichternder Umstand zu berücksichtigen, daß er nicht nur die Klägerin bereits in allen Instanzen vertreten hat, sondern auch in einer Reihe gleich oder ähnlich gelagerter Fälle tätig geworden ist. Der Erinnerungsführer hat zur Arbeitserleichterung teilweise gleichlautende Schriftsätze angefertigt. Der dadurch bedingte Rationalisierungseffekt kann entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers gebührenrechtlich berücksichtigt werden. Denn er ändert zwar nichts an der Schwierigkeit des Rechtsstreits, wohl aber am objektiven Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, der nach der Gesetzesfassung neben der Schwierigkeit der Sache gleichermaßen von Bedeutung ist. Schließlich sind – als dritter zu berücksichtigender Umstand – die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klägerin, der Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, als unterdurchschnittlich zu bezeichnen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin bleiben maßgebend, obwohl als Folge der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nunmehr die Bundeskasse der Gebührenschuldner ist. Das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes, der von den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Auftraggebers spricht. Dem steht nicht entgegen, daß der im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt grundsätzlich die gesetzlichen Gebühren erhält, die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe also nicht wie nach früherem Armenrecht allgemein einen geringeren Gebührenanspruch auslöst. Denn dies gilt schon in Streitigkeiten, die nach dem Gegenstandswert abgerechnet werden, nicht uneingeschränkt, sondern gemäß § 123 BRAGebO nur bis zu einem Gegenstandswert von 5.000,– DM. Bei höheren Streitwerten verringern sich die Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts im Vergleich zu den normalen gesetzlichen Gebühren. Bei Rahmengebühren besteht deshalb kein Grund, die Gebühren des Anwalts deswegen zu erhöhen, weil nicht mehr der wirtschaftlich schwache Auftraggeber, sondern die Staatskasse der Gebührenschuldner ist (vgl dazu auch BSG vom 24. September 1981 – 9 RH (V) 4/81 – zur Rahmengebühr für das frühere Armenrecht).

Somit weist hier einer der nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Umstände in Richtung auf ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben hin, während die anderen Umstände nur die Mittelgebühr oder deren Unterschreiten rechtfertigen würden. Unter Abwägung aller Umstände erscheint deshalb die Mittelgebühr als angemessen. Wenn der Erinnerungsführer in den von ihm erwähnten Parallelverfahren eine höhere Gebührenfestsetzung erreicht hat, ist dies für das vorliegende Verfahren im Sinne einer Leitlinie nicht von Bedeutung.

Die zu erstattenden Gebühren errechnen sich wie folgt:

Gebühr nach § 116 Abs 1 Nr 3 BRAGebO

1.100,00 DM

Auslagen nach § 26 BRAGebO

40,00 DM

Mehrwertsteuer (14 vH)

159,60 DM

1.299,60 DM

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173305

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge