Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtberücksichtigung eines Beweisantrages. Nichtzulassungsbeschwerde
Orientierungssatz
Das Vorbringen, die "Nichtberücksichtigung des Beweisantrages nach § 109 SGG sei insoweit als Verfahrensmangel von Bedeutung, als mit Ablehnung dieses Antrages konkludent ein Antrag auf weitere Sachverhaltserforschung abgelehnt" werde, enthält keine Rüge eines nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG beachtlichen Verfahrensmangels. Denn auf eine Verletzung des § 109 SGG kann die Beschwerde nicht gestützt werden.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 109
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 25.11.1988; Aktenzeichen L 14 An 28/88) |
Gründe
Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) ua nur zulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Die - behauptete - Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist hingegen kein Revisionszulassungsgrund.
Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin, die ihre Beschwerde allein auf den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG stützt, hat keinen Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens hinreichend "bezeichnet". Dazu hätte sie Tatsachen anführen müssen, aus denen sich ein Fehler des LSG auf dem Weg der Entscheidungsfindung und weiterhin ergibt, daß das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 31; § 160a Nrn 14, 36). Diesen Formerfordernissen genügt der Vortrag der Klägerin nicht.
Ihr Vorbringen, die "Nichtberücksichtigung des Beweisantrages nach § 109 SGG sei insoweit als Verfahrensmangel von Bedeutung, als mit Ablehnung dieses Antrages konkludent ein Antrag auf weitere Sachverhaltserforschung abgelehnt" werde, enthält keine Rüge eines nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG beachtlichen Verfahrensmangels. Denn auf eine Verletzung des § 109 SGG kann die Beschwerde nicht gestützt werden (vgl dazu auch BSG SozR 1500 § 160a Nr 35). Gleiches gilt für ihren Vortrag, das LSG habe verkannt, daß das Gutachten des Dr. V. vom 17. September 1988 wegen vieler Unklarheiten keine hinreichende Grundlage für die Entscheidung habe darstellen können. Auf die darin enthaltene Rüge, das LSG habe die Grenzen seines Rechts verletzt, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), kann die Beschwerde nicht gestützt werden.
Auch soweit sie geltend macht, das LSG habe ihren Anspruch auf Gewährung von rechtlichem Gehör (§§ 62, 128 Abs 2 SGG) dadurch verletzt, daß es nach ihrer schriftsätzlichen Stellungnahme zu dem og Gutachten des Dr. V. nicht darauf hingewiesen habe, daß ihm der Sachverhalt genügend geklärt erscheine und eine weitere Beweisaufnahme abgelehnt werde, ist der Verfahrensfehler nicht hinreichend "bezeichnet". Offenbleiben kann, ob die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen hinreichend substantiiert dargetan sind (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Da die Beschwerdebegründung das Revisionsgericht darüber hinaus in die Lage versetzen muß, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann, hätte die Klägerin nämlich ferner darlegen müssen, daß und warum das Urteil des LSG anders ausgefallen wäre, wenn es den von der Klägerin vermißten Hinweis gegeben hätte (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 31). Sie hätte deshalb aufzeigen müssen, welches Vorbringen durch die gerügte Untätigkeit des LSG verhindert worden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Dazu hätte um so mehr Anlaß bestanden, als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Gelegenheit genommen hat, eine weitere Beweiserhebung von Amts wegen (§ 106 SGG), hilfsweise gemäß § 109 SGG, zu beantragen. Auch im Blick auf ihr weiteres Vorbringen, die (angeblichen) Unklarheiten im og Gutachten des Dr. V. ließen sich nicht mit den üblichen medizinischen Kenntnissen der Richter ausräumen, hat es die Klägerin verabsäumt, substantiiert darzulegen, ob das Berufungsgericht überraschend eigene medizinische Fachkunde der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt hat und sein Urteil darauf beruht. Anlaß, hierauf näher einzugehen, bestand schon deswegen, weil das LSG (S 9 des LSG-Urteils) der Auffassung der Klägerin, das vorgenannte Gutachten sei nicht schlüssig, mit aus diesem Gutachten entnommenen Gründen entgegengetreten ist.
Schließlich hat die Klägerin auch den von ihr gerügten "Aufklärungsmangel" (§ 103 Satz 1 Halbs 1 SGG) - Ablehnung des Antrags auf Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens - nicht hinreichend bezeichnet. Erforderlich sind Darlegungen, ob, in welchem Punkt und aus welchen Gründen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiterer Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen, also die Angabe der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG und die Darstellung des Beweisergebnisses zu dieser Auffassung (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 34). Aus dem Vortrag muß sich ergeben, weshalb das Gericht die eingeholten Gutachten für ungenügend erachten und eine neue Begutachtung hätte anordnen müssen (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO). Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung der Klägerin. Sie trägt vor, nach ihrem - vom LSG abweichenden - Verständnis der Antworten des Sachverständigen Dr. V. auf die Beweisfragen 2) bis 4) des LSG sei unklar, ob ihre "berufliche Leistungsfähigkeit auf unter die Hälfte derjenigen eines vergleichbaren Versicherten herabgesunken sei bzw ob sie noch regelmäßig und vollschichtig Erwerbstätigkeiten verrichten" könne. Schon nach ihren eigenen Angaben hat aber Dr. V. dem LSG geantwortet, nur unter Berücksichtigung der im Detail gemachten Einschränkungen, die in den Antworten auf die Beweisfragen 2) und 3) genannt worden sind, sei noch ein regelmäßiger und vollschichtiger Arbeitseinsatz möglich. Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin aufzeigen müssen, weshalb das LSG seine Antwort auf die Rechtsfrage, ob Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit (§§ 24 Abs 2, 23 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG) vorliegt, nach seiner - hier maßgeblichen - Rechtsauffassung nicht auf dieses Gutachtenergebnis stützen durfte. Soweit die Klägerin die Pflicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens daraus herleitet, die Feststellungen des Dr. V. über ihre verbliebene Leistungsfähigkeit wichen von denen des Sachverständigen Dr. Z. im Gutachten vom 29. Oktober 1987 ab, hätte sie ferner darlegen müssen, aus welchen Gründen der (angebliche) Unterschied für das Urteil des LSG entscheidungserheblich war.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbs 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen