Verfahrensgang
SG Lübeck (Entscheidung vom 16.05.2017; Aktenzeichen S 20 U 4/14) |
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 19.01.2022; Aktenzeichen L 8 U 56/17) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob aufgrund eines als Arbeitsunfall anerkannten Auffahrunfalls weitere Unfallfolgen festzustellen sind und dem Kläger Verletztenrente zu gewähren ist.
Die Beklagte lehnte dies ab. Das SG hat im Anschluss an mehrere von Amts wegen eingeholte Sachverständigengutachten die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.5.2017). Das LSG hat auf Antrag des Klägers ein weiteres Gutachten eingeholt und sodann die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 19.1.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 30.3.2022 Beschwerde eingelegt. Am 20.4.2022 hat der Kläger privatschriftlich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Eine Beschwerdebegründung ist nicht mehr eingegangen.
II
1. Das PKH-Gesuch ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig ist (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie weder frist- noch formgerecht begründet worden ist. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen.
Gemäß § 160a Abs 2 Satz 1 SGG ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils bzw innerhalb der nach Maßgabe des § 160a Abs 2 Satz 2 SGG verlängerten Begründungsfrist zu begründen. Bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 9.5.2022 ist indes keine Beschwerdebegründung eingegangen.
Soweit der Kläger die Kosten für seine Prozessvertretung vor dem BSG nicht aufbringen konnte, war er jedenfalls nicht aus diesem Grund gehindert, die Beschwerde rechtzeitig zu begründen. Denn er war bereits bei der Einlegung der Beschwerde wirksam durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten (§ 73 Abs 4 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 1 SGG). Die Prozessvollmacht erstreckt sich grundsätzlich auf Nebenverfahren und damit auch das PKH-Verfahren gemäß § 73 Abs 6 Satz 7 SGG iVm § 81 ZPO(Althammer in Zöller, ZPO, 34. Aufl 2022, § 81 RdNr 8 mwN) . Bringt deshalb der Prozessbevollmächtigte, nachdem er Beschwerde eingelegt hat, gegenüber dem Gericht nicht zum Ausdruck, dass er seine Vertretung auf die Einlegung der Beschwerde beschränkt wissen will, so muss er auch die gesetzliche Frist für die Begründung der Beschwerde einhalten (vgl BSG Beschluss vom 10.3.2022 - B 2 U 187/21 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 26.11.2020 - B 9 SB 48/20 B - juris RdNr 4 mwN). Andernfalls treffen die Folgen der Fristversäumnis gemäß § 73 Abs 6 Satz 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO seinen Mandanten (vgl BSG Beschluss vom 15.12.1959 - 10 RV 750/56 - BSGE 11, 158, 160). So verhält es sich vorliegend. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit seiner Beschwerdeschrift ohne Vorbehalt ("zunächst") Beschwerde eingelegt, eine Begründung indes bis zum Ablauf der Beschwerdefrist aus § 160a Abs 2 Satz 1 SGG am 9.5.2022 nicht vorgelegt. Auch der Kläger hat die Prozessvollmacht dem Gericht gegenüber weder eingeschränkt noch widerrufen.
Rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass auch ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Grund nicht zu erkennen ist. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass ein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensfehler des LSG bezeichnet werden könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Soweit der Kläger den auf seinen Antrag beauftragten Gutachter nach Vorlage des Gutachtens als befangen (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 406 Abs 1 Satz 1, § 42 Abs 1 und 2 ZPO) abgelehnt hat, hat das LSG dieses Gesuch durch unanfechtbaren Beschluss vom 18.1.2022 zurückgewiesen (vgl § 118 Abs 1 Satz 1, § 177 SGG). Die Entscheidung eines LSG über ein Befangenheitsgesuch stellt eine nicht anfechtbare Vorentscheidung dar, die nicht der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Die Gründe, aus denen ein LSG einen Befangenheitsantrag gegenüber einem Sachverständigen zurückgewiesen hat, können deshalb grundsätzlich nicht als Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG gerügt werden. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind (stRspr; zB BSG Beschluss vom 6.4.2022 - B 5 R 6/22 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 4.12.2019 - B 9 V 25/19 B - juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 24.5.2013 - B 1 KR 50/12 B - juris RdNr 5 mwN; anschließend BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 30.9.2013 - 1 BvR 1805/13). Für derartige Umstände fehlen vorliegend jedoch jegliche Anhaltspunkte. Auf die Ablehnung des LSG, ein weiteres Gutachten auf Antrag des Klägers (§ 109 SGG) einzuholen, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Auch dass das LSG seine Entscheidung im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) unter anderem auf das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten gestützt hat, vermag keinen rügefähigen Verfahrensfehler zu begründen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Roos Karmanski Karl
Fundstellen
Dokument-Index HI15285395 |