Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 21.10.2019; Aktenzeichen S 5 SO 1783/19) |
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 14.04.2020; Aktenzeichen L 2 SO 3983/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. April 2020 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit ist die Übernahme von Bestattungskosten.
Die Klägerin wurde bestandskräftig zur Tragung der Bestattungskosten für ihren 2013 verstorbenen Vater herangezogenen. Ihren am 31.12.2017 gestellten Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 11.3.2019; Widerspruchsbescheid vom 18.4.2019). Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Karlsruhe vom 21.10.2019; Beschluss des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 14.4.2020). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Klägerin die Tragung der Bestattungskosten nicht unzumutbar sei. Weil sie keine Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht habe und ein besonders enges Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen bestehe, reiche es nicht aus, dass zu diesem kein Kontakt bestanden habe und von einer zwischenmenschlichen Beziehung nicht gesprochen werden könne. Für die Annahme von Unzumutbarkeit müsse vielmehr ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber der Klägerin hinzutreten, das nicht festzustellen sei.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Grundsätzlich bedeutsam sei, ob es für ein Kind unzumutbar sei, die Kosten für die Bestattung eines Elternteils zu tragen, wenn dieses seine elterliche Fürsorgepflicht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht erfüllt, sich nach § 171 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar gemacht oder wegen zeitlebens nicht bestehenden Kontakts nur die Funktion eines "Samenspenders" eingenommen habe.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 = juris RdNr 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Abgesehen davon, dass Ausführungen zur Breitenwirkung fehlen, hat die Klägerin jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der von ihr formulierten Rechtsfragen nicht genügend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 = juris RdNr 7). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei.
Ausgehend von diesem Maßstab hätte die Klägerin sich substantiiert mit der von ihr selbst zitierten Rechtsprechung des Senats auseinandersetzen müssen, wonach bei engen Verwandtschaftsverhältnissen im Einzelfall geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen sind, zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse aber höhere Anforderungen begründen können (BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 16; BSG vom 4.4.2019 - B 8 SO 10/18 R - SozR 4-3500 § 74 Nr 3 RdNr 28). Es wäre darzulegen gewesen, weshalb diese Entscheidungen keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Klägerin aufgeworfenen Fragen geben. Dies gilt umso mehr, als auf dieser Grundlage in Rechtsprechung (zB LSG Hamburg vom 20.11.2014 - L 4 SO 22/12 - juris RdNr 27 ff) und Literatur (zB H. Schellhorn in W. Schellhorn, SGB XII, 20 Aufl 2020, § 74 SGB XII RdNr 12.1; anhand der Rechtsprechung zu § 15 Bundessozialhilfegesetz ≪BSHG≫ auch Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917, 920) in Einzelfällen Unzumutbarkeit unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für möglich gehalten wird. Der Vortrag der Klägerin, dass die "vorliegende Sachverhaltskonstellation […] noch nicht höchstrichterlich geklärt" sei, genügt insoweit nicht. Denn letztlich geht die Klägerin selbst davon aus, dass der Rechtsbegriff der "Zumutbarkeit" höchstrichterlich geklärt und es eine Frage des im Revisionsverfahren ohnehin nicht überprüfbaren Einzelfalls ist, ob sie vorliegt.
Es verhilft der Beschwerde auch nicht zur Zulässigkeit, wenn man die Beschwerdebegründung dahingehend versteht, dass zusätzlich der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) als Unterfall grundsätzlicher Bedeutung (BSG vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 = juris RdNr 10) geltend gemacht werden soll und das LSG auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats zu einem unrichtigen Ergebnis gekommen sei. Wer eine Divergenz darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa nur fehlerhaft das Recht angewandt hat (sog Subsumtionsfehler; vgl zB BSG vom 9.1.2020 - B 8 SO 55/19 B - juris RdNr 6). Unabhängig davon, ob den von der Klägerin formulierten Rechtsfragen zugleich Rechtssätze entnommen werden können, die das Berufungsgericht aufgestellt habe, hat die Klägerin jedenfalls nicht dargelegt, dass das LSG bewusst von der Rechtsprechung des Senats abweichende Maßstäbe aufgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14206944 |