Leitsatz (amtlich)
1. Die Beiladung ist nur zulässig, soweit die Interessen der Beigeladenen berührt werden; sie ist bei objektiver Klagenhäufung uU entsprechend zu beschränken.
2. Eine unzulässige Beiladung ist auch noch im Revisionsverfahren aufzuheben.
Normenkette
SGG § 75 Fassung: 1953-09-03, § 168 Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 09.05.1979; Aktenzeichen L 4 Kr 29/78) |
SG Aurich (Entscheidung vom 24.01.1978; Aktenzeichen S 8 Kr 11/76) |
Tatbestand
I
Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) bis 6) zur Krankenversicherung und Rentenversicherung und ihre Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung festgestellt. Zugleich hat sie die Klägerin rückwirkend auf die Zahlung von Umlagen zur Lohnfortzahlungsversicherung der Arbeitgeber (vgl § 14 LFZG) in Anspruch genommen. Das Sozialgericht (SG) hat die Beigeladenen mit der Begründung beigeladen, ihre Interessen würden in diesem Verfahren berührt. Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Änderung des in vollem Umfange klagabweisenden Urteils des SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit die Beklagte Umlagen zur Lohnfortzahlungsversicherung nachgefordert hat. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt.
Entscheidungsgründe
II
Die Beiladung aller Beigeladenen ist aufzuheben, weil sie in bezug auf die genannten Umlagen von Anfang an rechtswidrig war. Das SG hat in seinem Beiladungsbeschluß die Beigeladenen zu 1) bis 6) ohne Begrenzung auf einen bestimmten Verfahrensgegenstand beigeladen, "weil ihre Interessen in diesem Verfahren berührt" würden. Das trifft jedoch nur hinsichtlich des - durch das insoweit rechtskräftige Urteil des LSG erledigten - Streites über die Versicherungspflicht und Beitragspflicht der Beigeladenen zu 3) bis 6) zu. Das SG hätte deshalb die Beiladung ausdrücklich auf dieses Rechtsverhältnis beschränken müssen, weil die mit der Beiladung verbundenen Dispositionsrechte nicht weiter gehen können, als der Streit die Interessen der Beigeladenen berührt (vgl dazu Redeker/von Oertzen, VwGO, 6. Aufl, Anm 17 zu § 65). Nicht berührt worden sind im vorliegenden Rechtsstreit die Interessen der Beigeladenen durch die Entscheidung über die von der Beklagten festgestellte Umlagepflicht der Klägerin nach § 14 LFZG; denn diese Umlagepflicht trifft - (auch wirtschaftlich) -allein den Arbeitgeber und auch ihn nur gegenüber der Beklagten.
Eine Aufhebung der Beiladung ist zwar gesetzlich nicht geregelt, sie wird aber für die Fälle einer unzulässigen Beiladung allgemein bejaht (vgl dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: 9. Aufl, 52. Nachtrag, S 234 y II mwN; Redeker/von Oertzen, aaO; Eyermann-Fröhler, VwGO, 7. Aufl, Rdnrn 58 ff zu § 65 VwGO; Klinger, Kommentar zur VwGO, 2. Aufl, Anm E 9a zu § 65 VwGO). Der Senat tritt dieser Auffassung bei, zumal da die fehlerhafte Beiladung auch Kosten auslöst, die nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 190 SGG niedergeschlagen werden könnten (vgl dazu Brackmann aaO S 260m).
Eine hiernach erforderliche Aufhebung des Beiladungsbeschlusses hat, wenn sich der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz befindet, auch noch durch das Revisionsgericht zu erfolgen. Das ist nicht durch die Vorschrift des § 168 Sozialgerichtsgesetz -SGG- ausgeschlossen, die Klagänderungen und (neue) Beiladung im Revisionsverfahren verbietet (ebenso § 142 VwGO). Diese Regelung hängt damit zusammen, daß das Revisionsgericht keine tatsächlichen Feststellungen treffen darf, so daß die Änderung der Klage und die Nachholung einer unterlassenen Beiladung im Revisionsverfahren schon deshalb nicht zugelassen werden kann (vgl Eyermann-Fröhler, aaO, Rdnr 2 zu § 142). Diese Probleme treten aber bei der Aufhebung einer unzulässigen oder hinfällig gewordenen Beiladung nicht auf. Entgegen der von Meyer-Ladewig (SGG, Rdnr 2 zu § 168 SGG) vertretenen Ansicht besteht auch sonst kein Hindernis, eine von Anfang an unzulässig gewesene Beiladung noch im Revisionsverfahren aufzuheben, weil die Gründe, die für die Aufhebung der einem Beigeladenen zu Unrecht eingeräumten Rechtsstellung sprechen, nicht nur für die Tatsacheninstanzen, sondern in gleicher Weise auch für das Revisionsverfahren Gültigkeit haben (vgl Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zu SGb, 4. Aufl, Anm 6a zu § 75 SGG; ferner zu § 65 VwGO: Schunk/ De Clerck, VwGO, 3. Aufl, Anm 3c zu § 65).
Diese Beurteilung steht auch nicht im Widerspruch zu dem Urteil des 2. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. November 1961 - 2 RU 35/59 - (BSGE 15, 295, 299). Der 2. Senat des BSG hatte nicht über den Fall der Aufhebung einer unzulässigen Beiladung zu entscheiden.
Fundstellen