Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Änderung des Geschäftsverteilungsplans. Divergenzrüge

 

Orientierungssatz

1. Der erkennende Senat ist für die vorliegende Beschwerdesache zuständig. Die dagegen erhobenen Einwendungen sind nicht gerechtfertigt. Die Zuständigkeit des erkennenden (3.) Senats ergibt sich zweifelsfrei aus dem Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 1988. Die vom Kläger herangezogene Vorschrift des § 21e Abs 3 GVG schränkt nur Änderungen im Laufe des Geschäftsjahres ein. Der Zuständigkeitswechsel vom 8. auf den 3. Senat ist aber nicht während eines Geschäftsjahres vorgenommen worden, vielmehr wurde die Zuständigkeit des erkennenden Senats durch den für das Jahr 1988 aufgestellten Geschäftsverteilungsplan begründet.

2. Wenn das LSG einen behaupteten Gesetzesverstoß (das Unterlassen von Vertragsabschlüssen gemäß § 372 RVO) als bedeutungslos angesehen haben sollte, so ergibt sich daraus nicht, daß es einen Rechtssatz aufgestellt hat, der zu einem Rechtssatz des BSG im Widerspruch steht. Die nach § 372 RVO abzuschließenden Verträge sollen sicherstellen, daß Art und Umfang der Krankenhauspflege den Anforderungen des § 184 iVm § 182 Abs 2 RVO entspricht. Sie sind demnach von Bedeutung für die Erfüllung eines Anspruchs auf Krankenhauspflege, also für die Erbringung der Leistung, nicht dagegen für die Beantwortung der Frage, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Krankenhauspflege zusteht.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nrn. 2, 1; GVG § 21e; RVO §§ 372, 184, 182 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 25.09.1987; Aktenzeichen L 4 Kr 97/84)

 

Gründe

Der 1930 geborene Kläger ist wegen Trunksucht entmündigt. Er bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ist bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner versichert. Ab 1959 wurde er wiederholt in das Bezirkskrankenhaus H.   eingewiesen, seit Juni 1974 hält er sich dort durchgehend zwangsweise auf. Die Beklagte trug die 1980 übernommenen Unterbringungskosten bis zum 5. September 1982. Der Vormund des Klägers begehrte im sozialgerichtlichen Verfahren die Verurteilung der Beklagten, dem Kläger auch weiterhin Krankenhauspflege zu gewähren, hilfsweise die Feststellung, daß der beigeladene Sozialhilfeträger die von ihm übernommenen Kosten selbst zu tragen und die vom Kläger erhaltenen bzw eingezogenen Beträge an diesen zu erstatten hat. Die gerichtlichen Vorinstanzen verneinten einen Anspruch auf Krankenhauspflege, das Landessozialgericht (LSG) mit der Begründung, der Kläger bedürfe zwar der ständigen Kontrolle und Überwachung in einer geschlossenen Anstalt, da er zu einer eigenen Lebensführung unfähig sei, nicht aber der Behandlung in einem Krankenhaus. Hinsichtlich des Hilfsantrages hielt das LSG den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit nicht für gegeben.

Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.

Der Vormund des Klägers hat dagegen Beschwerde eingelegt und für das Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe beantragt. Er stützt die Beschwerde auf die Zulassungsgründe Nr 1 und Nr 2 des § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nimmt er an, weil die Rechtsfrage zu klären sei, ob die Frage nach der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung auch den Kassenpatienten betreffe oder allein zwischen Krankenkasse und Krankenhaus im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zu klären und eine etwaige Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Lasten des Verletzers - nicht also zu Lasten des Kassenpatienten - gehe. Ferner rügt er, das LSG sei mindestens stillschweigend von der rechtlichen Feststellung des BSG im Urteil vom 12. September 1984 - 8 RK 35/84 - abgewichen, daß das Unterlassen von Vertragsabschlüssen gemäß §372 der Reichsversicherungsordnung (RVO) der Nichterfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung der Landesverbände der Krankenkassen und der Krankenhausträger gleichkomme.

Der erkennende Senat ist für die vorliegende Beschwerdesache zuständig. Die dagegen vom Kläger erhobenen Einwendungen sind nicht gerechtfertigt. Die Zuständigkeit des erkennenden (3.) Senats ergibt sich zweifelsfrei aus dem Geschäftsverteilungsplan des Bundessozialgerichts (BSG) für das Jahr 1988. Die vom Kläger herangezogene Vorschrift des § 21e Abs 3 GVG schränkt nur Änderungen im Laufe des Geschäftsjahres ein. Der Zuständigkeitswechsel vom 8. auf den 3.Senat ist aber nicht während eines Geschäftsjahres vorgenommen worden, vielmehr wurde die Zuständigkeit des erkennenden Senats durch den für das Jahr 1988 aufgestellten Geschäftsverteilungsplan begründet.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die vom Kläger dargelegte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Ihre Beantwortung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Der Versicherte hat einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenhauspflege, wenn die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich ist, um die Krankheit zu erkennen oder zu behandeln oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 184 Abs 1 Satz 1 RVO). Die Frage nach der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung betrifft daher auch und vor allem den Versicherten, der diese Versicherungsleistung in Anspruch nimmt. Hat der Versicherte keinen Anspruch auf Krankenhauspflege, so ist seine Krankenkasse nicht verpflichtet, ihm Unterkunft und Behandlung in einem Krankenhaus zu gewähren. Befindet sich der Versicherte aus anderen Gründen (zB zur Verwahrung) in einer Krankenanstalt, so kann daraus eine Verpflichtung der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten nicht hergeleitet werden. Eine andere Frage ist, welche Verpflichtungen das Krankenhaus gegenüber der Krankenkasse im Rahmen der Leistungserbringung hat, zB Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch das Krankenhaus kommt zwar auch in Betracht, wenn die stationäre Behandlung eines Versicherten fortgesetzt wird, obwohl sie nicht mehr erforderlich ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um eine unnötige Fortsetzung der Krankenhauspflege. Der Kläger befindet sich nicht mehr zur Behandlung in der Anstalt des Beigeladenen, sondern er ist dort aus anderen Gründen zwangsweise untergebracht.

Ebensowenig ist die Divergenzrüge begründet. Wenn das LSG, wie der Kläger meint, den behaupteten Gesetzesverstoß (das Unterlassen von Vertragsabschlüssen gemäß § 372 RVO) als bedeutungslos angesehen haben sollte, so ergibt sich daraus nicht, daß es einen Rechtssatz aufgestellt hat, der zu einem Rechtssatz des BSG im Widerspruch steht. Die nach § 372 RVO abzuschließenden Verträge sollen sicherstellen, daß Art und Umfang der Krankenhauspflege den Anforderungen des § 184 iVm § 182 Abs 2 RVO entspricht. Sie sind demnach von Bedeutung für die Erfüllung eines Anspruchs auf Krankenhauspflege, also für die Erbringung der Leistung, nicht dagegen für die Beantwortung der Frage, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Krankenhauspflege zusteht.

Der Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 21. März 1988 kann nicht berücksichtigt werden, weil er erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist beim BSG eingegangen ist.

Da die Beschwerde des Klägers von Anfang an keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte, war auch der Antrag auf Prozeßkostenhilfe abzulehnen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663527

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