Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Krankenhauspflege. Divergenzrüge. Erfüllung des Anspruchs auf Krankenhauspflege
Orientierungssatz
1. Der Versicherte hat einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenhauspflege, wenn die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich ist, um die Krankheit zu erkennen oder zu behandeln oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 184 Abs 1 S 1 RVO). Die Frage nach der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung betrifft daher auch und vor allem den Versicherten, der diese Versicherungsleistung in Anspruch nimmt. Hat der Versicherte keinen Anspruch auf Krankenhauspflege, so ist seine Krankenkasse nicht verpflichtet, ihm Unterkunft und Behandlung in einem Krankenhaus zu gewähren. Befindet sich der Versicherte aus anderen Gründen (zB zur Verwahrung) in einer Krankenanstalt, so kann daraus eine Verpflichtung der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten nicht hergeleitet werden.
2. Sollte ein LSG einen behaupteten Gesetzesverstoß (das Unterlassen von Vertragsabschlüssen gemäß § 372 RVO) als bedeutungslos angesehen haben, so ergibt sich daraus nicht, daß es einen Rechtssatz aufgestellt hat, der zu einem Rechtssatz des BSG im Widerspruch steht. Die nach § 372 RVO abzuschließenden Verträge sollen sicherstellen, daß Art und Umfang der Krankenhauspflege den Anforderungen des § 184 iVm § 182 Abs 2 RVO entspricht. Sie sind demnach von Bedeutung für die Erfüllung eines Anspruchs auf Krankenhauspflege, also für die Erbringung der Leistung, nicht dagegen für die Beantwortung der Frage, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Krankenhauspflege zusteht.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 2; RVO § 184 Abs 1 S 1, §§ 372, 182 Abs 2
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 29.10.1987; Aktenzeichen L 4 Kr 78/83) |
Gründe
Die bei der Beklagten versicherte, an einer schizophrenen Psychose leidende Klägerin befand sich bis zu ihrer Entlassung in einem Altersheim (9. September 1986) im Bezirkskrankenhaus H. in M. . Nach einem Teilanerkenntnis der Beklagten, betreffend die Zeit vom 1. April bis 12. Oktober 1981, ist noch streitig, ob die Klägerin in der Zeit vom 13. Oktober 1981 bis 9. September 1986 krankenhausbehandlungsbedürftig oder (bloß) pflegebedürftig war, ob der Klägerin demnach für die streitige Zeit ein Anspruch auf Zahlung der Krankenhauskosten zusteht. Der Beigeladene hat für die streitige Zeit die Kosten als Sozialhilfeträger getragen, die Klägerin aber im Wege des Rückgriffs in Anspruch genommen. Nach Abweisung der Klage durch das Sozialgericht hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen; hinsichtlich des hilfsweise gestellten Feststellungsantrages der Klägerin, daß der Beigeladene die Kosten zu tragen und die von ihr - der Klägerin - eingezogenen Beträge an sie zurückzuzahlen habe, hat es den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München verwiesen. Das LSG hat seine die Klagabweisung bestätigende Entscheidung damit begründet, daß nach dem überzeugenden Ergebnis der drei Sachverständigen die Behandlungsziele der Linderung und Verhütung von Verschlimmerung nicht die Behandlung in einem (psychiatrischen) Krankenhaus erforderten, nach 15jähriger Behandlung im Bezirkskrankenhaus H. bei dem vorliegenden Krankheitsverlauf vielmehr die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung mit ambulanter ärztlicher Betreuung genüge. Da die stationäre Behandlung demnach nicht nötig gewesen sei, habe die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Weitergewährung der streitigen Leistung ablehnen dürfen; die Beklagte habe die vorausgegangene Krankenhauspflege lediglich befristet, nämlich bis zum 31. März 1981 gewährt.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Der Vormund der Klägerin hat dagegen Beschwerde eingelegt. Er stützt die Beschwerde auf die Zulassungsgründe Nr 1 und Nr 2 des § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nimmt er an, weil die Rechtsfrage zu klären sei, ob die Frage nach der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung auch den betroffenen Kassenpatienten betreffe oder allein zwischen Krankenkasse und Krankenhaus im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zu klären und eine etwaige Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Lasten des Verletzers - nicht also zu Lasten des Kassenpatienten - gehe. Ferner rügt er, das LSG sei mindestens stillschweigend von der rechtlichen Feststellung des LSG im Urteil vom 12. September 1984 - 8 RK 35/84 - abgewichen, daß das Unterlassen von Vertragsabschlüssen gemäß §372 der Reichsversicherungsordnung (RVO) der Nichterfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung der Landesverbände der Krankenkassen und der Krankenhausträger gleichkomme.
Der erkennende Senat ist für die vorliegende Beschwerdesache zuständig. Die dagegen von der Klägerin erhobenen Einwendungen sind nicht gerechtfertigt. Die Zuständigkeit des erkennenden (3.) Senats ergibt sich zweifelsfrei aus dem Geschäftsverteilungsplan des Bundessozialgerichts (BSG) für das Jahr 1988. Die von der Klägerin herangezogene Vorschrift des § 21e Abs 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes schränkt nur Änderungen im Laufe des Geschäftsjahres ein. Der Zuständigkeitswechsel vom 8. auf den 3. Senat ist aber nicht während eines Geschäftsjahres vorgenommen worden, vielmehr wurde die Zuständigkeit des erkennenden Senats durch den für das Jahr 1988 aufgestellten Geschäftsverteilungsplan begründet.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die von der Klägerin dargelegte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Ihre Beantwortung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Der Versicherte hat einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenhauspflege, wenn die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich ist, um die Krankheit zu erkennen oder zu behandeln oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 184 Abs 1 Satz 1 RVO). Die Frage nach der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung betrifft daher auch und vor allem den Versicherten, der diese Versicherungsleistung in Anspruch nimmt. Hat der Versicherte keinen Anspruch auf Krankenhauspflege, so ist seine Krankenkasse nicht verpflichtet, ihm Unterkunft und Behandlung in einem Krankenhaus zu gewähren. Befindet sich der Versicherte aus anderen Gründen (zB zur Verwahrung) in einer Krankenanstalt, so kann daraus eine Verpflichtung der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten nicht hergeleitet werden. Eine andere Frage ist, welche Verpflichtungen das Krankenhaus gegenüber der Krankenkasse im Rahmen der Leistungserbringung hat, zB Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Darum geht es hier aber nicht.
Ebensowenig ist die Divergenzrüge begründet. Wenn das LSG, wie die Klägerin meint, den behaupteten Gesetzesverstoß (das Unterlassen von Vertragsabschlüssen gemäß § 372 RVO) als bedeutungslos angesehen haben sollte, so ergibt sich daraus nicht, daß es einen Rechtssatz aufgestellt hat, der zu einem Rechtssatz des BSG im Widerspruch steht. Die nach § 372 RVO abzuschließenden Verträge sollen sicherstellen, daß Art und Umfang der Krankenhauspflege den Anforderungen des § 184 iVm § 182 Abs 2 RVO entspricht. Sie sind demnach von Bedeutung für die Erfüllung eines Anspruchs auf Krankenhauspflege, also für die Erbringung der Leistung, nicht dagegen für die Beantwortung der Frage, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Krankenhauspflege zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen