Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluß der Berufung in der Unfallversicherung
Orientierungssatz
1. Zur Frage der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob der Berufungsausschluß nach § 145 Nr 2 SGG als solcher verfassungswidrig ist.
2. Die Berufung ist immer schon dann ausgeschlossen, wenn nur einer der in § 145 SGG aufgezählten Ausschließungsgründe vorliegt. Sie kann nicht deshalb "wieder statthaft werden", weil ein anderer dieser Ausschließungsgründe nicht gegeben ist.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3, § 145 Nr 2
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 19.10.1988; Aktenzeichen L 2 U 320/86) |
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm für die Zeit von Oktober 1980 bis April 1985 wegen der Folgen einer anerkannten Berufskrankheit ("Aktive chronisch-aggressive Hepatitis Non-A-Non-B mit kräftiger Faservermehrung iS beginnender Umwandlung zur Leberzirrhose und Milzvergrößerung; Minderung der körperlichen Belastbarkeit sowie Verdauungsbeschwerden") eine höhere Verletztenrente zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- Würzburg vom 18. November 1986 und des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 19. Oktober 1988). Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie Rente nur für Zeiten vor Einlegung der Berufung betraf und somit nach § 145 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen war.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNr 84 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG Beschluß vom 24. November 1988 - 2 BU 139/88 -). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint.
Der Kläger hat als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung genannt, ob der Berufungsausschluß nach § 145 Nr 2 SGG als solcher verfassungswidrig sei. Er hat jedoch nicht dargelegt, daß diese Rechtsfrage in einem von ihm angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig wäre (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 31; BVerfG SozR aaO Nr 44). Das Bundesverfassungsgericht (SozR 1500 § 146 Nr 13) und das Bundessozialgericht - BSG - (BSGE 63, 195, 197) haben bereits entschieden, daß die für den Bereich der Rentenversicherung geltende Ausschlußregelung des § 146 SGG bei Berufungen, die Renten nur für abgelaufene Zeiträume betreffen, nicht verfassungswidrig ist. Mit dieser Rechtsprechung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander und legt insbesondere nicht dar, inwieweit diese Rechtsprechung für die in der Unfallversicherung gleichlautende Vorschrift des § 145 Nr 2 SGG noch einer weiteren Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung durch eine Revisionsentscheidung in dem vorliegenden Fall bedarf. Aus diesen Gründen ist die grundsätzliche Bedeutung auch der Rechtsfrage nicht dargelegt, wie das Tatbestandsmerkmal "bereits abgelaufene Zeiträume" auszulegen ist (s ua BSG SozR 1500 § 145 Nr 7).
Die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen entsprechen nicht der in § 160 Abs 2 Nr 3 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form.
Soweit der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, daß das LSG von einer Zulassung der Berufung nach § 150 Nr 1 SGG hätte ausgehen müssen und dementsprechend kein Prozeßurteil erlassen durfte, sondern eine Sachentscheidung hätte treffen müssen, ist die Beschwerde ebenfalls nicht zulässig. Es fehlt auch insoweit an einer schlüssigen Darlegung eines Zulassungsgrundes (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 24). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG SozR Nr 51 zu § 150 SGG mwN) bedarf die Berufungszulassung eines eindeutigen Ausspruchs im Urteil; der bloße Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, die Entscheidung könne mit der Berufung angefochten werden, reicht nicht aus.
Nichts anderes gilt für den Vorwurf des Klägers, die Berufung sei für die Zeit von Oktober 1980 bis August 1983 nach § 145 Nr 4 SGG nicht ausgeschlossen gewesen, weil für diesen Zeitraum seine Schwerverletzteneigenschaft im Streit gewesen sei. Nach der auch insoweit ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Berufung immer schon dann ausgeschlossen, wenn nur einer der in § 145 SGG aufgezählten Ausschließungsgründe vorliegt. Sie kann nicht deshalb "wieder statthaft werden", weil ein anderer dieser Ausschließungsgründe nicht gegeben ist (BSG SozR Nr 24 zu § 148 SGG; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 145 Anm 3a mwN).
Auch ein - vom Beschwerdeführer geltend gemachter - Irrtum des SG über die Zulässigkeit der Berufung würde nicht deren Zulässigkeit nach § 150 Nr 2 SGG begründen (s ua BSG SozR Nrn 38, 39, 40 zu § 150 SGG).
Angefochtene Entscheidung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die des Gerichts im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (BSG Beschluß vom 20. April 1988 - 2 BU 43/88 - mwN), somit die des LSG. Auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder eine Verletzung der richterlichen Frage- und Aufklärungspflicht durch das SG kann die Nichtzulassungsbeschwerde daher grundsätzlich nicht gestützt werden. Aber auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§§ 62, 112 Abs 2 Satz 2, 128 Abs 2 SGG) durch das LSG hat der Beschwerdeführer nicht bezeichnet iS des § 160a Abs 2 Satz 2 SGG. Das Recht auf Gehör ist nur dann verletzt, wenn der Betroffene das ihm Zumutbare unternommen hat, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen. Der Kläger war in der maßgebenden mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 1988, in der er ausweislich der Niederschrift auf § 145 Nr 2 SGG hingewiesen wurde, rechtskundig vertreten. Ihm und seinen Prozeßbevollmächtigten war damit Gelegenheit gegeben, auch zur Frage der Zulässigkeit der Berufung Stellung zu nehmen. Einen Vertagungsantrag hat er im übrigen nicht gestellt, sondern lediglich einen Sachantrag. Bei dieser Sachlage kann der Kläger aber im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend machen, ihm sei das rechtliche Gehör vor dem LSG nicht ausreichend gewährt worden.
Hiernach war die Beschwerde nicht geeignet, die Revision zu eröffnen; das Rechtsmittel ist zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen