Leitsatz (amtlich)

Beantragt die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit der Klage Aufhebung eines Schiedsspruchs zur Festsetzung des Honorars für ärztliche Leistungen, so ist der Gegenstandswert nach § 8 Abs 2 S 2 Halbs 2 BRAGebO zu bestimmen.

 

Normenkette

BRAGebO § 8 Abs 2 Halbs 2, § 116 Abs 2 Nr 1; GKG § 13

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 02.11.1977; Aktenzeichen L 5 Ka 6/76)

SG Hannover (Entscheidung vom 26.05.1976; Aktenzeichen S 10 Ka 58/71)

 

Gründe

Nach § 116 Abs 2 Nr 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) idF des Gesetzes vom 20. August 1975 (BGBl I 2189) werden in Verfahren aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen (Kassenarztrecht) sowie öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger untereinander die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet. Gemäß § 10 Abs 1 und 2 BRAGebO setzt das Gericht des Rechtszuges den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluß selbständig fest, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im sozialgerichtlichen Verfahren gibt es keine Wertvorschriften für Gerichtsgebühren. Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gerichtsgebührenfrei (§ 183 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Lediglich entsteht für Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts eine Pauschgebühr, die sich nicht nach dem Gegenstandswert bestimmt (§ 184 SGG iVm der Verordnung über die Höhe der von den Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gem § 184 SGG zu entrichtenden Gebühren). Da für die Gerichtsgebühren keine Wertvorschriften vorgesehen sind, bestimmt sich der Gegenstandswert gem § 8 Abs 1 letzter Satz BRAGebO nach Abs 2 dieser Vorschrift. Hiernach gelten die dort aufgeführten Vorschriften der Kostenordnung sinngemäß. Soweit sich der Gegenstandswert aus diesen Vorschriften nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens ist auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten nach billigem Ermessen zu bestimmen, da sich aus den in § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO genannten Vorschriften der Kostenordnung der Gegenstandswert nicht herleiten läßt (§ 8 Abs 2 Satz 2 1. Halbs BRAGebO). Bei der Bestimmung des Gegenstandswerts nach billigem Ermessen ist die Vorschrift des § 13 Abs 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ergänzend heranzuziehen, um Abweichungen gegenüber vergleichbaren Verfahren zu vermeiden (BSG SozR 1930 § 8 BRAGebO Nr 2 und 3). In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert nach § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 2 BRAGebO auf 4.000,-- DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht unter 300,-- DM und nicht über eine Million DM anzunehmen. Dieser Vorschrift kommt als speziellerer Norm für die Ermittlung der Rechtsanwaltsgebühren Vorrang zu gegenüber derjenigen des § 13 Abs 1 Satz 2 GKG. Die Voraussetzungen des § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 2 BRAGebO sind erfüllt, wenn es entweder an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung mangelt oder der Gegenstand nicht vermögensrechtlich ist (vgl Schumann/Geissinger, Kommentar zur Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte 2. Aufl 1974 § 8 Anm 642; Fraunholz in Riedel/Sussbauer, Kommentar zur Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte 4. Aufl 1978 § 8 Anm 49).

Im vorliegenden Fall fehlt es an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung des Gegenstandswerts nach der Bedeutung der Sache. Der Gegenstandswert bestimmt sich entgegen der Meinung von Martens (DOK 1978, 813, 815) nicht nach der Differenz zwischen dem vom Schiedsamt festgesetzten und dem Honorar, das der Kläger für angemessen hält. Für den Gegenstandswert des Revisionsverfahrens ist es unerheblich, welchen Punktwert die klagende Kassenzahnärztliche Vereinigung ursprünglich angestrebt hatte. Sie hatte im Verfahren vor dem beklagten Landesschiedsamt die Festsetzung eines Punktwertes von 0,90 DM beantragt. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist aber der Antrag der Beklagten, unter Abänderung der Urteile des Landessozialgerichts (LSG) und des Sozialgerichts (SG) die Klage abzuweisen. Es ging bereits im Antrag der Klägerin vor dem SG und im erstinstanzlichen Urteil lediglich um die Aufhebung des Schiedsspruchs. Bei diesem Spruch handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, für die die Vorstellungen eines Beteiligten vom Inhalt des festzusetzenden Vertrages nicht maßgebend sind.

Als Anhaltspunkt für die Bedeutung der Sache für den Kläger (§ 13 Abs 1 Satz 1 GKG) hat das Bundessozialgericht die Höhe der ins Ermessen des Leistungsträgers gestellten Leistungen angesehen, die der Kläger nach erfolgreichem Abschluß des Verfahrens erhalten hat (BSG SozR 1930 § 8 BRAGebO Nr 3). Dieser Anhaltspunkt scheidet indessen im vorliegenden Fall aus, denn das beklagte Landesschiedsamt hat noch keine neue Entscheidung über den Vertragsinhalt getroffen und ist dazu bisher auch nicht verpflichtet. Dabei kann es möglicherweise auch nach dem Endurteil bleiben.

Die nach dem Klagevortrag objektiv angemessene Summe (vgl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur Zivilprozeßordnung -ZPO-, 39. Aufl 1980 Anhang nach § 3 ZPO "Schmerzensgeld") scheidet als Anhaltspunkt für die Bedeutung der Sache aus, denn die Bestimmung der objektiv angemessenen Summe, hier des Punktwertes, ist Gegenstand der Ermessensentscheidung des beklagten Schiedsamts.

In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist der Gegenstandswert gem § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 2 BRAGebO zu bestimmen. Nach Lage des Falles liegt er bei einer Million DM. Die Anwendung dieses Höchstbetrages ergibt sich daraus, daß sich nach dem Punktwert, um den es geht, die Vergütung der Leistungen aller Kassenzahnärzte, die der Beklagten angehören, im Jahre 1971 richtet.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651958

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