Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des rechtlichen Gehörs

 

Orientierungssatz

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht kann dann vorliegen, wenn einem Antrag auf Terminverlegung und auf Akteneinsicht nicht nachgekommen wird und der Kläger substantiiert darlegen kann, inwiefern bei der konkreten Vertretungssituation und der konkreten Prozeßgeschichte es ihm unmöglich gemacht bzw rechtswidrig erschwert worden ist, seine prozessualen Rechte geltend zu machen.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3, § 62

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 22.02.1989; Aktenzeichen L 11 Ka 93/88)

 

Gründe

Streitig ist, ob dem Kläger die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung zu Recht entzogen worden ist.

Der 1932 geborene Kläger ist seit dem 1. Januar 1975 in H.    als Kinderarzt niedergelassen und zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen.

Im Januar 1984 teilte der bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) H. versicherte Zeuge Z.       dieser mit, daß der Kläger seiner Frau - der Zeugin Z.       - erklärt habe, er könne lediglich zwei Medikamente auf einem Arzneiverordnungsblatt verordnen. Die Verordnung weiterer Medikamente sei nur möglich, wenn ein weiterer Krankenschein für das zweite Kind abgegeben werde. Dies habe seine Frau dann getan. Die AOK H.    stellte daraufhin durch eine Mitgliederbefragung Ermittlungen über das Abrechnungsverhalten des Klägers an. Sie kam zu der Überzeugung, daß in der Praxis des Klägers bei der Anmeldung zu Vorsorgeuntersuchungen häufig auch die Krankenscheine angefordert worden seien. Auf diesen seien dann nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden. Auch seien Beratungen auf Krankenscheinen abgerechnet worden, die gar nicht hätten erbracht werden können, weil die Kinder zB mit ihren Eltern im Ausland waren. Die AOK H.    stellte Strafantrag. Während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (71 Js 104/84) erklärte die Ehefrau des Klägers, die Zeugin K.         , unter dem 6. September 1984, daß sie die "Abrechnungen" (gemeint waren die Eintragungen auf den Krankenscheinen) jeweils am Abend vorgenommen habe. Dabei könnten Irrtümer vorgekommen sein. Sie habe aber auch eigenmächtig und willkürlich zusätzlich Standardziffern eingetragen. Sie sei bereit, einen Strafbefehl zu akzeptieren. Gegen die Zeugin K.          wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 7. Dezember 1984 wegen Betruges eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen festgesetzt. Das Verfahren gegen den Kläger wurde nach § 153 der Strafprozeßordnung eingestellt.

In einem Schlichtungsverfahren verpflichtete sich der Kläger im Mai 1985, 110.000,-- DM an die Krankenkassenverbände unter Einschluß des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e.V. als Schadensersatz zu zahlen.

Gegen den Kläger wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Durch Beschluß vom 19. August/10. Oktober 1985 sprach der Disziplinar-Ausschuß gegen ihn wegen Verletzung seiner Überwachungspflichten bei der Abrechnung eine Verwarnung aus.

Die Landesverbände der RVO-Krankenkassen beantragten 1984 und 1985, dem Kläger die Zulassung als Kassenarzt zu entziehen.

Die Landesverbände der Innungskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen begründeten dies auch mit Ermittlungen eigener Kassen, durch die Falschabrechnungen nachgewiesen seien.

Im Entzugsverfahren trug der Kläger vor, daß Falschabrechnungen von seiner Ehefrau vorgenommen worden seien. Er selbst habe von diesem Verhalten seiner Ehefrau bis zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens keinerlei Kenntnis gehabt. Bei seinen Überprüfungen seien ihm hinsichtlich der Abrechnungen keine Besonderheiten aufgefallen. Dieser Vorfall sei für ihn nunmehr Anlaß, die Abrechnungen streng zu kontrollieren und einen großen Teil auch selbst vorzunehmen.

Durch Beschluß vom 23. Juni 1986 entzog der Zulassungsausschuß dem Kläger die Zulassung zur Kassenpraxis als Arzt für Kinderkrankheiten gem § 368a Abs 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 27 ZO-Ärzte. An der Verhandlung des Zulassungsausschusses hatte der Kläger selbst teilgenommen. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte in der Verhandlung darauf hingewiesen, daß die Schlichtungsvereinbarung kein Anerkenntnis von Falschabrechnungen in Höhe dieses Betrages bedeute. Unstreitig sei jedoch falsch abgerechnet worden.

Der Zulassungsausschuß begründete die Entziehung damit, daß in der Praxis des Klägers Falschabrechnungen vorgekommen seien. Das würde weder von ihm noch von seinem Rechtsanwalt bestritten. Der Kläger habe die ihm obliegende Pflicht, die Abrechnung genau zu überprüfen, verletzt. Auch habe die fehlerhafte Organisation der Praxis dazu geführt, daß die vorgeworfenen Manipulationen möglich gewesen seien. Auch wenn der Arzt von den Falscheintragungen nicht gewußt haben sollte, sei dies eine gröbliche Pflichtverletzung.

Gegen diesen Beschluß legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug vor, daß keine gröbliche Pflichtverletzung vorgelegen habe. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn sei eingestellt worden. Allein der Umstand, daß in der Praxis Falschabrechnungen vorgekommen seien, die er nicht bemerkt habe, sei keine gröbliche Pflichtverletzung. Entscheidend sei, daß die Unregelmäßigkeiten allein von seiner Ehefrau vorgenommen worden seien. Auch habe der Zulassungsausschuß zu Unrecht nicht die Ehefrau des Klägers, die Arzthelferinnen S.    und F.      und Staatsanwalt Dr. G.     gehört. Das Vertrauensverhältnis zu den Krankenkassen sei jedenfalls jetzt nicht mehr gestört. Einem Antrag auf Praxisverlegung habe der Zulassungsausschuß noch unter dem 21. Mai 1986 zugestimmt und dabei hervorgehoben, daß auch die Landesverbände der Krankenkassen sich zu diesem Antrag positiv geäußert hätten.

Vor dem Beklagten sind von den in der Praxis beschäftigten Arzthelferinnen die Zeuginnen Susanne F.      (jetzt: H.  ) und Edith S.    (jetzt: S.        ) sowie die Ehefrau des Klägers vernommen worden.

Durch Beschluß vom 26. März 1987 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Beklagte begründete seinen Beschluß damit, daß in der Praxis des Klägers nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden seien oder solche, die nicht hätten abgerechnet werden dürfen. Nach Überzeugung des Beklagten sei auch mit Wissen und Wollen des Klägers falsch abgerechnet worden. Die Angaben der Ehefrau des Klägers, sie habe dies ohne sein Wissen getan, seien unglaubhaft. Die Gesamtumstände ließen nur den Schluß zu, daß der Kläger von allen wesentlichen Vorgängen der Praxis unterrichtet gewesen sei.

Gegen diesen Beschluß hat der Kläger Klage erhoben. Er hat in der Klagebegründung erstmals vorgetragen, daß es überhaupt keine Falschabrechnungen gegeben habe. Die Angaben der Ehefrau im Ermittlungsverfahren seien ohne sein Wissen zustande gekommen. Er habe davon erst nachträglich erfahren. Er könne nachweisen, daß die behaupteten Falschabrechnungen nicht vorgekommen seien. So könne er zB beweisen, daß er in einem Fall aus dem Ausland angerufen worden sei, was er als Beratung eingetragen habe. Sofern Falschabrechnungen vorgekommen sein sollten, habe er sich auf die Zuverlässigkeit seiner Ehefrau verlassen dürfen. Eine gröbliche Pflichtverletzung liege jedenfalls nicht vor. Beanstandungen der Abrechnungen seien seitdem nicht mehr vorgekommen. Das Verhältnis zu den Krankenkassen sei nicht mehr gestört.

Die Schlichtungsvereinbarung habe er nur akzeptiert, weil er dahin beraten worden sei, daß dann die ganze Angelegenheit erledigt sei. Zu dieser Behauptung sei Herr Rechtsanwalt Dr. R.      zu hören. Der Kläger hat weiter schriftliche Erklärungen von vier Versicherten (Eltern von Patienten) zum Beweis dafür vorgelegt, daß die von der AOK H.    durchgeführte Befragung zu falschen Ergebnissen geführt habe. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger eingeräumt, daß es Falschabrechnungen gegeben habe. Diese stammten aber allein von seiner Ehefrau. Er habe bei Kontrollen der Eintragungen auf den Krankenscheinen der RVO-Kassen keine Fehler festgestellt. Die Eintragungen auf den Krankenscheinen der Ersatzkassen habe er selbst jeden Abend überprüft oder sie selbst vorgenommen. Hierbei sei nicht falsch abgerechnet worden. Ihm könne nicht vorgeworfen werden, daß er seiner Ehefrau bei der Abrechnung vertraut habe. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Verhandlungstermin vom 22. Februar 1989 die Eheleute Z.      , die Arzthelferin S.         geb. S.    und die Ehefrau des Klägers als Zeugen gehört. Es hatte zuvor folgendes Schreiben vom 5. Dezember 1988 an die Klägeranwälte - Dr. W.    , Dr. R.      und Kollegen - gerichtet:

In der Streitsache Dr. med. K.          ./. BA f. Ärzte f.d. Bereich der KVWL sind die Akten der Beteiligungskommission und der Berufungskommission Ersatzkassen beigezogen worden. Zur Vorbereitung eines Verhandlungstermins wird auf folgendes hingewiesen:

1.

Die Arzthelferinnen haben übereinstimmend ausgesagt, daß die Eltern aufgefordert wurden, mit dem Vorsorgeschein zugleich den Krankenschein mitzubringen. Dies war eine vorsorgliche Aufforderung, da der Krankenschein notwendig war, wenn zB ein Rezept aufzuschreiben war. Angesichts der übereinstimmenden Aussagen der Arzthelferinnen geht der Unterzeichner davon aus, daß diese Aufforderung mit Willen und Wissen des Klägers erfolgte.

2. In den Akten sind noch einige Karteikarten und Kranken

scheine von Versicherten bzw deren Kindern der Innungskrankenkasse H. (IKK). Bei Durchsicht dieser Karteikarten ist nicht klar geworden, wie der Kläger sichergestellt hat, daß in seiner Praxis nur Eintragungen erfolgten, die den tatsächlich erbrachten Leistungen entsprachen. Als Beispielsfälle werden die Karteikarten von Marcus und Ingo B.       sowie Axel B.      in Kopie übersandt. In diesen Fällen ist nicht nachzuvollziehen, wie es zu Eintragungen der Nr. 65 kam.

B.      , Marcus: 15.10.1982, 07.02.1983, 02.05.1983,

11.07.1983, 17.10.1983.

B.      , Ingo:   02.06.1983 (auf der Karteikarte fehlt

jede Eintragung).

B.     , Axel:    07.07.1983.

Dies sind nur Beispielsfälle, denn auch auf den anderen Karteikarten ergeben sich diese Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Leistungen und Eintragungen. Darüber hinaus sind von der Krankenkasse in den oa Fällen noch die Abrechnung der Nr. 1 BMÄ beanstandet worden, wenn dieser Geb.-Nr. keine Rezepte zuzuordnen war. Da der Kläger von der Beteiligungskommission Ersatzkassen angegeben hat, die Abrechnung der Ersatzkassen selbst geprüft zu haben, muß ihm doch deutlich geworden sein, daß aus den Eintragungen auf der Patientenkarte nicht zu ersehen war, ob eine Leistung nach Nr. 65 erbracht worden war. Wie hat der Kläger sichergestellt, daß regelmäßig, aber auch nur dann, wenn eine Leistung nach Nr. 65 erbracht war, diese auch auf dem Krankenschein vermerkt wurde? In dieser Sache wird voraussichtlich Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. Januar 1989 sein.

Nachdem es auf Antrag des Klägeranwalts Dr. R.      den mit Beschluß vom 19. Dezember 1988 auf 25. Januar 1989 angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22. Februar 1989 verlegt hatte, meldete sich mit Schriftsatz vom 18. Januar 1989 Rechtsanwalt B.    als weiterer Prozeßbevollmächtigter und beantragte eine weitere Verlegung des Termins mit der Begründung, daß er wegen eines Notarlehrgangs verhindert sei; zugleich bat er um Übersendung der Akten bzw um Akteneinsicht (mit Fotokopiermöglichkeit). Durch Beschluß vom 27. Januar 1989 hat das LSG den Verlegungsantrag mit folgender Begründung abgelehnt:

Nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes in Verbindung mit § 227 der Zivilprozeßordnung kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1. das Ausbleiben einer Partei (eines Beteiligten) oder die

Ankündigung nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, daß die Partei (der Beteiligte) ohne ihr (sein) Verschulden am Erscheinen verhindert ist;

2. die mangelnde Vorbereitung einer Partei (eines Beteiligten)

wenn nicht die Partei (der Beteiligte) dies genügend entschuldigt;

3. das Einvernehmen der Parteien (der Beteiligten) allein.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung liegen nicht vor.

Eine Verhinderung von Rechtsanwalt B.    ist schon deswegen kein erheblicher Grund, weil der Kläger weiterhin auch durch die Rechtsanwälte der Sozietät Dr. W.     vertreten wird. Der ursprünglich für den 25. Januar 1989 vorgesehene Termin zur mündlichen Verhandlung ist bereits auf Bitte von Rechtsanwalt Dr. R.      auf den 22. Februar 1989 verlegt worden. Wenn der Kläger nach Zustellung der Umladung am 22. Dezember am 17. Januar 1989 einen weiteren Prozeßbevollmächtigten bestellt, können Gründe in dessen Person - unabhängig von der weiteren Bevollmächtigung - kein Anlaß zu erneuter Verlegung sein. Dies gilt auch für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung. Daß der Senat in der Sache mündlich verhandeln will, ist dem Kläger seit dem 16. Dezember 1988 bekannt (Zugang der Ladung für den 25. Januar). Zu dieser Zeit wäre eine Aktenübersendung an einen Prozeßbevollmächtigten noch möglich gewesen. Jetzt werden die Akten und Beiakten zur Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme durch den Berichterstatter und den Vorsitzenden gebraucht.

Mit Schreiben vom 8. Februar 1989 stellte Rechtsanwalt B.    einen weiteren Verlegungsantrag; zugleich trug er vor, davon Kenntnis erhalten zu haben, daß die Rechtsanwälte Dr. W.    , Dr. R.     , K.   , H.     und G.       den Kläger nicht mehr vertreten würden; eine Niederlegung des Mandats seitens dieser Anwälte ist gegenüber dem LSG jedoch nicht erfolgt (vgl die entsprechende Aufführung dieser Anwälte im Rubrum des Berufungsurteils). Mit Beschluß vom 9. Februar 1989 hat das LSG den erneuten Verlegungsantrag mit folgender Begründung abgelehnt:

Dem Kläger ist seit dem 22. Dezember 1988 bekannt, daß auf den 22. Februar 1989 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden ist. Wenn er nach Zustellung der Ladung einen anderen Prozeßbevollmächtigten bestellt, der am Terminstag verhindert ist und sich nicht ausreichend vorbereiten kann, so ist dies verschuldet im Sinne von § 202 SGG iVm § 227 ZPO. Gerade weil der Rechtsstreit für den Kläger von großer Bedeutung ist, hätte er sich vergewissern müssen, ob durch den Anwaltswechsel die Vertretung in dem bereits anberaumten Termin gewährleistet bleibt (vgl dazu BVerfGE 14 S 195; BVerwGE 42 S 288).

Nach einem Aktenvermerk der Geschäftsstelle vom 15. Februar 1989 hat an diesem Tage "Herr Rechtsanwalt N.      (Anwaltskanzlei Rechtsanwalt B.   )" angerufen und mitgeteilt, "daß niemand aus der Anwaltskanzlei am 22. Februar 1989 in der Lage sei, den Termin wahrzunehmen"; es werde um ein Gespräch mit dem Vorsitzenden bzw dem Berichterstatter gebeten. Ein hierauf seitens des Senatsvorsitzenden vorgenommener Aktenvermerk vom nächsten Tage lautet: "Fernmündlich erledigt. Herr Rechtsanwalt N.      kommt". Im Termin zur mündlichen Verhandlung (vom 22. Februar 1989), zu dem Rechtsanwalt B.    für den Kläger erschien, hat das LSG außer der Einvernahme der obengenannten Zeugen mit dem Kläger, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden war, auch die Eintragungen auf Krankenscheinen und auf den dazugehörigen Karteikarten von Anspruchsberechtigten der Innungskrankenkasse (IKK) H.    besprochen, und zwar diejenigen Karteikarten, die bereits in dem Aufklärungsschreiben vom 5. Dezember 1988 genannt waren, darüber hinaus aber auch eine weitere Karteikarte (Norbert B.   ). Das Gerichtsprotokoll enthält keine das rechtliche Gehör betreffende Erklärung des Rechtsanwalts B.    (LSG-Akte Bl 218 bis 237).

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dem Kläger sei die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung zu Recht entzogen worden; er habe seine Pflichten als Kassenarzt gröblich verletzt und sei ungeeignet, als Kassenarzt tätig zu sein. Zur Überzeugung des Senats stehe fest, daß der Kläger über Jahre hinweg Abrechnungen vorgelegt habe, bei denen auf den Krankenscheinen in erheblichem Umfang nicht erbrachte Leistungen eingetragen worden sind. Der Senat sei auch davon überzeugt, daß der Kläger dies gewußt hat.

Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, den der Beklagte und die Beigeladenen Ziffer 1 (AOK-Landesverband), Ziffer 2 (LdB), Ziffer 3 (IKK-Landesverband), Ziffer 5 (KÄV) und Ziffer 6 (VdAK) entgegengetreten sind.

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Soweit der Kläger eine Abweichung des Berufungsurteils von einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) geltend macht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und vorträgt, das Urteil widerspreche einem Rechtssatz des BSG im Urteil vom 29. Oktober 1986, 6 RKa 4/86, nämlich "daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere, daß eine mit Ziel der Entziehung der kassenärztlichen Zulassung eingeleitete und durchgeführte Maßnahme nur dann rechtmäßig sei, wenn eine weniger einschneidende Maßnahme, zB das Ruhen der Zulassung für vorübergehende Zeit, sich nicht als adäquate Maßnahme auf das Verhalten des Arztes darstelle", hat er nicht dargetan, daß das LSG einen gegenteiligen Rechtssatz aufgestellt bzw angewendet habe. Der angeblich widersprechende Rechtssatz braucht zwar in dem (vordergerichtlichen) Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen zu sein, jedoch muß dargelegt werden, daß der (angebliche) Rechtssatz die Entscheidung trägt, ihr also dieser Rechtssatz zugrunde liegt. Das ist hier nicht dargelegt worden (- und ist auch gar nicht der Fall -).

2. Soweit der Kläger als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend macht und vorträgt, es sei zu klären, in welchem Umfang für den Kassenarzt eine Dokumentationspflicht besteht und welchen Umfang die Leistung nach den Ziffern 65, 65a, 65b BMÄ (- eingehende Untersuchungen -) habe, fehlt es schon daran, daß damit zwar Problembereiche bezeichnet, aber keine konkreten Rechtsfragen klar bezeichnet sind (BSG-Beschluß vom 18. April 1983 - 6 BKa 18/82 -: konkrete entscheidungserhebliche Rechtsfrage).

3. Soweit der Beschwerdebegründung eine Verfahrensrüge nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG des Inhalts entnommen werden mag, das LSG sei einem Beweisantrag nicht gefolgt, fehlt es nicht nur an der Darlegung, daß das Gericht aufgrund seiner eigenen Rechtsauffassung sich hätte gedrängt fühlen müssen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34 und 56), diesen Beweis zu erheben, sondern auch, ganz abgesehen von der Nichterwähnung der (angeblich) damit verletzten prozessualen Bestimmung, an Ausführungen darüber, inwieweit das LSG diesem Beweisantrag "ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist" (§ 160 Abs 2 Nr 3 am Ende SGG). Tatsächlich hat das LSG zu dem auf Blatt 4 der Beschwerdebegründung aufgeführten Beweisantrag ("... daß der Kläger ... stichprobenartig geprüft und ... seiner Ehefrau und ... Mitarbeiterinnen übertragen ...") ausgeführt, daß er diese Behauptung als wahr unterstelle (S 28 des Urteils, oben).

4. Der Kläger stützt seine Beschwerde schließlich auf eine Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs deswegen, weil das LSG seinem Antrag auf Terminsverlegung und auf Akteneinsicht nicht nachgekommen sei. Er hätte jedoch hier ganz substantiiert darlegen müssen, inwiefern bei der konkreten Vertretungssituation und der konkreten Prozeßgeschichte es ihm unmöglich gemacht bzw rechtswidrig erschwert worden sei, seine prozessualen Rechte geltend zu machen. Das ist aber nicht geschehen.

Die Beschwerde war demnach als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (analog).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664531

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge