Leitsatz (amtlich)
Fehlt in der Ausfertigung des Urteils der Name des zweiten Landessozialrichters, so wird mit der Zustellung der ergänzten Urteilsausfertigung keine neue Revisionsfrist in Lauf gesetzt.
Normenkette
SGG § 66 Fassung: 1953-09-03, § 138 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juli 1965 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin hat gegen das am 11. August 1965 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten am 19. November 1965 Revision eingelegt mit dem Bemerken, daß die im Rubrum berichtigte Ausfertigung des LSG-Urteils am 19. Oktober 1965 zugestellt worden sei. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1965 hat der Prozeßbevollmächtigte mitgeteilt, daß er die Vertretung niedergelegt habe.
Nach § 164 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Revision - wie es auch in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils heißt - binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bundessozialgericht einzulegen. Diese Frist lief am Sonnabend, dem 11. September 1965 ab. Die über zwei Monate später eingelegte Revision ist daher verspätet.
Hieran ändert der Umstand nichts, daß die Klägerin nach Ablauf der Revisions- und Revisionsbegründungsfrist, nämlich am 14. Oktober 1965 beim LSG eine Urteilsberichtigung nach § 138 SGG beantragt hat, weil der Name des zweiten anwesend gewesenen Landessozialrichters fehle. Das LSG hat den Namen in die Urteilsausfertigung eingesetzt, eine Berichtigung nach § 138 SGG aber nicht vorgenommen, weil die Urschrift - wie auch die sonstigen Abschriften - die Namen der beiden Landessozialrichter enthalte. Diese Urteilsergänzung hat nicht zur Folge, daß die Revisionsfrist erst mit der Zustellung der ergänzten Urteilsausfertigung zu laufen begänne. Auch im Falle einer Urteilsberichtigung wird eine neue Rechtsmittelfrist nur dann in Lauf gesetzt, wenn erst das berichtigte Urteil eine geeignete Grundlage für die Entschließung der Beteiligten über das Rechtsmittel bilden kann (vgl. Peters/Sautter-Wolff Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 2 zu §§ 138, 139, S. II/179). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Denn das Fehlen des Namens des anwesend gewesenen Landessozialrichters im Rubrum der Urteilsausfertigung hatte keinen Einfluß auf den Inhalt des Urteils. Dieser äußerliche Mangel hat auch nicht zur Folge, daß es etwa an einer ordnungsgemäßen Zustellung fehlt. Auch wenn z. B. der Verkündungsvermerk auf der Ausfertigung fehlt, wird hierdurch die Wirksamkeit der Zustellung nicht berührt (vgl. Baumbach - Lauterbach Komm. ZPO, Anm. 2 zu § 317 ZPO, wo eine solche Folge unter Hinweis auf BGH 8, 303 verneint wird). Wie das Reichsgericht (RG) in RGZ Bd. 170 S. 189/190 ausgeführt hat, kommt es bei abweichender Ausfertigung darauf an, ob die Abweichung derart ist, daß eine Zustellung der getroffenen Entscheidung nicht mehr als geschehen angesehen werden kann, oder ob dies nicht der Fall ist, weil die Ausfertigung nur im Nebensächlichen ungenau oder unrichtig war. Die Abweichung ist besonders dann unwesentlich, wenn sie für die Beteiligten offensichtlich ist. Die Klägerin war im Termin vom 27. Juli 1965 durch ihren Prozeßbevollmächtigten vertreten; dieser konnte über die Besetzung des Gerichts und darüber, daß das Urteil ordnungsmäßig erlassen war, nicht im Zweifel sein. Das Fehlen des Namens eines ehrenamtlichen Richters im Rubrum der Urteilsausfertigung stellt darüber hinaus in jedem Fall eine Unrichtigkeit "im Nebensächlichen" dar. Das RG hat aaO zutreffend darauf hingewiesen, daß sich solche unerheblichen Schreib- oder ähnliche Fehler vielfach in Urteilen finden; eine Partei, welche die Rechtsmittelfrist hat verstreichen lassen, hätte es in der Hand, doch noch Rechtsmittel einzulegen, wenn es ihr gelingt, irgendeinen unwesentlichen Fehler ausfindig zu machen; ein solches Urteil würde ohne Berichtigung überhaupt nie rechtskräftig. Diese Erwägung trifft insbesondere für den vorliegenden Fall zu.
Da nach alledem die Monatsfrist des § 164 Abs. 1 SGG mit der ersten Zustellung des Urteils am 11. August 1965 in Lauf gesetzt worden ist, mußte die verspätete Revision gemäß § 169 Satz 2 SGG als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen