Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 07.10.1992) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 6. August 1983 (Sturz von einem Gerüst auf den linken Arm) über den 31. März 1985 hinaus Verletztenrente auf Dauer nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH und ab August 1991 um 30 vH zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 24. Februar 1986; Urteile des Sozialgerichts vom 18. Mai 1989 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 7. Oktober 1992). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei durch die bei ihm bestehenden und anerkannten Unfallfolgen nicht mehr um mindestens 20 vH gemindert. Es lägen auch keine weiteren Unfallfolgen im Bereich der Halswirbelsäule vor.
Zur Begründung seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, das Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Als Verfahrensfehler werde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt. Diesen Verfahrensfehler sieht der Kläger darin, daß das LSG einen Terminsverlegungsantrag seines Prozeßbevollmächtigten vom 18. September 1992 abgelehnt habe, obwohl erhebliche Gründe – nämlich die Verhinderung seines Prozeßbevollmächtigten, eines Fachanwaltes für Sozialrecht, wegen einer schon im August 1992 gebuchten ca dreiwöchigen Urlaubsreise in die USA – für den Vertagungsantrag angeführt worden seien. Aus diesen Gründen komme der Rechtssache auch grundsätzliche Bedeutung zu.
Die Beschwerde ist zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen teils nicht vor, teils entsprechen sie nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form.
Die Rüge des Klägers, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes ≪GG≫) dadurch verletzt, daß es seinem Antrag auf Verlegung des Termins nicht nachgekommen sei, führt nicht zur Zulassung der Revision. Nach dem gem § 202 SGG auch im Verfahren der Sozialgerichte anwendbaren § 227 Abs 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben und verlegt oder eine Verhandlung vertagt werden. Die Entscheidung darüber liegt im Ermessen des Vorsitzenden bzw des Gerichts; doch hat das Gesetz Maßnahmen dieser Art zur Straffung des Verfahrens an erhebliche Gründe geknüpft. Es stellt nur dann einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und damit einen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar, wenn ein Antrag auf Terminsverlegung trotz des Vorliegens erheblicher Gründe abgelehnt wird (BSGE 1, 277, 279; 17, 44, 47; BSG SozR 1750 § 227 Nrn 1 und 2). Entgegen der Auffassung des Klägers war im vorliegenden Fall ein derartiger erheblicher Grund für eine Verlegung des Verhandlungstermins am 4. August 1992 nicht gegeben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann auch im sozialgerichtlichen Verfahren ein Beteiligter grundsätzlich darauf verwiesen werden, einen anderen Rechtsanwalt, insbesondere einen von diesem Beteiligten ebenfalls bevollmächtigten Kollegen aus derselben Kanzlei, mit der Wahrnehmung des angesetzten Termins zu beauftragen, wenn hierzu sein die Streitsache bearbeitender Prozeßbevollmächtigter nicht in der Lage oder nicht willens ist (BSG Beschluß vom 31. Mai 1990 – 11 BAr 153/89 – sowie Beschluß des Senats vom 25. November 1992 – 2 BU 159/92 –). Das vorliegende Verfahren weist auch nach dem Streitgegenstand keine solchen Besonderheiten auf, die eine Vertretung im Termin zur mündlichen Verhandlung durch einen anderen Rechtsanwalt ausgeschlossen hätten, insbesondere im Hinblick darauf, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach Ablehnung der Terminsverlegung durch den Vorsitzenden des Senats den Rechtsstandpunkt des Klägers mit Schriftsatz vom 18. September 1992 nochmals eingehend dargelegt hat „besonders sorgfältige schriftsätzliche Vorbereitung des Termins”). Solange eine anderweitige Vertretung möglich erscheint, ist ein Gericht unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, einen anberaumten Termin wegen Verhinderung eines Prozeßbevollmächtigten aufzuheben, gleichgültig, ob dessen Verhinderung auf dem Jahresurlaub (BVerfGE 14, 195) oder auf einem anderweitigen Termin (BVerwGE 42, 288) beruht. Bei einer plötzlichen Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten kann jedoch eine Ablehnung der Verlegung des Termins den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen (BSG SozR 1750 § 227 Nr 2 mwN). Die Rechtsprechung hat daher auch in den Fällen, in denen der Prozeßbevollmächtigte unvermeidbar verhindert war, einen Verhandlungstermin wahrzunehmen, entscheidend darauf abgestellt, ob bei Eintritt des Verhinderungsgrundes genügend Zeit verblieb, einen anderen Rechtsanwalt zu finden (BSG Beschluß vom 31. Mai 1990 – 11 BAr 153/89 – mwN). Auch aus den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ergibt sich nichts anderes. Nach § 3 Abs 3 BRAO hat jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen (Jessnitzer, Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Aufl, § 3 RdNr 9 mwN). Ein allgemeines Recht darauf, daß der Rechtsanwalt der eigenen Wahl den Gerichtstermin auch persönlich wahrnehmen kann, ist dieser Vorschrift nicht zu entnehmen.
Nach den für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erschien – wie das LSG selbst eingehend begründet hat – hier eine anderweitige Vertretung des Klägers möglich und zumutbar. Bereits bei Empfang der Terminsbenachrichtigung am 10. September 1992 zu der auf den 7. Oktober 1992 anberaumten mündlichen Verhandlung mußte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit der Möglichkeit rechnen, auf die Einschaltung eines Vertreters zur Wahrnehmung dieses Termins verwiesen zu werden. Ausdrücklich ist er hierauf mit Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom 14. September 1992 hingewiesen worden. Unter Berücksichtigung der verbliebenen Zeitspanne bis zum 7. Oktober 1992, des vom LSG festgestellten Umfangs der Sache und ihres durchaus nur mittleren Schwierigkeitsgrades verblieben dem Kläger und seinem die Streitsache bearbeitenden Prozeßbevollmächtigten noch hinreichend Gelegenheit, für die Sitzung einen anderen Rechtsanwalt, sei es einen der ebenfalls bevollmächtigten Kollegen aus der eigenen Kanzlei (s hier die Vollmacht des Klägers vom 30. August 1988 – Bl 125 SG-Akte –) oder auch durch einen anderen Fachanwalt für Sozialrecht, heranzuziehen.
Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, entspricht die dazu gegebene Begründung nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung erfordern diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX RdNrn 177 und 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerde.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching aaO IX RdNrn 65, 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Dazu fehlt die Darlegung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 20. Januar 1993, inwieweit zu der von ihm darin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage, „ob ein Kläger, der von einem Fachanwalt für Sozialrecht vertreten wird, im Hinblick auf dessen urlaubsbedingter Verhinderung vom Gericht darauf verwiesen werden darf, er könne sich von einem anderen Rechtsanwalt oder einem Fachanwalt für Sozialrecht vertreten lassen, sofern ausreichend Zeit zur entsprechenden Vorbereitung besteht”, bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind (s die oben und die weitere im angefochtenen Urteil angeführte Rechtsprechung) und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen