Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsbeitrag. Nachlaß-Zuschlag-Verfahren. Klärungsbedürftigkeit von Rechtsfragen
Orientierungssatz
1. Es bedarf keiner weiteren höchstrichterlichen Entscheidung darüber, daß eine Regelung der Nachlässe und Zuschläge zum Beitrag durch die Satzung nicht bereits deshalb rechtswidrig ist, weil sie insoweit der Eigenbelastung des Unternehmens die Durchschnittsbelastung aller am Verfahren beteiligten Unternehmen und nicht nur der Unternehmen des jeweiligen Gewerbezweiges gegenüberstellt.
2. Es bedarf keiner weiteren Entscheidung des BSG, daß die stärkere Berücksichtigung der Zahl der Arbeitsunfälle in den Rahmen der Ermächtigungsnorm des § 725 Abs 2 RVO fällt.
Normenkette
RVO § 725 Abs. 2; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a
Verfahrensgang
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen Beitragsbescheide der Beklagten, da deren Satzungsbestimmung über Nachlässe und Zuschläge nicht durch die gesetzliche Ermächtigung gedeckt seien.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile vom 7. März 1979 und 14. Oktober 1981).
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Frage, ob die Bestimmungen der Satzung der Beklagten über Nachlässe und Zuschläge zum Beitrag rechtmäßig seien, habe grundsätzliche Bedeutung. Das Nachlaß-Zuschlag-Verfahren der Beklagten verfehle den Zweck des § 725 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die Betriebe zu erhöhten Anstrengungen bei der Unfallverhütung zu veranlassen. Solche Bemühungen könnten nur dadurch gemessen werden, daß man das Unternehmen mit den Mitgliedsbetrieben der Berufsgenossenschaft (BG) vergleiche, die sich in gleicher Ausgangslage befänden, deren Branche typisches Lohn- und Gehaltsniveau und deren Grad und Art der Gefahrengeneigtheit in etwa gleich seien, die mithin demselben Gewerbezweig angehörten. Schon deshalb bewege sich das Nachlaß-Zuschlag-Verfahren der Beklagten außerhalb der Ermächtigung des § 725 Abs 2 RVO. Im Rahmen der Ermächtigung bliebe das Verfahren nur dann, wenn es nicht auf den Durchschnitt der gesamten BG Bezug nehmen würde, sondern das einzelne Unternehmen nur an den Unternehmen seines Gewerbezweiges messen würde. Während zwischen den verschiedenen Gewerbezweigen der Beklagten erhebliche Unterschiede im Lohn- und Gehaltsniveau beständen, sei das Lohn- und Gehaltsniveau innerhalb der einzelnen Gewerbezweige ungefähr gleich.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Sache setzt ua voraus, daß die maßgebende Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (s ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, § 160 Nr 17). Eine Rechtsfrage ist regelmäßig dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie vom Revisionsgericht bereits geklärt ist (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Das ist hier der Fall.
Der Senat ist bereits ua in seinem Urteil vom 30. November 1972 (BSGE 35, 74) davon ausgegangen, daß eine Regelung der Nachlässe und Zuschläge zum Beitrag durch die Satzung nicht bereits deshalb rechtswidrig ist, weil sie insoweit - ebenso wie in der Satzung der Beklagten - der Eigenbelastung des Unternehmens die Durchschnittsbelastung aller am Verfahren beteiligten Unternehmen und nicht nur der Unternehmen des jeweiligen Gewerbezweiges gegenüberstellt. Entsprechendes gilt ua für die Urteile vom 2. Mai 1979 (2 RU 95/78 - SozR 2200 § 725 Nr 5: Zu § 27 Abs 1 Nr 1 der Satzung der BG der Feinmechanik und Elektrotechnik), vom 28. Juni 1979 (8a RU 4/79 - BSGE 48, 231: Zu § 26 Abs 2 bis 5 der Satzung der Nordwestlichen Eisen- und Stahl-BG) und vom 30. Juli 1981 (8/8a Ru 18/80 - SozR aaO Nr 7: Zu § 27 Abs 2 Buchst b der Satzung der Steinbruchs-BG). Es bedarf somit keiner weiteren höchstrichterlichen Entscheidung über die entsprechende Satzungsbestimmung der Beklagten. Gegenüber der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind - soweit ersichtlich - sowohl vom Schrifttum als auch von den Instanzgerichten keine Einwendungen vorgebracht worden. Auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin zwingen nicht dazu; denn auch in einem Revisionsverfahren wäre nicht zu entscheiden, ob die von der Beklagten getroffene Regelung optimal oder die von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Beschränkung auf Unternehmen des jeweiligen Betriebszweiges besser wäre.
Die Beschwerdeführerin ist schließlich der Auffassung, das Nachlaß-Zuschlag-Verfahren der Beklagten überschreite auch noch dadurch den Ermächtigungsrahmen des § 725 Abs 2 RVO, daß es die Anzahl der Unfälle wesentlich stärker bewerte als ihre Schwere.
Auch diese Frage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Der Senat hat schon in seinem bereits zitierten Urteil vom 30. November 1972 (BSGE 35, 74) zu § 725 RVO aF eine ausreichende Berücksichtigung der Zahl und Schwere gefordert und ist dabei in dem von ihm entschiedenen Fall sogar davon ausgegangen, daß die Satzung der Beklagten zu wenig die Zahl der Arbeitsunfälle berücksichtigt. Dem bereits in diesem Urteil aufgezeigten Grundsatz ist zu entnehmen, daß eine Berücksichtigung der Zahl der Arbeitsunfälle, wie sie die Beklagte vornimmt, schon mit der früheren gesetzlichen Ermächtigung vereinbar war. Erst recht gilt dies nach Sinn und Zweck der Neufassung des § 725 RVO, die nicht nur die Berücksichtigung der Zahl der Arbeitsunfälle durch eine stärkere Verselbständigung dieses Kriteriums sichern ("... der Zahl, der Schwere ..."; früher: "Zahl und Schwere"), sondern vor allem den "Spielraum" der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung bei der Regelung des Nachlaß- und Zuschlagsverfahrens erweitern wollte (s BT-Drucks 7/4951, Seite 8). Es bedarf deshalb keiner weiteren Entscheidung des BSG, daß die stärkere Berücksichtigung der Zahl der Arbeitsunfälle nicht nur bereits nach früherem Recht, sondern insbesondere nach der Neufassung des § 725 Abs 2 RVO in den Rahmen dieser Ermächtigungsnorm fällt.
Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ist nicht bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Es fehlt an der Angabe eines im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrages, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sein soll (s § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen