Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder eines sonstigen wesentlichen Verfahrensmangels ohne Weiteres bei Nichtbeachtung der Frist für die Terminsmitteilung
Orientierungssatz
Die bloße Verletzung der Ordnungsvorschrift des § 110 Abs 1 S 1 SGG, wonach der Vorsitzende dem Beteiligten Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung "in der Regel 2 Wochen vorher" mitteilt, stellt keinen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes kann sich nur derjenige auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, § 62 SGG) berufen, der alle prozeßrechtlichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft hat. Dazu gehört, daß derjenige, der einen Rechtsstreit betreibt, von niedergelegten Schriftstücken Kenntnis nimmt. Ferner ist von dem Betroffenen zu verlangen, daß er schriftlich oder telefonisch die Verlegung des Termins beantragt.
Normenkette
SGG § 110 Abs 1 S 1 Fassung: 1953-09-03, § 62 Fassung: 1953-09-03; GG Art 103 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 27.09.1983; Aktenzeichen I UBF 26/83) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 04.05.1983) |
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm für die Folgen eines Arbeitsunfalls, den er am 6. Juli 1980 erlitten hat, über den 27. Juli 1980 hinaus dem Grunde nach Entschädigung wegen eines Meniskusschadens (rechts) zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1981 und Widerspruchsbescheid vom 12. November 1981; Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Mai 1983 und des Landessozialgerichts Hamburg -LSG- vom 27. September 1983).
Für die Durchführung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Prozeßkostenhilfe beantragt. Zur Begründung macht er geltend, das LSG habe einen Verfahrensmangel begangen. Die Frist von zwei Wochen zwischen der Ladung und der mündlichen Verhandlung sei nicht eingehalten worden (§ 110 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Zum Termin vom 27. September 1983 sei er durch Niederlegung der Ladung erst am 14. September 1983 geladen worden. Dadurch habe er zu spät von dem Termin Kenntnis erhalten und deshalb zum Termin nicht erscheinen können. Den Verstoß gegen § 110 SGG hätte er wohl hinnehmen müssen, wenn ohne Anhörung des Sachverständigen Dr. im Termin entschieden worden wäre. Durch die Einbeziehung des Sachverständigen sei jedoch gleichzeitig das rechtliche Gehör (§ 62 SGG) verletzt. Hätte er zu dem Gutachten des Sachverständigen Stellung nehmen können, wäre das LSG zu einem anderen Ergebnis gelangt; er habe durch Vorlage von Fotografien der Unfallstelle darlegen wollen, daß es bei dem Unfall infolge einer Torsionsbewegung zu einer Verdrehung des Kniegelenks gekommen sei; außerdem habe er nochmals verdeutlichen wollen, daß sein rechtes Knie keine Vorschäden aufgewiesen habe.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 73a, 151 Abs 1, 165 SGG iVm § 114 Abs 1 der Zivilprozeßordnung -ZPO-).
Zutreffend geht auch der Kläger davon aus, daß die bloße Verletzung der Ordnungsvorschrift des § 110 Abs 1 Satz 1 SGG, wonach der Vorsitzende den Beteiligten Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung "in der Regel zwei Wochen vorher" mitteilt, kein wesentlicher Mangel des Verfahrens ist (BSGE 1, 126, 130; BSG SozR Nr 7 zu § 110 SGG). Auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz, § 62 SGG) kann sich nur berufen, wer die prozeßrechtlichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft hat (BVerfGE 5, 9, 10; 15, 256, 267; 28, 10, 14; BVerfG MDR 1981, 470; BSGE 7, 209, 211). Daran fehlt es hier. Der Kläger hätte, wenn er durch die Unterschreitung der Ladungsfrist um zwei Tage gehindert gewesen sein sollte, sich auf den Termin vorzubereiten oder den Termin selbst oder durch einen Vertreter wahrzunehmen, ua bei dem LSG schriftlich oder telefonisch - ggf unter Darlegung der nach seiner Auffassung vorliegenden erheblichen Gründe (s § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO) - beantragen können, den Termin zu verlegen. Seine Möglichkeiten zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat der Kläger aber auch dann nicht ausgeschöpft, wenn er - wie hier in Kenntnis des von ihm betriebenen Rechtsstreits - sich aufgrund der Mitteilung über die Niederlegung des Schriftstücks, das die Ladung enthielt, nicht noch vor dem Termin Kenntnis über den Inhalt des Schriftstückes verschafft haben sollte.
Fundstellen