Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Orientierungssatz
1. Eine außer Kraft getretene gesetzliche Vorschrift kann nur dann grundsätzliche Rechtsfragen aufwerfen, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen der Entscheidung harren (vgl BSG vom 28.11.1975 12 BJ 150/75 = SozR 1500 § 160a Nr 19).
2. Dabei sind auch sechs Fälle noch keine erhebliche Zahl. Sie lassen nicht darauf schließen, daß die Klärung der Rechtsfrage durch den Senat noch von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung wäre oder daß sie Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berühren würde (vgl BAG vom 5.12.1979 4 AZN 41/79 = NJW 1980, 1812).
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.11.1988; Aktenzeichen L 1 Ka 980/88) |
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Honorarkürzung. Gegen den Kürzungsbescheid haben der Kläger und die Beigeladene zu 6) Widerspruch eingelegt. Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid des Beklagten insoweit aufgehoben, als er dem Widerspruch der Beigeladenen zu 6) stattgegeben hatte. Die Berufung des Beigeladenen zu 1) hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und ausgeführt, die Beigeladene zu 6) habe gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses nicht wirksam Widerspruch einlegen können. Zwar sei der Widerspruch der für den Arztsitz zuständigen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) nach der Prüfungsvereinbarung zulässig. Die Vereinbarung sei aber insoweit wegen Verstoßes gegen § 368n Abs 5 Satz 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nichtig. Die einzelne Kasse könne danach den Beschwerdeausschuß nicht anrufen. Nichtig sei auch die Bevollmächtigung des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 6) durch den Beigeladenen zu 1).
Die Beigeladene zu 6) macht mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage, ob es der einzelnen Krankenkasse durch § 368n Abs 5 RVO verwehrt sei, gegen eine sie belastende rechtswidrige Entscheidung des Prüfungsausschusses Rechtsmittel einzulegen. Durch § 106 Abs 5 Satz 3 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sei der Mangel nunmehr behoben. Die grundsätzliche Bedeutung liege darin, daß alle Mitgliedskassen des AOK-Landesverbandes Südwest aufgrund einer schriftlichen Bevollmächtigung des AOK-Landesverbandes gegen Entscheidungen der Prüfungsausschüsse Widerspruch eingelegt hätten und nunmehr beim Beschwerdeausschuß der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Südbaden und auch bei anderen KÄVen im Zuständigkeitsbereich des AOK-Landesverbandes mehrere unerledigte Prüfverfahren anhängig seien.
Der Beigeladene zu 1) hat ebenfalls Beschwerde eingelegt. Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach Inkrafttreten des SGB V hat er geltend gemacht, im Rahmen des zweitinstanzlichen Verfahrens sei bekannt geworden (S 5 des LSG-Urteils), daß allein im Bereich der KÄV Südbaden 1987 169 Anträge wegen Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise von AOK'en entweder unter Verwendung der Formulierung "in Vollmacht" oder "im Auftrag" gestellt wurden. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, daß die AOK'en im ganzen Land Rheinland-Pfalz in der vom Berufungsgericht beanstandeten Weise verführen, ohne daß das dortige LSG sich der Rechtsmeinung des LSG Baden-Württemberg bisher angeschlossen hätte.
Die Beschwerden sind nicht zulässig. Die Beigeladenen zu 1) und 6) haben die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Da nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 106 Abs 5 Satz 3 des am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen SGB V gegen Entscheidungen der Prüfungsausschüsse neben den Landesverbänden auch die Krankenkassen den Beschwerdeausschuß anrufen können, bedurfte es zur Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung hier der Darlegung besonderer Gründe. Eine außer Kraft getretene gesetzliche Vorschrift kann nur dann grundsätzliche Rechtsfragen aufwerfen, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen der Entscheidung harren (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 19; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG § 160 Anm 7; Hennig/Danckwerts/König, Komm zum SGG § 160 Erl 7.2; Peters/Sautter/Wolff, Komm zum SGG § 160 Anm 6 ee). Dafür ergibt sich aus der Beschwerdebegründung des Beigeladenen zu 1) nur eine Vermutung: Wenn die AOK'en in 1987 169 Prüfanträge gestellt haben, dürften sie auch in 1988 eine größere Zahl von Prüfverfahren in Gang gesetzt haben. Der Beschwerdebegründung des Beigeladenen zu 1) kann aber nichts dafür entnommen werden, daß in einer erheblichen Zahl von Fällen einzelne Kassen Widerspruch eingelegt haben, daß noch eine erhebliche Zahl von solchen Fällen anhängig und daß darüber noch nach altem Recht zu entscheiden ist.
Die Beigeladene zu 6) hat die fortbestehende Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Ihrer Beschwerdebegründung ist keine weitergehende Behauptung zu entnehmen, als daß bei den Beschwerdeausschüssen der KÄV Südbaden und auch bei den anderen, dh bei mindestens zwei anderen KÄVen, derzeit mehrere Verfahren anhängig seien. Zusammen handelt es sich nach der Behauptung der Beigeladenen zu 6) um drei oder mehr Fälle. Wenn die Ausführungen dahin verstanden werden, daß bei jedem Beschwerdeausschuß mehrere Fälle liegen, so würde es sich zusammen um sechs oder mehr Fälle handeln, denn zwei sind schon mehrere. Auch sechs Fälle sind aber noch keine erhebliche Zahl. Sie lassen nicht darauf schließen, daß die Klärung der Rechtsfrage durch den Senat noch von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung wäre oder daß sie Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berühren würde (BAG NJW 1980 1812; Peters/Sautter/Wolff aaO § 160 Anm 6 bb).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen