Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Beschluss vom 09.01.1998) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. Januar 1998 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beklagte gewährte der Klägerin ab 1. April 1995 Arbeitslosengeld (Alg) und ab 18. Mai 1995 Unterhaltsgeld (Uhg); ihr Arbeitgeber hatte wegen Zahlungsunfähigkeit den Betrieb am 31. März 1995 eingestellt und ihr zum 30. September 1995 gekündigt. Nachdem das Konkursgericht die im Februar 1995 beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens am 8. Juni 1995 mangels Masse abgelehnt hatte, gewährte die Beklagte der Klägerin Konkursausfallgeld (Kaug) für das in der Zeit vom 8. März bis 7. Juni 1995 vom Arbeitgeber nicht gezahlte Nettoarbeitsentgelt abzüglich des für die gleiche Zeit gezahlten Alg und des Uhg.
Die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, sie müsse wie die anderen Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber wegen kürzerer Kündigungsfristen zum 31. März 1995 gekündigt habe, Kaug ohne Abzug für Januar bis März 1995 erhalten, hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Auffassung vertreten, der Kaug-Zeitraum sei zutreffend bestimmt worden. Hätte die Klägerin ihre offenen Arbeitsentgeltansprüche ab Januar 1995 über die Kaug-Versicherung abwickeln wollen, hätte sie das Arbeitsverhältnis selbst wegen Zahlungsverzugs fristlos zum 31. März 1993 kündigen müssen. Den nun maßgeblichen Kaug-Zeitraum habe die Klägerin selbst bestimmt, indem sie hiervon abgesehen habe. Eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Arbeitnehmern sei nicht erkennbar. Die Klägerin könne schließlich für den Zeitraum vom 1. April bis 7. Juni 1995 nicht verlangen, neben dem vollen Kaug Alg bzw Uhg zu behalten. Hierzu beruft sich das LSG ua auf § 117 Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), § 115 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X) und verweist auf BSG SozR 4100 § 117 AFG Nrn 16 und 19. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Höchstrichterlicher Klärung bedürfe, ob sich aus § 115 SGB X ergebe, daß gezahltes Alg auf einen Anspruch auf Kaug für den gleichen Zeitraum angerechnet werden dürfe. Außerdem müsse entschieden werden, ob § 141b AFG gegen Art 3 Grundgesetz (GG) in den Fällen verstoße, in denen der maßgebliche Insolvenzzeitpunkt nach dem Tag der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses liege. Schließlich sei von grundsätzlicher Bedeutung die Frage, ob es von einem Arbeitnehmer zu erwarten sei, sein Beschäftigungsverhältnis im Falle des Zahlungsverzuges des Arbeitgebers selbst fristlos zu kündigen, um einen Anspruch auf Kaug zu erzielen.
Entscheidungsgründe
II
Die ausschließlich auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig; ihre Begründung legt einen nach § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Revisionszulassung führenden Tatbestand nicht dar, wie dies nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlich ist.
Dieser Zulassungsgrund ist in der Weise darzutun, daß die angestrebte Entscheidung des Bundessozialgerichts geeignet ist, die Rechtseinheit zu erhalten oder die Rechtsfortbildung zu fördern. In diesem Sinne ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage über den entschiedenen Einzelfall hinaus nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre und ihre Klärungsfähigkeit nach den Gegebenheiten des zu beurteilenden Falles darzulegen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 7, 13 und 65; BVerwG NJW 1993, 2825 f). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Es ist schon nicht aufgezeigt, weshalb rechtlich zweifelhaft sein soll, ob sich aus § 115 SGB X ergibt, daß gezahltes Alg auf Kaug für den gleichen Zeitraum angerechnet werden darf; denn § 115 SGB X regelt nur, wie die Beschwerde nicht verkennt, daß der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt bis zur Höhe einer erbrachten Sozialleistung auf den Sozialleistungsträger übergeht, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt. Der Beschwerdebegründung ist auch nicht zu entnehmen, was insoweit klärungsbedürftig wäre. Was es mit § 117 Abs 4 AFG, § 115 SGB X und der vom LSG erwähnten Befriedigung der Beklagten durch die Kaug-Versicherung auf sich hat, ergibt sich aus dem vom LSG zitierten Urteil BSGE 60, 168 = SozR 4100 § 117 Nr 16. Danach steht der Anspruch auf Kaug, soweit der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt infolge Alg-Zahlung auf die Beklagte als Träger der Arbeitslosenversicherung gemäß § 117 Abs 4 AFG, § 115 SGB X übergegangen ist, entsprechend § 141k Abs 1 Satz 1 AFG dieser und nicht dem Arbeitnehmer zu (BSGE 60, 168, 174 f = SozR 4100 § 117 Nr 16 S 76 f). Dem Arbeitnehmer verbleibt hiernach das Kaug nur, soweit auch der Anspruch auf Arbeitsentgelt ihm verblieben ist, dh abzüglich eines Betrages in Höhe des Alg, weil das Arbeitsentgelt in dieser Höhe auf die Beklagte übergeht. Für Uhg gilt nichts anderes (§ 44 Abs 8 AFG). Jede andere Entscheidung würde, was die Beschwerde ebenfalls nicht verkennt, dem Arbeitnehmer für den Kaug-Zeitraum mehr an Sozialleistungen gewähren, als er an Arbeitsentgelt erhalten hätte.
Soweit die Beschwerde für klärungsbedürftig hält, ob vom Arbeitnehmer zu erwarten sei, sein Beschäftigungsverhältnis (gemeint: Arbeitsverhältnis) im Falle des Zahlungsverzuges selbst fristlos zu kündigen, um einen Anspruch auf Kaug zu erzielen, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, weshalb diese Frage im Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Es ist auch nicht ersichtlich, daß es für den klägerischen Anspruch auf höheres Kaug, insbesondere für die Frage des streitigen Kaug-Zeitraums, darauf ankommt, ob von einem Arbeitnehmer erwartet oder gar verlangt werden kann, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen, um einen für ihn günstigeren Kaug-Zeitraum zu erreichen. Das LSG hat hierauf nicht abgestellt; es hat lediglich darauf hingewiesen, daß Arbeitnehmer diese Möglichkeit haben.
Schließlich ist nicht dargelegt, daß der Rechtssache wegen der Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob § 141b AFG in den Fällen gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, in denen der maßgebliche Insolvenzzeitpunkt nach dem Tag der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses liegt. Zwar ist die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht ausgeschlossen, wenn die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift zu klären ist. In einem solchen Fall reicht indes die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift nicht aus. Vielmehr sind inhaltliche Ausführungen erforderlich, denen zufolge nach Maßgabe des Verfassungsrechts ernsthaft zweifelhaft ist, ob das Gesetz dem GG entspricht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11; SozR 3-1500 § 160a Nr 23). Kaug wird nach § 141b Abs 1 Satz 1 AFG für ausstehendes Arbeitsentgelt der letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses und nicht des Beschäftigungsverhältnisses gewährt, die dem Insolvenz-Zeitpunkt vorausgehen. Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, daß er den Arbeitsentgeltausfall nach dem Ende der Beschäftigung einbezieht, wenn das Arbeitsverhältnis andauert, und das Ende des Beschäftigungsverhältnisses dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht gleichsteht. Um die grundsätzliche Bedeutung darzulegen, wären daher Ausführungen erforderlich gewesen, weshalb nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Eigenart der Kaug-Sicherung die allgemeine Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will, in bezug auf den Kaug-Zeitraum eingeschränkt ist (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45). Das ist hier nicht geschehen.
Da die Begründung der Beschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist sie in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen