Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Pflicht des Prozessbevollmächtigten zur fristgemäßen Beschwerdebegründung trotz laufenden PKH-Antrags. keine ausdrückliche Beschränkung der Vertretung auf die Beschwerdeeinlegung. nachträglicher Vorbehalt unbeachtlich. Ablehnung des PKH-Antrags und Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde. sozialgerichtliches Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Allein aus der Beifügung eines PKH-Antrags zur Beschwerdeschrift ergibt sich nicht ohne Weiteres der Vorbehalt des Rechtsanwalts, die Einlegung der Beschwerdebegründung von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig zu machen.

2. Ein solcher Vorbehalt kann auch nicht nachträglich nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erklärt werden.

3. Bringt der Prozessbevollmächtigte, nachdem er Beschwerde eingelegt hat, gegenüber dem Gericht aber nicht rechtzeitig zum Ausdruck, dass er seine Vertretung auf die Einlegung der Beschwerde beschränkt wissen will, so muss er die gesetzliche Frist für die Begründung der Beschwerde einhalten; andernfalls treffen die Folgen der Fristversäumnis seinen Mandanten (vgl BSG vom 22.9.2003 - B 9 VG 18/03 B).

 

Normenkette

SGG § 160a Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 2, § 73 Abs. 2 S. 1, Abs. 6 S. 7, § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 85 Abs. 2, § 114 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 28.07.2020; Aktenzeichen L 3 SB 5/17)

SG Hamburg (Gerichtsbescheid vom 19.01.2017; Aktenzeichen S 54 SB 276/16)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Juli 2020 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung seines Grades der Behinderung (GdB) und den Entzug des gesundheitlichen Merkzeichens G. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 19.1.2017). Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 28.7.2020). Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten, ihm am 6.8.2020 zugestellten Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 7.9.2020 Beschwerde eingelegt und die Begründung innerhalb der Begründungsfrist angekündigt. Als Anlage zu diesem Schreiben war der persönliche Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beigefügt.

Die Beschwerdebegründungsfrist lief am 6.10.2020 ab, ohne dass eine Begründung erfolgte. Die Prozessbevollmächtigte hat lediglich mit einem am 15.10.2020 per Telefax eingegangenen Schreiben vom selben Tag eine vom Kläger selbst verfasste "Begründung des PKH-Antrags" vom 2.10.2020 übersandt. Im Übrigen hat sie mitgeteilt, sie mache "(weiteres) Tätigwerden von der Bewilligung von PKH abhängig" und sei ohne Bewilligung nicht bereit, die Beschwerde fristgerecht zu begründen.

II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Bewilligt werden darf PKH nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur, wenn die mit der Beschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Solche Erfolgsaussichten fehlen hier, weil die Beschwerde mangels rechtzeitiger Begründung unzulässig ist.

Der Kläger war, selbst wenn er zur Bestreitung der Kosten für seine Prozessvertretung vor dem BSG nicht in der Lage sein sollte, nicht deshalb gehindert, die Begründung der Beschwerde rechtzeitig einzureichen. Denn er war bereits bei Einlegung der Beschwerde durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich kein Anhalt für eine Einschränkung der anwaltlichen Vertretung. Bringt aber der Prozessbevollmächtigte, nachdem er Beschwerde eingelegt hat, gegenüber dem Gericht nicht zum Ausdruck, dass er seine Vertretung auf die Einlegung der Beschwerde beschränkt wissen will, so muss er die gesetzliche Frist für die Begründung der Beschwerde einhalten; andernfalls treffen die Folgen der Fristversäumnis seinen Mandanten (Senatsbeschluss vom 22.9.2003 - B 9 VG 18/03 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 30.1.2020 - B 2 U 198/19 B - juris RdNr 4 mwN). So liegt es hier. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit ihrer Beschwerdeschrift eine rechtzeitige Begründung der wirksam eingelegten Beschwerde angekündigt und keine Beschränkung ihrer Vertretungsmacht zum Ausdruck gebracht. Bis zum Ende der von § 160a Abs 2 Satz 1 SGG bestimmten Beschwerdefrist am 6.10.2020 ist diese Begründung jedoch nicht erfolgt.

Der Antrag auf PKH und Beiordnung der Prozessbevollmächtigten ist daher mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzulehnen. Ebenso ist die Beschwerde nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter mangels fristgemäßer Begründung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14375255

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