Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.09.1988) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 1988 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin hat mit dem am 10. November 1988 bei dem Bundessozialgericht (BSG) eingegangen Schriftsatz vom 8. November 1988 die zugelassene Revision gegen das ihr am 14. Oktober 1988 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 1988 eingelegt und mit Schriftsatz vom 8. Dezember 1988 das Rechtsmittel begründet. Beide Schriftsätze sind von den bei der „Vereinigung Trierer Unternehmer im Regierungsbezirk Trier e.V.” (VTU) beschäftigten Assessoren I. B. … und K. R. … unterzeichnet worden, und zwar von Assessor B. … als Geschäftsführer der VTU und von Assessor R. … „i A”. Zum Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ist von dieser allein Assessor B. … bestellt worden. Der Vorsitzende der VTU, deren Mitglied die Klägerin ist, hat mit Schreiben vom 7. Dezember 1988 bestätigt, daß die Assessoren B. … und R. … berechtigt sind, die Mitglieder der VTU vor den Arbeits- und Sozialgerichten, auch vor dem BSG, zu vertreten. Mit Schreiben vom 1. Februar 1989 hat Assessor B. … mitgeteilt, daß er seit dem 16. März 1981 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht Trier und zugleich bei dem Landgericht Trier zugelassen ist und die Zulassung weder zurückgegeben noch erloschen ist.
Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Das Rechtsmittel ist nicht formgerecht eingelegt worden. Die Klägerin war vor dem BSG nicht prozeßordnungsgemäß vertreten.
Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen (§ 166 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Das gilt schon für die Einlegung der Revision. Bereits die Revisionsschrift muß von einem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein (BSG SozR Nr 1 zu § 164 SGG und Nr 5 zu § 166 SGG; BSGE 1, 106, 108 ff; BSG SozR 1500 § 166 Nr 12). Als Prozeßbevollmächtigte sind – neben allen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälten – die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von Vereinigungen der Kriegsopfer zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind (§ 166 Abs 2 SGG).
Es kann davon ausgegangen werden, daß es sich bei der VTU um eine Vereinigung von Arbeitgebern handelt. Nach § 4 ihrer Satzung können Mitglieder der Vereinigung Unternehmer und Unternehmungen werden, die Industrie- oder Großhandelsunternehmen im Regierungsbezirk Trier betreiben sowie andere Unternehmen oder Unternehmungen, die vom Beirat vorgeschlagen sind. Die VTU ist somit gemäß § 166 Abs 2 Satz 1 SGG berechtigt, durch Satzung oder Vollmacht Angestellte mit der Prozeßführung für ihre Mitglieder zu betrauen. Indes ist eine solche Befugnis bis zum letzten Tage der Revisionsfrist den Assessoren B. … und R. … nicht von der VTU übertragen worden.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind nicht alle Angestellten der in § 166 Abs 2 SGG aufgezeigten Verbände als Prozeßbevollmächtigte zugelassen, sondern nur diejenigen, die der Verband mit der Prozeßführung für seine Mitglieder betraut hat. Mit dieser Auswahl soll erreicht werden, daß die Prozeßvertretung nur solchen Angestellten übertragen wird, die nach Überzeugung des Verbandes nach ihren Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet des Sozialrechts hierzu geeignet sind (BSG SozR 1500 § 166 Nr 12). Deshalb ist es erforderlich, daß der Verband eindeutig regelt, welche seiner Angestellten befugt sein sollen, die Prozeßvertretung vor dem BSG zu übernehmen. Das ist hier nicht geschehen.
Aus der Satzung der VTU geht lediglich hervor, daß ihr Vorsitzender nach § 12 Ziff 3 der Satzung zur Führung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet ist. Er vertritt die Vereinigung gerichtlich und außergerichtlich. Eine Bestimmung, nach der Assessor B. … in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Vereinigung zur Prozeßvertretung vor dem BSG befugt ist, enthält die Satzung nicht. Zwar sind nach § 5 Buchst b der Satzung die Mitglieder berechtigt, die Vereinigung für die Vertretung vor den Arbeits- und Sozialgerichten in Anspruch zu nehmen. Eine satzungsrechtliche Befugnis des Geschäftsführers zur Vertretung von Mitgliedern vor dem BSG läßt sich jedoch hieraus nicht ableiten. Das wäre allenfalls dann möglich, wenn der Verband nicht die übernommene Aufgabe auf andere Weise verwirklichen könnte. Das trifft jedoch nicht zu.
Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 1500 § 166 Nr 12), steht es den Verbänden nach § 166 Abs 2 SGG nicht nur frei, die geeigneten Prozeßbevollmächtigten aus dem Kreis ihrer Angestellten und, was hier nicht einschlägig ist, ihrer Mitglieder zu bestimmen. Das Gesetz ermöglicht es ihnen darüber hinaus auch, von einer entsprechenden Regelung in der Satzung abzusehen und es allein dem Vorstand zu überlassen, durch entsprechende einzelne Bevollmächtigungen die erforderliche Zahl von Prozeßbevollmächtigten zu bestellen. Enthält die Satzung hierzu keine abweichende Regelung, so spricht dies dafür, daß dem Vorstand insoweit freie Hand gelassen werden soll. Das entspricht auch der Bestimmung des § 13 der Satzung über die Geschäftsführung. Hiernach haben der oder die Geschäftsführer „die Geschäfte der Vereinigung nach Maßgabe der Satzung und den Beschlüssen der Verbandsorgane in Übereinstimmung mit dem Vorstand zu führen und die Interessen der Vereinigung sowie aller Mitglieder wahrzunehmen. Der oder die Geschäftsführer werden für die Geschäfte der laufenden Verwaltung und den Abschluß von Dienstverträgen, soweit die Dienstvergütung DM … im Monat nicht übersteigt, zu besonderen Vertretern iS von § 30 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestellt. Das Nähere regelt die Dienstordnung”. Über die Befugnisse des Geschäftsführers zur Vertretung vor dem BSG sind hiernach keine konkreten Regelungen getroffen worden. Daß dem Geschäftsführer die Geschäfte der laufenden Verwaltung übertragen werden, ist selbstverständlich. Dadurch wird keine konkrete Befugnis für den Geschäftsführer zur Vertretung der Mitglieder der VTU vor dem BSG begründet. Daran ändert auch die Bestellung des Geschäftsführers zum besonderen Vertreter iS von § 30 BGB nichts. Hiervon werden lediglich die laufenden Verwaltungsgeschäfte und bestimmte Dienstverträge betroffen. Es fehlt somit an einer Satzungsbestimmung, wonach Geschäftsführer des Verbandes zur Prozeßvertretung vor dem BSG befugt sind.
Die Befugnis des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer für die anhängige Revision wirksamen Vollmacht zur Prozeßvertretung gemäß § 166 Abs 2 SGG. Aus Regelungen, die nach der Satzung der Vorstand zu treffen hat, läßt sich eine entsprechende Vollmacht nicht herleiten. Der von der Klägerin vorgelegte Arbeitsvertrag des Geschäftsführers der VTU vom 5./6. November 1979 enthält keine Vereinbarung, die eine entsprechende Schlußfolgerung zuläßt. Sonstige Unterlagen, wie zB eine Geschäftsordnung oder Dienstanweisung der VTU mit entsprechenden relevanten Regelungen, hat die Klägerin nicht vorgelegt. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß solche Regelungen nicht vorhanden sind.
Zwar hat der Vorsitzende der VTU in seinem Schreiben an das BSG vom 7. Dezember 1988 mitgeteilt, es werde bestätigt, daß die Assessoren B. … und R. … berechtigt sind, die Mitglieder der VTU vor den Arbeits- und Sozialgerichten – auch vor dem BSG – zu vertreten. Trotz entsprechenden Hinweises durch den Berichterstatter ist von der Klägerin weder behauptet noch belegt worden, daß eine schriftliche Vollmacht des Vorsitzenden der VTU bereits vor dem 7. Dezember 1988 vorhanden war. Deshalb kann das Schreiben vom 7. Dezember 1988 nur so verstanden werden, daß schriftliche Bevollmächtigungen der Assessoren durch den Vorstandsvorsitzenden bislang nicht erfolgt waren, allenfalls mündliche. Dieses reicht jedoch nicht aus. Der § 166 Abs 2 SGG verlangt nämlich das Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht, auch wenn das nicht ausdrücklich im Gesetz gesagt wird. Schon für die Prozeßvollmacht, die ein Prozeßbeteiligter seinem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten erteilt, verlangt § 73 Abs 2 SGG die Schriftform. Dann muß dies, wie der Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 1500 § 166 Nr 12), erst recht für die Vollmacht gelten, die zum Nachweis der Postulationsfähigkeit gefordert wird.
Allerdings kann in dem Schreiben des Vorsitzenden der VTU an das BSG vom 7. Dezember 1988 eine schriftliche Vollmacht erblickt werden, die jedoch frühestens vom Tage ihrer Ausstellung an wirkt. Zu diesem Zeitpunkt war die Revisionsfrist indes abgelaufen; denn sie endete am 14. November 1988, da das angefochtene Urteil am 14. Oktober 1988 zugestellt worden ist. Die nachträgliche Postulationsfähigkeit wirkt sich nicht mehr zugunsten der Revisionseinlegung aus. Denn die von einem Postulationsunfähigen vorgenommene unwirksame Prozeßhandlung kann nicht durch die spätere Genehmigung eines Postulationsfähigen rückwirkend geheilt werden. Durch eine eigene Prozeßhandlung des Bevollmächtigten hätte sie nur innerhalb der Revisionsfrist ersetzt werden können (BSG SozR Nrn 5, 28, 37 zu § 166 SGG und Nr 46 zu § 164 SGG; SozR 1500 § 160 Nrn 3 und 12).
Am Ergebnis der mangelnden Postulationsfähigkeit des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bis zum Ablauf der Revisionsfrist ändert es nichts, daß er als Rechtsanwalt bei einem deutschen Gericht zugelassen ist. Er ist nämlich bis zum Ablauf der Revisionsfrist nur als Verbandsvertreter aufgetreten und hat sich erst danach als Rechtsanwalt zu erkennen gegeben. Das schließt die Berücksichtigung der Postulationsfähigkeit als Rechtsanwalt aus; denn damit hat der Prozeßbevollmächtigte sich bis zum Ablauf der Revisionsfrist nur auf die Postulationsfähigkeit berufen, die ihm – vermeintlich – im Rahmen der Beschäftigung bei der VTU zukommt, nicht auf die als Rechtsanwalt. Der Zwang, sich vor dem BSG durch Bevollmächtigte vertreten zu lassen, einerseits und der weit gezogene Kreis von Personen andererseits, denen nach § 166 Abs 2 SGG Postulationsfähigkeit verliehen werden kann, machen es erforderlich, daß der Bevollmächtigte, der ein Rechtsmittel einlegen will, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zu erkennen gibt, worauf er seine Postulationsfähigkeit zu stützen gedenkt. Anders ist dem Revisionsgericht nämlich nicht die – insbesondere bei Verbandsvertretern – von Amts wegen erforderliche und vorab vorzunehmende Prüfung möglich, ob das Rechtsmittel überhaupt durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten eingelegt worden ist. Insoweit genügt im allgemeinen, wenn aus dem Schriftsatz ersichtlich ist, daß der Bevollmächtigte Verbandsvertreter oder Rechtsanwalt ist, um die weiteren Prüfungen in Gang zu setzen. Will ein Verbandsvertreter, der gleichzeitig Rechtsanwalt ist, – gegebenenfalls auch – als solcher das Rechtsmittel einlegen, muß er dies ebenfalls rechtzeitig deutlich werden lassen. Wird aus seiner ersten Eingabe nur die Verbandsvertretung deutlich, muß er eindeutig bis zum Ablauf der Revisionsfrist erklären, daß er in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig wird. Unterläßt er dies, muß davon ausgegangen werden, daß er nur Verbandsvertreter ist und allein in dieser Eigenschaft handelt. Hier hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin innerhalb der Revisionsfrist nicht erklärt, er wolle in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß er nur als Verbandsvertreter handeln wollte, zumal ein Auftreten als Rechtsanwalt für Mitglieder der VTU in Vereinsaufgaben ihm möglicherweise aufgrund seines Anstellungsvertrages und dem Standesrecht der Rechtsanwälte untersagt war. Als Verbandsvertreter aber hat er die Revision nicht prozeßordnungsgemäß eingelegt.
Die Klägerin kann sich schließlich nicht darauf berufen, daß es dem Assessor R. … nach § 1 Abs 1 seines Anstellungsvertrages vom 11./13. Januar 1988 unter anderem obliegt, Arbeits- und Sozialgerichtsprozesse für die Mitglieder der VTU zu führen, und er deshalb befugt ist, vor dem BSG aufzutreten; denn diesem Passus kann nicht mit der gebotenen Klarheit entnommen werden, daß er auch vor dem BSG Prozesse der Mitglieder des Verbandes führen sollte. Im übrigen ist Assessor R. … nicht zum Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bestellt worden.
Die Revision ist daher nach allem gemäß § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen