Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 28.09.2017; Aktenzeichen L 11 AS 1067/15)

SG Braunschweig (Entscheidung vom 11.05.2015; Aktenzeichen S 49 AS 801/14)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. September 2017 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Revision vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. zu bewilligen, wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Im Streit steht die Minderung des Alg II der 1991 geborenen, im streitbefangenen Zeitraum mit ihrer 2001 geborenen Schwester und ihrer Mutter zusammenlebenden Klägerin um 100 % für Februar bis April 2014 (Bescheid vom 21.1.2014; Widerspruchsbescheid vom 19.3.2014). Klage und Berufung hiergegen blieben ohne Erfolg (Urteile des SG vom 11.5.2015 und des LSG vom 28.9.2017). Der Minderung stehe ua nicht entgegen, dass die Klägerin trotz des Alters ihrer Schwester vom beklagten Jobcenter keine Sachleistungen von Amts wegen nach § 31a Abs 3 SGB II erhalten habe. Die Sonderregelung für minderjährige Kinder nach dessen Satz 2 schließe nur das Ermessen nach Satz 1, nicht aber dessen Antragserfordernis aus. Einen Antrag habe die Klägerin trotz Belehrung nicht gestellt.

Zur Begründung der vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:

"Es ist in der Literatur und der Rechtsprechung umstritten, ob diese ergänzenden Leistungen dann, wenn minderjährige Kinder im Haushalt des Sanktionierten leben, auch ohne Antrag zu erbringen sind oder tatsächlich nur auf Antrag.

Das Jobcenter muss hier - wie meines Erachtens aus dem Gesetzeswortlaut hervorgeht ('hat zu erbringen') - die Leistungen auch ohne Antrag erbringen.

Denn es würde dem Schutzzweck der Minderjährigen zuwider laufen, wenn diese - meist wehrlos - dem 'Treiben' des Sanktionierten ausgesetzt sind und dieser sich womöglich an den Geldern der Minderjährigen 'bedient', um seinen Lebensstandard zuhalten. Die Sanktion würde sich auf den minderjährigen Hilfeempfänger dann (in)direkt auswirken.

Es kann zudem nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass jemand, der innerhalb eines Jahres mehrere Sanktionen erhält, die dann zu einer 'Vollsanktion' führen, auch kaum in der Lage ist, einen Antrag auf ergänzende Leistungen zu stellen. Dies hätte zur Folge, dass dann die Gelder 'aufgeteilt' werden, die sich in der Haushaltsgemeinschaft/Bedarfsgemeinschaft befinden. Dies dürfte dann zu Lasten der Minderjährigen gehen.

Daher ist hier § 31a Abs. 3 SGB II durch die Urteile des SG Braunschweig und LSG Niedersachsen-Bremen verletzt."

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28.9.2017 und des Sozialgerichts Braunschweig vom 11.5.2015 sowie den Bescheid vom 21.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.3.2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die von der Klägerin fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist nach § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil die Revisionsbegründung vom 22.12.2017 die an sie zu stellenden Zulässigkeitsanforderungen nicht wahrt.

Nach § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG ist die Revision nicht nur fristgerecht, sondern unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen. Die Begründung muss "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlich festgelegten Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert. Danach muss, wenn mit der Revision - wie hier auch - die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, in der Begründung dargelegt werden, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Dazu muss der Vortrag nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffes durch den zugelassenen Prozessbevollmächtigten erkennen lassen (vgl nur: BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22; BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 f - jeweils mwN); diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (dazu bereits BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29).

Eine solche Durcharbeitung lässt das Revisionsvorbringen nicht erkennen. Zwar bezeichnet es eine verletzte Rechtsnorm. Jedoch fehlt jede Angabe zum Inhalt der angegriffenen Entscheidung, deren tragenden Gründen und eine zumindest knappe Auseinandersetzung hiermit. Von dem Verweis auf die Folgen des Ausbleibens von Sachleistungen abgesehen erschöpfen sich die Ausführungen der Klägerin in dem Postulat, dass in einem Fall wie hier - wie ihres Erachtens aus dem Gesetzeswortlaut hervorgehe - ergänzende Leistungen auch ohne Antrag zu erbringen seien. Allerdings hat sich das LSG für seine abweichende Auffassung unter Verweis auf die Abfolge der Grundregel in Satz 1 ("Bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 Prozent kann der Träger auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen") und der Ausnahme in Satz 2 ("Der Träger hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben") ebenfalls auf den Wortlaut des § 31a Abs 3 SGB II berufen. Deshalb wäre in einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen darzulegen gewesen, worauf das Wortlautverständnis des LSG gestützt ist und aus welchen Gründen dem nicht gefolgt werden kann. Daran fehlt es indes schon mangels jeder Befassung mit den maßgeblichen Erwägungen des LSG vollständig.

Dass der Klägerin bis zur Vorlage der Revisionsbegründung PKH noch nicht bewilligt worden war, wie sie auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 6.2.2018 geltend gemacht hat, ändert an den aufgezeigten Erfordernissen nichts. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Auftrag ihres Prozessbevollmächtigten auf die Einlegung der Revision beschränkt war, was dem Revisionsschriftsatz vom 23.11.2017 indes nicht zu entnehmen ist, weshalb die gesetzlichen Anforderungen für die Revisionsbegründung zu wahren waren (vgl BSGE 40, 111 = SozR 1500 § 160a Nr 8; BSG vom 5.8.2002 - B 11 AL 137/02 B - juris).

PKH gemäß § 73a SGG iVm § 114 ZPO ist nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hiernach keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO) ist abzulehnen, weil kein Anspruch auf PKH besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11864755

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