Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bei Kausalitätsfragen
Orientierungssatz
Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage der Bewertung von Unfällen mit innerer Ursache und der Differenzierung von Unfall und sachlichem Zusammenhang und die Einordnung innerer und betrieblicher Ursachen und deren wertende Gegenüberstellung.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 1; RVO § 548 Abs 1 S 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.11.1988; Aktenzeichen L 5 U 19/88) |
Gründe
Die Klägerin ist mit ihrem auf Gewährung von Witwenrente gerichteten Begehren ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 11. November 1985 und vom 30. April 1986; Urteil des Sozialgerichts vom 12. November 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 8. November 1988). Das LSG hat den geltend gemachten Anspruch im wesentlichen mit der Begründung verneint, daß der an einem akuten Herzversagen verstorbene Versicherte keinen Unfall erlitten habe und daß deshalb dem Tod des Versicherten kein Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) vorausgegangen sei.
Zur Begründung ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Außerdem beruhe das Urteil auf einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und auf Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Zugleich beantragt die Klägerin, ihr unter Beiordnung ihrer Prozeßbevollmächtigten Prozeßkostenhilfe zu gewähren.
Prozeßkostenhilfe kann der Klägerin nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a SGG iVm § 114 der Zivilprozeßordnung -ZPO-). Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 SGG liegen nicht vor.
1. Die Klägerin mißt der Bewertung von Unfällen mit innerer Ursache und damit zusammenhängenden Rechtsfragen ("Differenzierung von Unfall und sachlichem Zusammenhang und die Einordnung innerer und betrieblicher Ursachen und deren wertende Gegenüberstellung") grundsätzliche Bedeutung bei. Eine Rechtsfrage hat ua nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie für den vorliegenden Rechtsstreit klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Das ist hier nicht der Fall.
Das LSG hat festgestellt, daß ein anlagebedingtes Leiden (eine ausschließlich innere Ursache) den Tod des Versicherten herbeigeführt hat und daß weder äußere Verletzungen festzustellen noch berufsbedingte Umstände oder Betriebseinrichtungen für den Tod ursächlich waren. Das LSG ist dementsprechend davon ausgegangen, daß der Versicherte überhaupt keinen Unfall erlitten hat. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die unfallversicherungsrechtliche Bewertung von Todesfällen der vorliegenden Art aktuell nicht umstritten. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem und im wesentlichen einhellig vertretenen Auffassung ist ein Unfall ein körperlich schädigendes, zeitlich begrenztes Ereignis (s BSG SozR 2200 § 550 Nr 35 und die zahlreichen Nachweise bei Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 11. Aufl, S 479). Daneben ist erforderlich, daß das Ereignis "von außen" auf den Menschen einwirkt. Damit soll nach der Rechtsprechung lediglich ausgedrückt werden, daß ein aus innerer Ursache, aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis nicht als Unfall anzusehen ist (vgl BSG vom 26. Januar 1982 - 2 RU 45/81 -; Brackmann aaO S 479b mwN). Diese auch vom LSG angewandten Rechtsgrundsätze sind revisionsgerichtlich entschieden, nicht mehr klärungsbedürftig und deshalb auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Die von der Klägerin vorgetragenen neuen Akzente der Rechtsprechung zur Frage des Unfallversicherungsschutzes bei Unfällen aus innerer Ursache betreffen andere - gerade hier vom LSG nicht festgestellte - Sachverhalte, in denen ein Unfall feststand (so BSG SozR 2200 § 548 Nr 75: Sturz auf einer Treppe; BSG aaO Nr 81: Verkehrsunfall als Radfahrer; BSG aaO Nr 84: ungeklärter Unfallverlauf mit schweren Schädelverletzungen; BSG aaO § 550 Nr 35: Sturz mit Infraktur des distalen Radius).
2. Aus diesen Gründen liegt auch eine von der Beschwerdeführerin gerügte Abweichung des LSG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) von den genannten Urteilen des Senats vom 28. Juli 1977 (SozR 2200 § 550 Nr 35) und vom 31. Juli 1985 (SozR 2200 § 548 Nr 75) nicht vor. Diese Entscheidungen sind - wie bereits ausgeführt - mit dem vorliegenden Fall allein schon in tatsächlicher Hinsicht nicht vergleichbar.
3. Die Verfahrensrügen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) der Beschwerdeführerin sind teilweise unbegründet, zum anderen Teil unzulässig.
a) Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, daß die Übergehung eines Antrages, den Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung zu laden, damit er sein Gutachten erläutere und Fragen des Klägers beantworte, einen wesentlichen Mangel des Verfahrens bilden kann (BSG SozR Nr 160 zu § 162 SGG). In diesem auch von der Beschwerdeführerin zitierten Urteil ist das BSG allerdings davon ausgegangen, daß die damalige Klägerin den Antrag, den Gutachter persönlich zu seinen Darlegungen zu hören, hilfsweise nach ihrem Sachantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt hat. Demgegenüber hat die Klägerin zwar in ihrem Schriftsatz vom 11. Oktober 1988 einen entsprechenden Antrag gestellt. Das Gericht ist aber, wie die Klägerin bereits aus der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 8. November 1988 entnehmen konnte, diesem Antrag nicht gefolgt. Die Klägerin hätte deshalb in der maßgebenden mündlichen Verhandlung am 8. November 1988 den Antrag auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zumindest hilfsweise zu dem Sachantrag stellen müssen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat die Klägerin diesen Beweisantrag nicht mehr zur Entscheidung gestellt, sondern nur den Berufungsantrag zur Sache. Dazu hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl Beschlüsse des Senats vom 24. November 1988 - 2 BU 139/88 - und vom 9. Februar 1989 - 2 BU 203/88 - jeweils mwN). Es ist der Sinn der erneuten Antragstellung zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Verhandlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß, wenn es ihnen nicht folgt.
b) Ein von der Beschwerdeführerin gerügter Verstoß gegen die §§ 355, 357 ZPO iV § 202 SGG ist schon deshalb nicht gegeben, weil diese Vorschriften der ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar sind (s Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 118 RdNr 14); vielmehr gelten insoweit die §§ 116, 117 SGG, die gleiche Regelungen enthalten. Selbst wenn man aber davon ausgeht, daß inhaltlich eine Verletzung der Regelungen der §§ 116, 117 SGG durch das LSG gerügt worden ist, ist diese Rüge unbegründet. Die Obduktion ist im Auftrage der Beklagten während des Verwaltungsverfahrens durchgeführt worden. Auch das Obduktionsgutachten ist bereits während des Verwaltungsverfahrens für die Beklagte erstellt worden. Eine Verletzung von für das gerichtliche Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften durch das LSG kommt insoweit nicht in Betracht. Das Gutachten von Prof. Dr. K und das Obduktionsprotokoll sind jedoch als Urkunden in das sozialgerichtliche Verfahren eingeführt worden. Die Klägerin hat die Beiziehung dieser Akten nicht nur mitgeteilt erhalten, sondern auch Akteneinsicht genommen (s das Empfangsbekenntnis der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und deren Schriftsatz vom 26. Juni 1986). Durch die Aktenbeiziehung hat eine Beweisaufnahme stattgefunden. Der Klägerin ist außerdem in der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 8. November 1988 noch einmal mitgeteilt worden, daß die Akten der Beklagten beigezogen worden sind. Es ist deshalb nicht ersichtlich, auf welche darüber hinausgehende "Weise" die in den Akten der Beklagten enthaltenen Urkunden in den Prozeß hätten eingeführt werden sollen, wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung meint.
c) Die Rüge der Beschwerdeführerin, die Tatsachenfeststellungen des LSG seien in mehrfacher Weise lückenhaft und ließen nicht erkennen, worauf sich das LSG gestützt habe, ist unzulässig. Soweit die Klägerin damit eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG rügt, ist diese Rüge nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG unstatthaft. Soweit in diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin auch eine Verletzung des § 103 SGG gerügt sein soll, fehlt es an der Bezeichnung des übergangenen Beweisantrages (s ebenfalls § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Die Urteilsbegründung des LSG läßt zudem eindeutig erkennen, auf welche tatsächlichen Feststellungen das LSG seine rechtliche Beurteilung stützt. Dies ergibt sich insbesondere aus S 7 der Urteilsbegründung.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen