Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 59 020,98 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende GmbH gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen in Höhe von 59 020,98 Euro wegen einer von der beklagten Deutschen Rentenversicherung Westfalen nach einer Betriebsprüfung festgestellten Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. (im Folgenden: Beigeladener) aufgrund Beschäftigung.
Der Beigeladene ist Geschäftsführer der klagenden GmbH, an deren Stammkapital aber nicht beteiligt (Fremdgeschäftsführer). Alleingesellschafterin der Klägerin ist seine Ehefrau. Nach einer Betriebsprüfung stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Westfalen fest, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit für die Klägerin als Fremdgeschäftsführer aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterliege. Sie forderte Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von 59 020,98 Euro nach (Bescheid vom 17.12.2018, Widerspruchsbescheid vom 6.6.2019). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.11.2020). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein zwischen dem Beigeladenen und der Alleingesellschafterin der Klägerin bestehender Treuhandvertrag sei wegen dessen rein schuldrechtlicher Bedeutung für die statusrechtliche Beurteilung eines Fremdgeschäftsführers ohne Bedeutung (Beschluss vom 16.5.2022).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin macht mit ihrer Beschwerde das Vorliegen aller drei Zulassungsgründe (§ 160 Abs 2 Nr 1-3 SGG) geltend, legt aber entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dar.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Die Klägerin wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob eine vertragliche Verbindung des Alleingesellschafters einer GmbH (im Streitfall S B) mit Nichtgesellschaftern (im Streitfall R und M B) zum Zwecke der alleinigen Bestimmung der Ausübung (Tun, Dulden oder Unterlassen) von Mitgliedschaftsrechten des Alleingesellschafters der GmbH an dieser GmbH und zum Zwecke der alleinigen Fruchtziehung aus den Mitgliedschaftsrechten des Alleingesellschafters der GmbH an dieser GmbH durch die Nichtgesellschafter nicht rein schuldrechtlicher Natur ist, sondern dem Gesellschaftsrecht unterfällt, weil durch diese vertragliche Verbindung eine stille Gesellschaft gegründet wurde."
Die Vorinstanzen hätten übersehen, dass die Alleingesellschafterin und der Beigeladene gemeinsam mit einer weiteren Person durch einen "Treuhandvertrag als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB" eine stille Gesellschaft gegründet hätten. Dadurch werde "S B sowohl als Unternehmerin geschaffen, deren einziger Unternehmenszweck der Erwerb der Rechtsstellung als Alleingesellschafterin der Klägerin ist und spiegelbildlich Rechtsmacht für die Herren B, damit auch für den Beigeladenen R B als Geschäftsführer der Klägerin, geschaffen wird, ggü. und in der Klägerin Beschlüsse verhindern zu können, die den Beigeladenen R B als Geschäftsführer der Klägerin beeinträchtigen." Das Unternehmerrisiko habe allein beim Beigeladenen gelegen.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Unabhängig hiervon legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Trotz der umfangreichen Hinweise des LSG - ua auf Seite 13 des angefochtenen Urteils - befasst sich die Klägerin nicht hinreichend mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Versicherungspflicht von Fremdgeschäftsführern und speziell der Auswirkungen von Treuhandverträgen. Demzufolge unterlässt sie die gebotene und erforderliche Darlegung, inwieweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage ergeben sollen (vgl zu Fremdgeschäftsführern und Treuhandverhältnissen: ua BSG Urteile vom 12.5.2020 - B 12 KR 30/19 R - BSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr 47, B 12 R 5/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 50, B 12 R 11/19 R - juris; BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - BSGE 129, 254 = SozR 4-2400 § 7 Nr 46; zur stillen Gesellschaft: ua BSG Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 23/19 R - juris).
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Die Klägerin trägt vor, die angefochtene Entscheidung des LSG weiche von einem Urteil des Senats vom 8.7.2020 (B 12 R 6/19 R - juris) ab. Die Alleingesellschafterin der Klägerin sei vergleichbar mit der Muttergesellschaft und der Beigeladene vergleichbar mit dem Geschäftsführer der Tochter-GmbH in der BSG-Entscheidung. Im Gegensatz zu dieser Entscheidung sei vorliegend sicher, dass der Beigeladene auch Geschäftsführungsaufgaben der stillen Gesellschaft wahrnehme und ihm nicht genehme Beschlüsse verhindern könne. Allein dadurch ist eine entscheidungserhebliche Divergenz nicht in einer den Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechenden Weise dargelegt. Die Klägerin zeigt bereits nicht auf, dass die angefochtene Entscheidung des LSG und das in Bezug genommene Urteil des BSG zum selben Sachverhalt ergangen sind (vgl BSG Beschluss vom 13.12.2017 - B 5 R 256/17 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 18.9.2017 - B 12 R 7/17 B - juris RdNr 9). Ungeachtet dessen hat sie auch nicht dargelegt, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte.
3. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 und BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4, jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 113 ff). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das BSG allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
Die Klägerin rügt, das LSG habe weder die Verbindung der Alleingesellschafterin der Klägerin mit dem Beigeladenen unter der Bezeichnung "Treuhandvertrag als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB" als Gesellschaft noch aufgeklärt, "dass diese gesellschaftsrechtliche Verbindung unmittelbare Rechtsmacht des Beigeladenen R B auf der Gesellschafterversammlung der Klägerin begründete, wodurch er ihm nicht genehme Beschlüsse über seine Position als Geschäftsführer der Klägerin verhindern konnte". Ein entscheidungserheblicher Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist damit nicht bezeichnet. Dass die Klägerin einen Beweisantrag gestellt hätte, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt wäre, ist nicht dargetan.
4. Soweit die Klägerin zusammenfassend eine materielle Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend machen will, genügt ihr entsprechendes Vorbringen nicht den Zulässigkeitsanforderungen. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
7. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15718898 |