Entscheidungsstichwort (Thema)
Methodenstreit über die Ermittlung von Prüfungsmaßstäben
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entscheidung des LSG, welche bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung angewandte Berechnungsmethode es für die "richtige" hält und demgemäß im Urteil verwendet, ist ein Akt rechtlicher Bewertung und kein Weg des prozessualen Verfahrens.
2. Das LSG überschreitet nicht die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung, solange der Kläger nicht die Auswirkungen einer Anwendung seiner Berechnungsmethode anhand konkreter Beispiele darlegt, und wenn der Kläger außerdem nicht darlegt, warum die vom LSG gebilligte Berechnungsweise unter keinen rechtlichen und tatsächlichen Umständen anwendbar gewesen wäre.
Normenkette
SGG § 103 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 12.12.1973; Aktenzeichen L 1 Ka 44/72) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 03.08.1972; Aktenzeichen S 1 Ka 54/71) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Dezember 1973 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Prüfungskommission der Beklagten kürzte u. a. die Honoraranforderungen des als Vertragsarzt an der ersatzkassenärztlichen Versorgung beteiligten Klägers für das III. und IV. Quartal 1969 bei den physikalisch-medizinischen und den Röntgenleistungen sowie für das I. Quartal 1970 bei den physikalisch-medizinischen Leistungen: Er überschreite den Fachgruppendurchschnitt wesentlich, daraus ergebe sich die Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise. Den Widerspruch des Klägers dagegen wies die Beschwerdekommission zurück. Seine Klage vor dem Sozialgericht (SG) blieb erfolglos.
Mit der Berufung brachte der Kläger vor, das SG habe seine Behandlungsweise deshalb als unwirtschaftlich angesehen, weil es angenommen habe, daß zwischen der Höhe seiner Honorarforderungen und den Durchschnittswerten der vergleichbaren Fachpraxen ein Mißverhältnis bestehe. Die Durchschnittswerte habe die Beklagte jedoch in fehlerhafter Weise als arithmetisches Mittel errechnet, zutreffende Erkenntnisse ließen sich hingegen nur bei Anwendung einer geometrischen Mittelwertberechnung erzielen. Dafür berief er sich auf ein Sachverständigengutachten. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen. Es war der Auffassung, daß die Honorarforderungen des Klägers die von der Beklagten ermittelten Durchschnittswerte so erheblich überschritten, daß sie außerhalb des Rahmens angemessener Abweichungen blieben. Die Durchschnittswerte seien nicht zu beanstanden. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob ihnen nur der Abrechnungszeitraum oder die diesem vorausgegangenen Quartale zugrunde gelegen hätten und ob dabei auch die Abrechnungen von Ärzten berücksichtigt worden seien, die nur einen Teil der Quartale praktiziert hätten. Ferner sei es unerheblich, ob die Kosten für physikalisch-medizinische und für Röntgenleistungen außer Betracht geblieben seien, die nicht in eigener Praxis, sondern in fremden Einrichtungen ausgeführt worden wären. Schließlich komme, es auch nicht darauf an, welche Durchschnittswerte in anderen Gebieten ermittelt worden seien, weil auf den Abrechnungsbezirk abgestellt werden müsse. Praxisbesonderheiten, die einen Vergleich mit den Durchschnittswerten ausschlössen, seien nicht feststellbar. Da dem Kläger auch nach der Kürzung noch weit über dem Durchschnitt liegende Beträge verblieben, werde er nicht in seinen Rechten beeinträchtigt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nicht zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) rügt. Er habe bereits in seiner Berufungsschrift die Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber beantragt, daß der Durchschnittswert der fraglichen Leistungen nicht als arithmetisches, sondern als geometrisches Mittel errechnet werden müsse. Dadurch hätten sich günstigere Durchschnittswerte herausstellen und somit für die Frage der Unwirtschaftlichkeit andere Resultate ergeben können. Dem Beweisantrag sei das LSG nicht gefolgt.
Die Revision des Klägers ist nicht zulässig. Ihre Zulässigkeit bestimmt sich nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Fassung (SGG aF), weil das angefochtene Urteil vor dem 31. Dezember 1974 verkündet worden ist (Art. III und VI des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30. Juli 1974 - BGBl I 1625). Die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 164 Abs. 2 SGG aF sind jedoch nicht erfüllt.
Für die Beurteilung der Frage, ob das LSG seine Verpflichtung verletzt hat, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 SGG), ist von der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG auszugehen (BSG 2, 84). Danach ist die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise aus einem Vergleich zwischen Durchschnittswerten aller entsprechenden Fachpraxen im Bereich der Beklagten und den Honoraranforderungen des Klägers zu erschließen. Das LSG hat im angefochtenen Urteil eingehend erörtert, welche Gesichtspunkte es für die Ermittlung des (durchschnittlichen) Vergleichswertes als beachtlich angesehen hat. Soweit es dabei auf die Berechnungsmethode ankommt, hat es, wenn auch ohne ausführliche Darlegungen, aber doch inhaltlich klar erkennbar, die arithmetische Mittelwertberechnung der Beklagten für zutreffend gehalten, während der Kläger die geometrische Methode für die allein richtige hält. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen nachzuprüfen, zu welchen mittleren Werten die vom Kläger bevorzugte Berechnungsmethode führen und ob sich überhaupt ein beachtlicher Unterschied zu den vom LSG verwendeten Mittelwerten herausstellen würde; denn die Entscheidung des LSG, welche Berechnungsmethode es für die "richtige" hielt und demgemäß im Urteil verwendete, ist ein Akt rechtlicher Bewertung und kein Weg des prozessualen Verfahrens. Die Rüge des Klägers geht demgemäß fehl.
Sein Vorbringen richtet sich in Wirklichkeit nicht gegen das Verfahren des LSG, vielmehr liegt der Kern seiner Ausführungen darin, daß die Beklagte "falsche" Mittelwerte verwendet und das LSG sich dieser Auffassung angeschlossen habe. Demgemäß könnte seine Rüge allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Überschreitung des Rechts der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) Bedeutung gewinnen. Sie vermag jedoch auch unter diesem Aspekt keinen Erfolg zu haben. Insoweit hätte der Kläger mindestens darlegen müssen, welche Durchschnittswerte sich auf Grund seiner Berechnungsmethode ergeben hätten, weiterhin, daß er mit seinen Honoraren bei Zugrundelegung dieser Werte im Rahmen der vertretbaren Abweichungsspannen geblieben wäre, und schließlich hätte der Kläger darlegen müssen, warum die vom LSG gebilligte Berechnungsweise unter keinen rechtlichen und tatsächlichen Umständen anwendbar gewesen wäre. An all dem fehlt es jedoch. Die Revision des Klägers war demgemäß als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen