Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. bedarfsunabhängige Zulassung. Teilnahme iS des § 95 Abs 10 S 1 Nr 3 SGB 5

 

Orientierungssatz

Wer selbst nicht in dem erforderlichen Umfang in unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu den Kostenträgern der vertragspsychotherapeutischen Versorgung (KÄV, Krankenkassen) gestanden, sondern lediglich im Innenverhältnis einen anderen Leistungserbringer durch die Durchführung von Diagnose- und Therapieleistungen unterstützt hat, erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal der Teilnahme iS des § 95 Abs 10 S 1 Nr 3 SGB 5.

 

Normenkette

SGB 5 § 95 Abs. 10 S. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.10.2003; Aktenzeichen L 5 KA 4633/01)

SG Freiburg i. Br. (Urteil vom 17.10.2001; Aktenzeichen S 11 KA 713/00)

 

Tatbestand

Die inzwischen bedarfsabhängig als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in L. zugelassene Klägerin begehrt zusätzlich dort die bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin. Mit diesem Begehren ist sie vor den Zulassungsgremien und in den beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Entscheidung darauf gestützt, die Klägerin habe in der maßgeblichen Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 nicht im erforderlichen Umfang an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen (§ 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫). In ihrer zum 1. Februar 1997 gegründeten Praxis seien bis zum Stichtag lediglich 31 anrechnungsfähige Behandlungsstunden erbracht worden. Die von der Klägerin im Auftrag des ärztlichen Leiters des Kinder- und jugendpsychiatrischen Funktionsbereichs einer Klinik erbrachten und von diesem gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) bzw gegenüber den Krankenkassen abgerechneten diagnostischen Leistungen seien nicht zu berücksichtigen (Urteil vom 22. Oktober 2003).

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsurteil weiche von den Grundsätzen ab, die das Bundessozialgericht (BSG) in seinen Urteilen vom 8. November 2000 - ua B 6 KA 22/00 R - aufgestellt habe (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von ihr geltend gemachte Divergenz zwischen den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Rechtssätzen und denjenigen aus der Rechtsprechung des Senats vom 8. November 2000 liegt - wenn insoweit eine zulässige Rüge unterstellt wird - tatsächlich nicht vor.

In seinen Urteilen vom 8. November 2000 (ua BSGE 87, 158 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25) hat der Senat näher erläutert, welche Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der "Teilnahme" iS des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V zu stellen sind. Von dieser Rechtsprechung ist ebenso wie das Sozialgericht auch das LSG in dem Berufungsurteil ausgegangen und hat dargelegt, Behandlungsstunden, die im Auftrag eines anderen Arztes erbracht und allein von diesem gegenüber den Kostenträgern abgerechnet worden seien, könnten bei der Prüfung des Umfangs der "Teilnahme" nicht mit berücksichtigt werden. Ausführungen in den Senatsurteilen vom 8. November 2000, die mit dieser Rechtsaussage in Widerspruch stehen könnten, sind nicht erkennbar.

Im Urteil im Verfahren B 6 KA 46/00 R hat sich der Senat näher mit der Frage auseinander gesetzt, welche psychotherapeutischen Tätigkeiten bei der Prüfung der "Teilnahme" berücksichtigt werden können. Streitgegenstand im Verfahren B 6 KA 46/00 R war die Tätigkeit der dortigen Klägerin im Beauftragungsverfahren. Die Leistungen im Beauftragungsverfahren waren dadurch gekennzeichnet, dass nach § 5 Abs 1 der Psychotherapievereinbarungen in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung eine Person, die sich an einem anerkannten Ausbildungsinstitut in der Zusatzausbildung als psychologischer Psychoanalytiker oder psychologischer Verhaltenstherapeut befindet, unter bestimmten Voraussetzungen mit der Durchführung der jeweiligen Psychotherapie beauftragt werden konnte. Der Senat hat ausgeführt, es erscheine nicht schlechthin ausgeschlossen, dann, wenn die zentrale Voraussetzung der Tätigkeit in niedergelassener Praxis erfüllt sei, bei der Prüfung des quantitativen Umfangs der Teilnahme an der psychotherapeutischen Versorgung während des Zeitfensters jedenfalls solche Behandlungsstunden mit zu berücksichtigen, die - wenn auch noch im Beauftragungsverfahren - schon in eigener Praxis erbracht und selbstständig abgerechnet worden sind (Urteil vom 8. November 2000 - B 6 KA 46/00 R, Umdruck S 23). Anhaltspunkte dafür, dass eine Psychotherapeutin die Voraussetzungen der "Teilnahme" mit Behandlungsstunden erfüllen kann, die sie lediglich im Auftrag einer anderen Institution oder eines anderen Therapeuten unter dessen Verantwortung erbracht und nicht selbst gegenüber den Kostenträgern abgerechnet hat, sind diesem Urteil nicht zu entnehmen. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin steht in Widerspruch zu den tragenden Aussagen der Senatsurteile vom 8. November 2000, wonach die Voraussetzungen der "Teilnahme" dann erfüllt sein können, wenn sich der Psychotherapeut mit eigenständigen Behandlungsleistungen gegenüber Versicherten der Krankenkassen eine berufliche Existenzgrundlage geschaffen hat (BSGE 87, 158, 165 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 112). Wer selbst nicht in dem erforderlichen Umfang in unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu den Kostenträgern (KÄV, Krankenkassen) gestanden, sondern lediglich im Innenverhältnis einen anderen Leistungserbringer durch die Durchführung von Diagnose- und Therapieleistungen unterstützt hat, kann diese Voraussetzung nicht erfüllen.

Soweit das Vorbringen der Klägerin dahin verstanden werden muss, dass sie neben der Divergenz weiterhin geltend machen will, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG), hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg. Die einzige einer generellen Klärung im Revisionsverfahren zugängliche Frage, ob Diagnoseleistungen, die eine Therapeutin nicht selbst gegenüber den Kostenträgern abgerechnet, sondern lediglich im Namen eines anderen Therapeuten erbracht hat, als "Teilnahme" an der vertragsärztlichen Versorgung iS des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V gewertet werden können, ist auf dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des BSG ohne weiteres zu verneinen. Insoweit bedarf es der Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht. Im Übrigen kommt unter Härtegesichtspunkten den Umständen des Einzelfalls erhebliche Bedeutung zu; die insoweit jeweils maßgeblichen Erwägungen entziehen sich jedoch einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass, bezogen auf den nunmehr zehn bzw sieben Jahre zurückliegenden Zeitraum von Mitte 1994 bis Mitte 1997, noch in größerem Umfang Streitfragen hinsichtlich der bedarfsunabhängigen Zulassung von Psychologischen Psychotherapeuten zu entscheiden sind, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt das Bedürfnis nach einer (erneuten) höchstrichterlichen Entscheidung nicht besteht.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1755846

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