Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. bedarfsunabhängige Zulassung bzw Ermächtigung. Mindestbehandlungsstunden innerhalb des Zeitfensters. Neugründung einer Praxis. Vergütung der Behandlungsstunden durch gesetzliche Krankenkassen
Orientierungssatz
1. Der um eine bedarfsunabhängige Zulassung bzw Ermächtigung nachsuchende Psychologische Psychotherapeut muss eine dauerhafte Behandlungspraxis als niedergelassener Psychotherapeut von mindestens sechs bis zwölf Monaten und innerhalb diese Zeitraums mindestens 250 Behandlungsstunden ambulanter psychotherapeutischer Behandlungstätigkeit ausgeübt haben (vgl BSG vom 8.11.2000 - B 6 KA 52/00 R = BSGE 87, 158 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25).
2. Unter Härtefallgesichtspunkten kann das Merkmal "Teilnahme" auch dann erfüllt sein, wenn für mindestens sechs Monate während des Zeitfensters keine annähernd halbtätige Behandlungstätigkeit von Versicherten der Krankenkassen in eigener Praxis nachgewiesen ist, wenn diese erst zu Beginn oder im Frühjahr des Jahres 1997 neu gegründet worden ist (vgl BSG vom 8.11.2000 - B 6 KA 52/00 R aaO).
3. Das Tatbestandsmerkmal der "Teilnahme" in § 95 Abs 10 und 11 S 1 SGB 5 kann nur durch Behandlungsleistungen erfüllt werden, die auch bis zum 24.6.1997 oder mit einer durch die Abrechnung bedingten kurzen Verzögerung von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet worden sind.
Nachgehend
Tatbestand
Umstritten ist die bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie.
Die 1948 geborene Klägerin schloss 1976 ihr Studium der Psychologie mit dem Diplom ab. Im Verwaltungsverfahren gab sie an, seit März 1995 in niedergelassener Praxis als Psychologische Psychotherapeutin tätig zu sein, seit Februar 1996 am sogenannten Erstattungsverfahren teilgenommen und vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 (so genanntes Zeitfenster) insgesamt 245 abgerechnete und 157 nicht abgerechnete Behandlungsstunden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht zu haben. Im Januar 1999 erhielt sie ihre Approbation als Psychologische Psychotherapeutin.
Den im Dezember 1998 gestellten Antrag der Klägerin, ihr eine bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zu erteilen, lehnte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 22. Juni 1999 mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht in ausreichendem Maße an der Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss vom 31. Mai 2000 zurück. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen eines Anspruchs auf bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung. Bis zum 24. Juni 1997 habe sie 245 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV erbracht. Sie habe sich damit nicht das Privileg eines Rechtsanspruchs auf eine bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung erarbeitet.
Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie entgegen der Ansicht des Beklagten an der ambulanten Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen habe. Sie habe mehr als 250 Stunden im Zeitfenster zu Lasten der GKV erbracht und müsse deshalb aus Gleichbehandlungsgründen zur Versorgung zugelassen bzw. ermächtigt werden. Im Übrigen sei in ihrem Fall wegen ihres Alters die Voraussetzungen eines Härtefalles gegeben.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 5. Juni 2002 abgewiesen. Die Klägerin habe nicht an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen, weil sie gesetzlich gegen Krankheit Versicherte nicht in ausreichendem Umfang behandelt habe. Notwendig sei ein Behandlungsumfang, der annähernd einer halbtägigen Tätigkeit entsprochen haben müsse. Demgegenüber habe die Klägerin im Zeitfenster lediglich 253 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV erbracht und abgerechnet. Dies entspreche einem Behandlungsumfang von weniger als 4,74 Behandlungsstunden wöchentlich. Sie habe sich daher im Zeitfenster keine schützenswerte Substanz aufgebaut, die es geböte, sie bedarfsunabhängig zuzulassen bzw. zu ermächtigen. Ohne Bedeutung sei in diesem Zusammenhang das Alter der Klägerin und ob sie ihre Praxis in einer Eigentumswohnung betreibe.
Gegen das ihr am 12. Juli 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. August 2002 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass die von ihr im sog. Zeitfenster zu Lasten der GKV erbrachten 253 Behandlungsstunden ausreichend seien, um die Voraussetzung der "Teilnahme" an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV im Sinne des Gesetzes zu erfüllen. Eine schematische Feststellung des Vorliegens eines Härtefalles, im Wesentlichen anhand der von den Krankenkassen bezahlten Behandlungsstunden, werde den Anforderungen des Gesetzes nicht gerecht. Neben weiteren 149 Behandlungsstunden, die noch nicht bezahlt worden seien, müsse zudem berücksichtigt werden, dass sie erst beginnend ab Februar 1996 Ver...