Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. März 1995 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten deren außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger, ein Hautarzt, ist seit 1972 zur kassen- und vertragsärztlichen (nunmehr einheitlich: vertragsärztlichen) Versorgung zugelassen. Seit dem Quartal IV/73 sind gegen ihn in einer Vielzahl von Quartalen sowohl im Primärkassen- als auch im Ersatzkassenbereich Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise festgesetzt worden. Mit Schreiben vom 16. Juni 1992 beantragte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) beim Disziplinarausschuß die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger. Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger sei am 20. Juni 1981 und am 13. Juli 1987 wegen ständiger Unwirtschaftlichkeit schriftlich abgemahnt worden. Am 11. September 1989 sei eine persönliche Abmahnung erfolgt. Nach diesem Abmahngespräch seien jedoch wieder Honorarkürzungen und Arzneiregresse ausgesprochen worden; so seien im Primärkassensektor die Kürzungsbescheide in den Quartalen IV/89, I/90, III/90 und IV/90 sowie I/91 und II/91 bestandskräftig geworden. Im Ersatzkassensektor seien Kürzungsbescheide in den Abrechnungsquartalen I/90 und IV/90 sowie I/91 und III/91 bestandskräftig geworden. Durch Bescheid vom 2. März 1993 beschloß der Disziplinarausschuß bei der Beklagten (Verwaltungsstelle Dortmund), den Kläger wegen ständiger Unwirtschaftlichkeit auf dem Primärkassen-Sektor in den Quartalen IV/89 bis I/90, III/90 bis II/91 und I/92 (Honorar) sowie auf dem Ersatzkassen-Sektor in den Quartalen I/90, IV/90 bis I/91, III/91 und I/92 (Honorar) sowie in dem Quartal IV/89 (Arzneien) mit einem Verweis und einer Geldbuße in Höhe von 1.500,00 DM zu belegen.
Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Er macht geltend, das Landessozialgericht (LSG) habe in mehrfacher Hinsicht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigt und seiner Entscheidung Rechtsansichten zugrunde gelegt habe, die vorher nicht Gegenstand der Erörterung gewesen seien. Die erhobenen Rügen greifen jedoch nicht durch.
Zu Unrecht beanstandet der Kläger, das Berufungsgericht habe nicht ohne vorherigen rechtlichen Hinweis davon ausgehen dürfen, daß das Antragsschreiben vom 16. Juni 1992 eine hinreichende Begründung für die Einleitung des gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahrens enthalte (Punkt 1 der Beschwerdebegründung). Der Einwand, durch diese rechtliche Bewertung habe der Rechtsstreit eine neue, für die Beteiligten überraschende Wendung erhalten, ist nicht nachvollziehbar. Die Beschwerde weist selbst darauf hin, daß die Frage, ob dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) bei der Entscheidung über die Beantragung eines Disziplinarverfahrens Ermessen eingeräumt ist, Gegenstand schriftsätzlicher Erörterung gewesen und in diesem Zusammenhang das Fehlen ausreichender Ermessenserwägungen in dem an den Disziplinarausschuß gerichteten Antrag ausdrücklich moniert worden war. Damit war der umstrittene Gesichtspunkt angesprochen und zur Entscheidung gestellt. Der in Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) und in § 62 SGG verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nicht generell, seine Auffassung zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen vorab bekanntzugeben oder darauf hinzuweisen, daß es einem bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Vorbringen eines Beteiligten nicht folgen will. Das Urteil darf nur nicht auf solche Gesichtspunkte gestützt werden, die bisher überhaupt nicht erörtert wurden oder deren Heranziehung aus anderen Gründen von den Beteiligten nicht vorhergesehen werden konnte. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Das LSG hat eine ausreichende Begründung der Entscheidung des Vorstands der Beklagten zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens darin gesehen, daß in dem erwähnten Antragsschreiben auf bestandskräftig gewordene Kürzungsbescheide der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung in den Quartalen IV/89 bis III/91 verwiesen und damit deutlich gemacht worden sei, daß eine fortwährende Unwirtschaftlichkeit bei der Behandlung sowohl der Primärkassen- als auch der Ersatzkassenpatienten zu dem Antrag geführt habe. Ungeachtet der Frage, ob an den Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens überhaupt die für Verwaltungsakte geltenden Begründungsanforderungen gestellt werden können, ist die Interpretation des LSG so naheliegend, daß die Beteiligten sich darauf ohne weiteres einstellen konnten. Daß das Berufungsgericht im Vorfeld seiner Entscheidung gegenüber den Beteiligten den Eindruck erweckt hätte, es neige in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu einer anderen Auffassung, als es sie später in dem angefochtenen Urteil tatsächlich vertreten hat, trägt die Beschwerde nicht vor.
Der Vorwurf, die Begründung des angefochtenen Urteils stelle sich als unzulässige Überraschungsentscheidung dar, trifft auch in den anderen vom Kläger angeführten Punkten nicht zu. Die Frage, ob der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Disziplinarverfahrens durch die Teilnahme der bei der Beklagten angestellten Juristen Assessor G. … und Verwaltungsdirektor S. … an der Sitzung des Disziplinarausschusses verletzt worden ist (Punkte 3 und 4 der Beschwerdebegründung), war ebenfalls bereits schriftsätzlich aufgeworfen und diskutiert worden. Auch hierzu enthält das angefochtene Urteil keine Ausführungen, durch die der Prozeß eine unerwartete Wendung genommen hätte. Allein daraus, daß das Berufungsgericht den rechtlichen Argumenten des Klägers nicht gefolgt ist, ohne seine eigene, anderslautende rechtliche Beurteilung zuvor anzukündigen, folgt entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Verfahrensrecht hat das LSG auch nicht dadurch verletzt, daß es sich in den Urteilsgründen nicht mit allen Einwänden des Klägers gegen die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Disziplinarentscheidung ausdrücklich befaßt hat. Das Gericht muß sich nicht mit jedem Parteivorbringen auseinandersetzen, insbesondere wenn es offensichtlich unerheblich ist oder wenn sich aus dem Urteil zweifelsfrei ergibt, daß das Gericht das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für unerheblich gehalten hat. Nur wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles ergibt, daß wesentlicher Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen worden ist, ist das Recht auf Gehör verletzt (vgl zuletzt BVerfG-Beschluß vom 7. Oktober 1996 – 1 BvR 520/95 – NJW 1997,122).
Auf die Frage der Zulässigkeit der Teilnahme des für Disziplinarangelegenheiten zuständigen Vorstandsmitglieds Dr. H. … und des Verwaltungsdirektors Schapelar an der Sitzung des Disziplinarausschusses (Punkte 2 und 4 der Beschwerdebegründung) ist das LSG in den Urteilsgründen ausdrücklich eingegangen. Es ist deshalb offenkundig, daß es die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers zur Kenntnis genommen und für unerheblich gehalten hat. Dasselbe gilt für die Fragen, ob die Ermessensentscheidung über die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens ausreichend begründet worden ist und ob bei der Festsetzung der Höhe der verhängten Geldbuße Änderungen in der Praxisstruktur berücksichtigt werden mußten (Punkte 5 und 6 der Beschwerdebegründung). Das Berufungsgericht hat sich sowohl zur Ermessensproblematik als auch zur Höhe der Disziplinarstrafe geäußert, so daß auch insoweit kein Zweifel bestehen kann, daß es das Klage- und Berufungsvorbringen gekannt und in seine rechtliche Würdigung einbezogen hat. Unschädlich ist schließlich, daß das LSG nicht auf den Einwand eingegangen ist, der Disziplinarbescheid sei rechtswidrig, weil in ihm entgegen § 16 Abs 6 der Disziplinarordnung der Beklagten die Namen der Verfahrensbeteiligten und ihrer Beistände nicht angegeben seien (Punkt 7 der Beschwerdebegründung). Die entsprechenden Namensangaben finden sich in der Sitzungsniederschrift, in der auch der Beschluß des Disziplinarausschusses niedergelegt ist. Die Auffassung, sie hätten in dem den Beschluß umsetzenden Disziplinarbescheid wiederholt werden müssen, ist offensichtlich unbegründet und mußte vom LSG nicht eigens widerlegt werden.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen