Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Disziplinarmaßnahme. wiederholter Verstoß gegen Wirtschaftlichkeitsgebot. Disziplinarausschuß. Ermessen. Auswahl der Disziplinarmittel. gerichtliche Überprüfung
Orientierungssatz
1. Ein Disziplinartatbestand liegt dann vor, wenn der Vertragsarzt wiederholt und nachhaltig gegen das in §§ 2 Abs 4, 12 Abs 1 und 72 Abs 2 SGB 5 verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat, daß er als Vertragsarzt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung beachten muß.
2. Der Disziplinarausschuß hatte bei der Auswahl der Disziplinarmittel nach seinem Ermessen zu entscheiden (vgl BSG vom 3.9.1987 - 6 RKa 30/86 = BSGE 62, 127 = SozR 2200 § 368m Nr 3). Eine solche Entscheidung kann von den Gerichten nur in beschränktem Umfang überprüft werden.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen eine ihm vom Disziplinarausschuß der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KV SH) erteilte Verwarnung.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1977 als Internist und Rheumatologe in Kiel niedergelassen und zur (kassen- und) vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis 1983 war er in einer Praxisgemeinschaft tätig. Nach vorübergehender Einstellung seiner Tätigkeit ließ er sich im Jahre 1984 in K erneut nieder. Seit April 1988 betreibt er seine Praxis in K. Das Schwergewicht seiner Tätigkeit liegt eigenen Angaben zufolge in der Rheumatologie.
Am 20. Oktober 1987 wurde mit dem Kläger ein kollegiales Gespräch geführt, nachdem er in 8 zurückliegenden Quartalen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise auf dem Laborsektor -- teils im Primärkassen-Bereich, teils im Ersatzkassen-Bereich -- aufgefallen war. In der Folgezeit kam es im Primärkassen-Bereich in den Quartalen II/88 und III/88 erneut zu Prüfabstrichen von 260 DM und 280 DM. Die nachfolgenden 6 Quartale (IV/88 bis I/90) blieben kürzungsfrei. Vom Quartal II/90 an wurden für jedes Quartal im Primärkassen-Bereich wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Basis-Labors Kürzungsmaßnahmen erforderlich. Bei einem fiktiven Punktwert von 0,10 DM betrugen die Prüfabstriche 1.476 DM (II/90), 4.400 DM (III/90), 1.600 DM (IV/90), 5.500 DM (I/91), 4.700 DM (II/91), 5.300 DM (III/91) und 3.400 DM (IV/91). Die Kürzungsbescheide für die Quartale bis einschließlich I/91 nahm der Kläger hin, die die Folgequartale betreffenden Bescheide focht er jeweils an.
Mit Abmahnungsschreiben vom 12. September 1991 wies der stellvertretende Vorsitzende der Beklagten den Kläger auf das Gebot wirtschaftlicher Behandlungsweise hin, gab ihm noch einmal Gelegenheit zur Umstellung seiner Arbeitsweise und kündigte Disziplinarmaßnahmen für den Fall an, daß die Ergebnisse der Quartalsabrechnungen ab IV/91 dem Wirtschaftlichkeitsgebot wiederum nicht gerecht werden sollten. Falls Praxisbesonderheiten vorlägen, möge der Kläger diese umgehend mitteilen und auch den Prüfgremien zur Kenntnis bringen. Mit am 30. September 1991 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben machte der Kläger als Praxisbesonderheiten eine Vielzahl von "sonst nicht so häufigen" Krankheitsbildern und multimorbiden Patienten geltend. Der stellvertretende Vorsitzende gab ihm daraufhin nach Durchsicht der Unterlagen "in einer ganz persönlichen Stellungnahme" ein paar kollegiale Hinweise hinsichtlich der Honorarabrechnung (Schreiben vom 16. Oktober 1991). Nachdem es für das Quartal IV/91 zu einer Honorarkürzung in Höhe von 3.400 DM (fiktiv) im Primärkassen-Bereich in der Leistungssparte Basis-Labor gekommen war, eröffnete der Disziplinarausschuß der Beklagten gegen den Kläger auf Antrag des Vorstandes mit Schreiben vom 27. Mai 1992 ein Disziplinarverfahren. Mit Beschluß vom 29. Oktober 1992 wurde dem Kläger eine Verwarnung erteilt. Die Maßnahme begründete der Disziplinarausschuß im wesentlichen damit, der Kläger habe sich, wie sich aus den bestandskräftig gewordenen Prüfbescheiden ergebe, des unwirtschaftlichen Abrechnungsverhaltens schuldig gemacht und sei deswegen durch Verhängung einer Disziplinarmaßnahme zu zukünftig pflichtgemäßem kassenärztlichen Verhalten anzuhalten. Der Disziplinarbescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 29. März 1993 zugestellt.
Der Kläger hat am 8. April 1993 Klage bei dem Sozialgericht Kiel erhoben. Zur Begründung hat er im wesentlichen vorgetragen: Der gegen ihn erhobene Vorwurf der fortlaufenden unwirtschaftlichen Behandlungsweise sei ungerechtfertigt, da seine Praxis erhebliche Besonderheiten auf dem Gebiet der Rheumatologie aufweise. Er habe lediglich versäumt, von seinem Recht auf Widerspruch gegen die die Quartale II/90 bis I/91 betreffenden Kürzungsbescheide Gebrauch zu machen. Die Konsequenz, daß ihm hieraus ein Disziplinarverfahren erwachsen könnte, sei ihm erst aufgrund des Abmahnungsschreibens der Beklagten vom 12. September 1991 bewußt geworden. Da die Kürzungsbescheide für die Quartale ab II/91 nicht bestandskräftig geworden seien, stehe nicht fest, ob er sich unwirtschaftlich verhalten habe und ob nach dem Abmahnungsschreiben in seinem Abrechnungsve...