Leitsatz (amtlich)
Behörden sind im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gebührenpflichtig. Ein Zulassungsausschuß für Ärzte hat daher keine Pauschgebühr nach SGG § 184 zu entrichten.
Normenkette
SGG § 184 Fassung: 1953-09-03
Tenor
In Sachen ...
wird auf die Erinnerung des Revisionsbeklagten die Gebührenfeststellung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 7. Januar 1957 - Kassenzeichen: KSK 3250/56 - aufgehoben.
Gründe
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat durch Zustellung eines Auszugs aus dem Gebührenverzeichnis vom 7. Januar 1957 von dem beklagten Zulassungsausschuß die Gebühr für die Streitsache nach § 184 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 1 der Verordnung (VO) vom 31. März 1955 (BGBl. I S. 120) in Höhe von ... DM gefordert. Der Bescheid ist dem beklagten Zulassungsausschuß am 14. Januar 1957 zugegangen. Der Zulassungsausschuß hat mit Schreiben vom 2. Februar 1957 - beim Bundessozialgericht (BSG.) am 4. Februar 1957 eingegangen - Erinnerung gegen die Feststellung des Urkundsbeamten eingelegt.
Die Erinnerung ist zulässig (§ 189 Abs. 2 Satz 2 SGG). Sie ist auch begründet.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nach § 183 SGG grundsätzlich gebührenfrei. Als Ausnahme von dem Grundsatz der Kostenfreiheit schreibt § 184 Abs. 1 Satz 1 SGG vor, daß Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts für jede Streitsache, an der sie beteiligt sind, eine Gebühr zu entrichten haben. Die Zulassungsausschüsse sind schon deshalb weder Körperschaften noch Anstalten des öffentlichen Rechts, weil sie keine körperschaftliche oder anstaltliche Organisation besitzen.
Mit den Trägerinstitutionen der Zulassungsausschüsse, die ihrerseits zwar Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, können die Zulassungsausschüsse nicht identifiziert werden. Sie sind zwar gemeinsame Einrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landesverbände der Krankenkassen, erfüllen aber ihren gesetzlichen Auftrag mit unmittelbarer Wirkung für die beteiligten Selbstverwaltungskreise selbständig in eigener Zuständigkeit (vgl. Beschl. des BSG. vom 22. November 1956 in "Sozialrecht" SGG § 184 Bl. Da 4). Deshalb besagt die Tatsache, daß die Trägerinstitutionen der Zulassungsausschüsse Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, noch nichts für die rechtliche Stellung der Zulassungsausschüsse selbst. Ebensowenig vermag der Umstand, daß die Verwaltungskosten der Zulassungsausschüsse von den Trägerinstitutionen aufzubringen sind, eine Kostenpflicht der Zulassungsausschüsse zu begründen; so wenig diese Aufbringungspflicht die Trägerinstitutionen zu Beteiligten des Verfahrens vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit macht, so bedeutungslos ist sie für die rechtliche Selbständigkeit der Zulassungsausschüsse und deren Gebührenpflicht als Folge ihrer Verfahrensbeteiligung.
Die Zulassungsausschüsse sind Behörden, wie der Senat zu §§ 70 Nr. 3 und 193 Abs. 4 SGG entschieden hat (vgl. BSG. 2, 201 (203) und 3,92 (93)). Eine erweiternde Auslegung des § 184 Abs. 1 SGG, die auch die Behörden in den Geltungsbereich dieser Vorschrift einbezieht, ist nicht angängig.
Die Nichterwähnung der "Behörden" in § 184 Abs. 1 SGG - in Fortführung dieses Gedankens auch in § 187 SGG - kann nur als der Wille des Gesetzes verstanden werden, die Behörden von der Kostenregelung in § 184 Abs. 1 SGG auszuschließen; denn das SGG pflegt die "Behörden" in den Vorschriften, die auch für diese gelten sollen, ausdrücklich mitaufzuführen (vgl. als Kostenvorschrift § 193 Abs. 4 SGG und in anderen Zusammenhängen §§ 54 Abs. 2, 149, 166 Abs. 1 und 200 SGG). Die Miterwähnung der "Behörden" in § 184 Abs. 1 SGG hätte, falls sich die Kostenregelung auch auf diese erstrecken sollte, um so näher gelegen, als es sich bei dieser Vorschrift um eine belastende Ausnahmebestimmung handelt, die eine erweiternde Auslegung grundsätzlich nicht zuläßt.
Schließlich ist zu berücksichtigen, daß das SGG das Kostenrecht offenbar in Anlehnung an die vor dem Inkrafttreten des SGG gültigen Grundsätze der Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt hat (vgl. für § 193 Abs. 4 SGG BSG. 3,92 (93 f)). Es hat davon abgesehen, die Kostengrundsätze der Reichszulassungsordnung vom 17. Mai 1934 (RGBl. I S. 399) zu übernehmen; nach § 55 Abs. 2 der genannten Zulassungsordnung war in Zulassungsstreitigkeiten - außer in den Fällen des Abs. 1 - dem unterlegenen Beteiligten (Arzt oder kassenärztliche Vereinigung Deutschlands) eine bestimmte Gebühr aufzuerlegen. Das SGG hat vielmehr an § 80 RVO (alter Fassung) angeknüpft, wonach nur die Versicherungsträger im Spruchverfahren vor den Versicherungsbehörden kostenpflichtig waren. Behörden waren in diesem Verfahren unter der Herrschaft des § 80 RVO a. F. nicht kostenpflichtig (vgl. Mitglieder-Komm. z. RVO 2. Aufl. Anm. 2 zu § 80). In sinngemäßer Bestätigung dieser Auffassung führt deshalb die amtliche Begründung zu § 131 (jetzt § 184 SGG) des Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit (Bundestags-Drucks. Nr. 4357/1929 S. 32) nur "die Träger der Sozialversicherung und die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung" als gebührenpflichtig auf, womit zwar nicht eine erschöpfende Aufzählung erfolgt ist, die möglichen Gebührenschuldner aber der Kategorie nach - nämlich Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts - gekennzeichnet sind.
Nach alledem unterliegt der Zulassungsausschuß nach der geltenden gesetzlichen Regelung nicht der in § 184 Abs. 1 SGG festgesetzten Gebührenpflicht.
Der Erinnerung ist daher stattzugeben.
Fundstellen