Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Nachfolgezulassungsverfahren. Voraussetzung für Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes im Planungsbereich mit Zulassungsbeschränkungen
Orientierungssatz
1. Der Vertragsarztsitz eines Arztes, dessen Zulassung endet, darf im Planungsbereich mit Zulassungsbeschränkungen nur ausgeschrieben und neu besetzt werden, wenn noch eine ärztliche Praxis vorhanden ist, die von einem Nachfolger fortgeführt werden kann (vgl BSG vom 29.9.1999 - B 6 KA 1/99 R = BSGE 85, 1 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5).
2. Für ein Nachfolgeverfahren ist kein Raum, wenn sich an die Auflösung einer Gemeinschaftspraxis eine längere Zeit des Ruhens der Zulassung des aus dieser Praxis ausgeschiedenen Mitglieds anschließt (vgl BSG vom 29.9.1999 - B 6 KA 1/99 R aaO).
Normenkette
SGB 5 § 103 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und auf Beiordnung von Rechtsanwalt Prof. Dr.,
wird abgelehnt.
Gründe
Die Klägerin ist approbierte psychologische Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin. Sie war bis zum 31.12.2006 in F. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen; ihre Zulassung hat in den Jahren 2004 bis 2006 aus Krankheitsgründen geruht, ihre letzte Abrechnung gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) stammt aus dem Quartal III/2002.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Ausschreibung ihres Psychotherapeutensitzes gemäß § 103 Abs 4 SGB V mit der Begründung ab, im Hinblick auf die tatsächliche Nichtausübung der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit der Klägerin bestehe eine fortführungsfähige Praxis nicht mehr. In dem nach erfolglosem Widerspruchsverfahren eingeleiteten Klageverfahren hat das Sozialgericht die Beklagte zur Ausschreibung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.8.2009).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil. Vor Vorlage einer Beschwerdebegründung beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu ihrer Vertretung.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn eine Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Da die Klägerin von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) lebt und das durch Vorlage eines aktuellen Bewilligungsbescheides des "Rhein-Main Job-Center" nachgewiesen hat, ist die Voraussetzung der Bedürftigkeit nach § 114 Satz 1 ZPO erfüllt. Die Rechtsverfolgung bietet aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Das LSG hat sein Urteil, wonach die Klägerin keinen Anspruch auf Ausschreibung ihrer Praxis nach § 103 Abs 4 SGB V durch die Beklagte hat, damit begründet, dass im Hinblick auf die langjährige Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch die Klägerin eine fortführungsfähige Praxis nicht mehr bestehe. Dieser Erwägung liegt die tatsächliche Feststellung iS des § 163 SGG zugrunde, dass die Klägerin vertragsärztliche Leistungen zuletzt im Quartal III/2002 abgerechnet hat und anschließend im Hinblick auf ihre schwere Erkrankung, die auch die Anordnung einer Betreuung erforderlich gemacht hat, keine Praxis mehr hat führen können. Praxisräume sind ebenso wenig vorhanden wie ein Patientenstamm.
Soweit das Berufungsgericht aufgrund dieser Feststellungen in rechtlicher Hinsicht angenommen hat, eine Nachfolgezulassung iS des § 103 Abs 4 SGB V, die durch die von der Beklagten begehrte Ausschreibung des Vertragsarztsitzes der Klägerin vorbereitet werden soll, sei nicht möglich, steht das nach der im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 114 Satz 1 ZPO möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats. In seinem vom LSG ausführlich zitierten Urteil vom 29.9.1999 (BSGE 85, 1 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5) hat der Senat entschieden, dass der Vertragsarztsitz eines Arztes, dessen Zulassung endet, im Planungsbereich mit Zulassungsbeschränkungen nur ausgeschrieben und neu besetzt werden darf, wenn noch eine ärztliche Praxis vorhanden ist, die von einem Nachfolger fortgeführt werden kann. Dass diese Voraussetzungen hier in tatsächlicher Hinsicht nicht erfüllt sind, hat die anwaltlich vertretene Klägerin auch im Berufungsrechtszug nicht in Frage gestellt. In rechtlicher Hinsicht umstritten ist allein, ob der Umstand, dass die Zulassung der Klägerin krankheitsbedingt zumindest seit dem 1.1.2004 für drei Jahre geruht hat, eine andere Beurteilung zur Folge haben muss.
Die Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde beurteilen sich jedoch nicht in erster Linie danach, wie diese Rechtsfrage im konkreten Fall zu beantworten wäre, sondern ob ihre Beantwortung auf eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG führt, der hier ersichtlich allein als Revisionszulassungsgrund in Betracht käme. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung vom 29.9.1999, an die der Senat in seinem Urteil vom 28.11.2007 (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3) angeknüpft hat, ist nicht weiter klärungsbedürftig, dass grundsätzlich das Vorhandensein einer vertragsärztlichen Praxis Voraussetzung für das Eingreifen der Nachfolgeregelung des § 103 Abs 4 SGB V ist. Der Senat hat auch bereits entschieden, dass dann, wenn sich an die Auflösung einer Gemeinschaftspraxis eine längere Zeit des Ruhens der Zulassung des aus dieser Praxis ausgeschiedenen Mitglieds anschließt, grundsätzlich für ein Nachfolgezulassungsverfahren kein Raum ist (BSGE 85, 1, 10 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 37). Wie genau die Länge dieses "schädlichen" Ruhenszeitraums zu bestimmen ist, und welcher Stellenwert insoweit dem Umstand zukommen kann, dass die Klägerin im Hinblick auf ihre Erkrankung möglicherweise nicht in der Lage gewesen ist, rechtzeitig die notwendigen Vorkehrungen für eine Praxisübergabe nach dem faktischen Ende ihrer Tätigkeit zu schaffen, hat keine über den hier zu beurteilenden Einzelfall hinausweisende Bedeutung. Im Regelfall unterliegt es keinem Zweifel, dass ein Zeitraum von vier Jahren zwischen dem faktischen Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit (hier: Quartal III/2002) und dem rechtlichen Ende der Zulassung (hier: 31.12.2006) bei Wegfall von Praxisräumen und Patientenstamm eine Nachfolgezulassung nach § 103 Abs 4 SGB V ausschließt.
Der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es schließlich auch nicht, um entscheiden zu können, dass die beklagte KÄV, bei der der Antrag auf Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes gestellt wird, prüfen darf und prüfen muss, ob noch eine fortführungsfähige Praxis vorhanden ist. Wie sich die KÄV zu verhalten hat, wenn dies in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig zu beurteilen ist, und ob es dann sachgerecht sein kann, im Zweifel eine Ausschreibung vorzunehmen, um die Frage einer fortführungsfähigen Praxis der Entscheidung der Zulassungsgremien zuzuführen, wäre ebenfalls in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Hier sind die Verhältnisse in tatsächlicher Hinsicht im Sinne der Nichtexistenz einer fortführungsfähigen Praxis derart offensichtlich, dass die Beklagte nicht verpflichtet sein kann, ein Ausschreibungsverfahren in Gang zu bringen, von dem jetzt schon feststeht, dass es nicht zu einer Zulassung auf der Grundlage des § 103 Abs 4 SGB V führen könnte.
Fundstellen