Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel durch fehlerhafte Aufklärung
Orientierungssatz
Hat das SG aufgrund seiner (richtigen oder nicht richtigen) Auffassung der materiellen Rechtslage weitere Aufklärung unterlassen, so kann das zu einem materiell unrichtigen Urteil, nicht jedoch zu einem Verfahrensmangel führen. Ein Verfahrensmangel aufgrund mangelhafter Feststellungen (Verletzung des § 103 SGG) liegt nur dann vor, wenn das SG sich von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, weiteren Beweis zu erheben (ständige Rechtsprechung).
Normenkette
SGG §§ 103, 160 Abs 2 Nr 3
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 17.07.1987; Aktenzeichen L 3 J 102/87) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17.Juli 1987 ist unzulässig, weil der Kläger die Beschwerde nicht substantiiert begründet hat. Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Gründen zugelassen werden - grundsätzliche Bedeutung, Divergenz oder Verfahrensfehler -. Der Kläger hat sich auf Verfahrensfehler berufen. In der Beschwerdebegründung muß jedoch der Verfahrensfehler, der zur Zulassung der Revision führen kann "bezeichnet" werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Das hat der Kläger nicht getan.
Zwar trägt er vor, das LSG hätte statt eines Prozeßurteils ein Sachurteil erlassen müssen. Träfe das zu, so könnte das Verfahren des LSG an einem Mangel leiden. Die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften bedeutet nicht unbedingt, daß damit auch das Verfahren des Gerichts an einem wesentlichen Mangel leidet. Vielmehr ist es möglich, daß dadurch nur ein unrichtiges Urteil zustande kommt (BSG SozR Nr 191 zu § 162 SGG). Erläßt aber das LSG statt eines Sachurteils ein Prozeßurteil oder umgekehrt, so ist das ein Mangel auch des dem Urteil vorangehenden Verfahrens (BSG aaO mwN). Der Kläger hat jedoch nichts "bezeichnet", woraus sich ergibt, daß das LSG-Urteil in dieser Weise verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Nach § 146 SGG war seine Berufung unzulässig. Zulässig konnte sie nur werden, wenn in der Berufungsinstanz ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt werden konnte und der Kläger diesen Mangel auch rügte (§ 150 Nr 2 SGG; BSG SozR 1500 § 150 Nr 11). Sein Vortrag, er habe in der Berufungsinstanz schon darauf hingewiesen, daß die Feststellungen des Sozialgerichts (SG) ungenügend seien, ist nicht, wie er meint, "die Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung". Hat das SG aufgrund seiner (richtigen oder nicht richtigen) Auffassung der materiellen Rechtslage weitere Aufklärung unterlassen, so kann das zu einem materiell unrichtigen Urteil, nicht jedoch zu einem Verfahrensmangel führen. Ein Verfahrensmangel aufgrund mangelhafter Feststellungen (Verletzung des § 103 SGG) liegt nur dann vor, wenn das SG sich von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, weiteren Beweis zu erheben (BSG SozR 1500 § 103 Nr 19 mwN; SozR Nr 40 zu § 103 SGG). Daß das der Fall war, hat der Kläger nicht dargetan. Er hat auch nicht mit der Beschwerde vorgetragen, daß er in der Berufungsinstanz entsprechendes gerügt hatte.
Unsubstantiiert ist auch seine Rüge der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs. Es kann dahinstehen, ob das LSG von Amts wegen den Termin vom 17. Juli 1987 hätte vertagen müssen, weil es den Kläger erst am 16. Juli 1987 davon unterrichtet hatte, er müsse sich auf den Umstand einstellen, daß seine Berufung unzulässig sei. Der Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§§ 62, 128 Abs 2 SGG) ist dann nicht hinreichend bezeichnet iS des § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, wenn nicht angegeben wird, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 62 Nr 10; SozR 1500 § 160a Nr 36). Der Kläger hat nur vorgetragen, daß er bei einer Vertagung seine Rüge mangelnder Sachaufklärung hätte weiter substantiieren können. Er hat aber nicht dargelegt, wie er es hätte tun können, wie er es getan hätte und inwiefern das LSG-Urteil darauf beruht, daß er nicht mehr zu diesem Vortrag kam.
Die Beschwerde des Klägers ist damit unzulässig und durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 202 SGG iVm § 574 Zivilprozeßordnung und § 169 SGG analog; vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG aaO Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen