Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsverlegung und rechtliches Gehör
Orientierungssatz
Nach dem gemäß § 202 SGG auch im Verfahren der Sozialgerichte anwendbaren § 227 Abs 1 S 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt oder eine Verhandlung vertagt werden. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Vorsitzenden bzw des Gerichts, doch hat das Gesetz Maßnahmen dieser Art zur Straffung des Verfahrens an erhebliche Gründe geknüpft. Es stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) und damit einen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar, wenn ein Antrag auf Terminsverlegung trotz des Vorliegens erheblicher Gründe abgelehnt wird.
Normenkette
SGG §§ 62, 202; ZPO § 227 Abs 1 S 1; GG Art 103 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 12.10.1989; Aktenzeichen V ARBf 22/87) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der als Zulassungsgründe Verfahrensmängel geltend gemacht werden, ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
1.
Das Landessozialgericht (LSG) hat in diesem Rechtsstreit, in dem sich der Kläger gegen die Feststellung einer achtwöchigen Sperrzeit (29. Mai bis 23. Juli 1985) und die Rückforderung des an ihn gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg) für den genannten Zeitraum wendet, die Berufung des Klägers - hinsichtlich der Klage gegen den Feststellungs- und Aufhebungsbescheid - gemäß § 144 Abs 1 Nr 2 SGG als unzulässig verworfen. Danach ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen. Das LSG hat ferner ausgeführt, daß auch die Ausnahmetatbestände des § 150 SGG nicht vorliegen. Die Berufung sei nicht wegen eines wesentlichen Mangels im Verfahren des Sozialgerichts (SG) zulässig (§ 150 Nr 2 SGG). Das SG habe die Zeugenvernehmung rechtlich beanstandungsfrei durchgeführt. Es sei insbesondere nicht gehalten gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären (dies wird im einzelnen ausgeführt). Im übrigen - hinsichtlich der Klage gegen den Rückforderungsbescheid - hat das LSG die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.
2.
Der Kläger rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz -GG-, §§ 62, 128 Abs 2 SGG). Diesen Verfahrensfehler sieht er darin, daß das LSG einen Terminverlegungsantrag seines Prozeßbevollmächtigten vom 6. September 1989 abgelehnt habe, obgleich erhebliche Gründe - nämlich eine Erkrankung seines Prozeßbevollmächtigten - für den Vertagungsantrag angeführt worden seien. Dadurch sei er, wie sich in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 12. Oktober 1989 mit aller Deutlichkeit gezeigt habe, in der sachgemäßen Wahrnehmung seiner Rechte beeinträchtigt worden.
Diese Rüge genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, die an eine Nichtzulassungsbeschwerde zu stellen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist hierfür die substantiierte Angabe der Tatsachen notwendig, die den vermeintlichen Verfahrensmangel ergeben; der Mangel muß sich aus diesen Angaben schlüssig ergeben (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 24, 36). Dies ist hier nicht der Fall.
Nach dem gemäß § 202 SGG auch im Verfahren der Sozialgerichte anwendbaren § 227 Abs 1 Satz 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt oder eine Verhandlung vertagt werden. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Vorsitzenden bzw des Gerichts, doch hat das Gesetz Maßnahmen dieser Art zur Straffung des Verfahrens an erhebliche Gründe geknüpft. Es stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) und damit einen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar, wenn ein Antrag auf Terminsverlegung trotz des Vorliegens erheblicher Gründe abgelehnt wird (BSGE 1, 277, 279; 17, 44, 47 = SozR Nr 16 zu § 62 SGG; SozR 1750 § 227 Nrn 1 und 2). Daß im vorliegenden Fall ein derartiger erheblicher Grund für eine Verlegung oder Vertagung des Verhandlungstermins gegeben war, ergibt die Beschwerdebegründung jedoch nicht.
Da der Beteiligte grundsätzlich darauf verwiesen werden kann, einen anderen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung des angesetzten Termins zu beauftragen, wenn der bisherige beauftragte Rechtsanwalt hierzu nicht willens oder in der Lage ist, ist ein Gericht unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nur verpflichtet, einen anberaumten Termin wegen Verhinderung eines Prozeßbevollmächtigten aufzuheben, wenn eine anderweitige Vertretung nicht möglich erscheint, der Beteiligte also andernfalls das rechtliche Gehör in der mündlichen Verhandlung nicht finden könnte (vgl BSG SozR 1750 § 227 Nr 2). Die Rechtsprechung hat daher auch in den Fällen, in denen der Prozeßbevollmächtigte unvermeidbar (zB durch Krankheit) verhindert war, einen Verhandlungstermin wahrzunehmen, entscheidend darauf abgestellt, ob bei Eintritt des Verhinderungsgrundes genügend Zeit verblieb, einen anderen Rechtsanwalt zu finden (BSG aa0; BVerfG BayVwBl 1961, 347). Die Beschwerde hätte nur dann einen in der Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten bestehenden erheblichen Grund iS des § 227 ZPO dargetan, wenn sie aufgezeigt hätte, warum es nicht möglich gewesen ist, anderweit für eine Wahrnehmung des Termins vor dem LSG in Hamburg am 12. Oktober 1989 zu sorgen, nachdem ihm auf seinen Vertagungsantrag vom 6. September 1989 mitgeteilt worden war, daß diesem Antrag nicht stattgegeben werden könne. Dies ist nicht geschehen. Die Beschwerde hat nicht dargetan, weshalb nicht versucht worden ist, für die Sitzung in Hamburg einen anderen Rechtsanwalt heranzuziehen.- Im übrigen hätte die Beschwerdebegründung auch darlegen müssen, welches zur Beeinflussung der Entscheidung des LSG geeignete zusätzliche Vorbringen des Klägers ihm durch das Verhalten des LSG abgeschnitten worden ist. Die allgemein gehaltenen Ausführungen, sein Prozeßbevollmächtigter hätte dann im Hinblick auf die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrevision "mit Sicherheit eine möglicherweise sich jetzt als notwendig erweisende Auslegung bereits vorliegender Verlautbarungen des Klägers zu von ihm gewollten Beweisanträgen erläßlich machende Erklärungen abgegeben", genügt hierfür nicht. Bei gerügter Verletzung des rechtlichen Gehörs muß vielmehr konkret vorgetragen werden, welches erhebliche Vorbringen dem Kläger abgeschnitten worden ist und weshalb das Gericht daraufhin möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (vgl BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 36).
3.
Ein Verfahrensmangel ist auch insoweit nicht substantiiert dargetan, als die Beschwerde meint, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, weil es seinem mit Schriftsatz vom 17. Mai 1989 - sinngemäß - gestellten Beweisantrag auf wiederholte Zeugenvernehmung nicht gefolgt sei und dafür keine hinreichende Begründung gegeben habe.
Da das LSG die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG als unzulässig verworfen hat, hätte der Kläger ua ausführen müssen, weshalb diese Prozeßentscheidung des Berufungsgerichts unrichtig ist. Solche Ausführungen fehlen jedoch. Allein der Hinweis, das LSG sei seinem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, genügt dazu nicht. Dies umso weniger, als das LSG in seiner Entscheidung - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG - dargelegt hat, daß es nach der gesetzlichen Regelung im Fall der Arbeitsablehnung auf die vom Kläger unter Beweis gestellten Frage, ob der Arbeitgeber ihn ohne sein ablehnendes Verhalten (hier: das Bewerbungsschreiben) eingestellt hätte, nicht ankommt.-
Entspricht somit die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen