Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 04.08.2016; Aktenzeichen L 2 R 227/16) |
SG Hannover (Aktenzeichen S 13 R 94/12) |
Tenor
Das Gesuch des Klägers, die Richter des 5. Senats des Bundessozialgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen. Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. August 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Mit Beschluss vom 4.8.2016 hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hannover vom 15.3.2016 als unzulässig verworfen, weil der Kläger ohne zureichenden Grund die Mitteilung seiner Wohnanschrift verweigert habe.
Mit Schreiben vom 12.9.2016 hat der Kläger beantragt, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen. Er weist darauf hin, dass er obdachlos sei und der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung habe. Mit Schreiben vom 19.10.2016 hat der Kläger ferner "Beschwerde" eingelegt, weil sein Antrag auf Bewilligung von PKH dem 5. Senat zugewiesen worden ist. Zur Begründung trägt er vor, der 5. Senat habe sich in den Verfahren B 5 R 19/12 BH und B 5 R 6/12 BH "zu L 10 R 408/11 und S 13 R 468/08 mit kollegialem Schulterschluss … sowie dem blinden Durchwinken der Klageabweisung der DRV Bund" ausgewiesen. "Nach begangenen strafrechtlich relevanten Tatbeständen ist nicht davon auszugehen, daß der 5. Senat objektiv, neutral und im Sinn demokratischer Rechtsordnung über meine PKH-Anträge entscheidet."
II
1. Der Senat legt die "Beschwerde" des Klägers vom 19.10.2016 als Antrag auf Ablehnung der Richter des 5. Senats wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 60 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 42 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO) aus.
Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, weil es rechtsmissbräuchlich ist. Der Kläger hat pauschal alle Richter des 5. Senats allein wegen der (angeblichen) Mitwirkung an der Entscheidung in den Verfahren B 5 R 19/12 BH und B 5 R 6/12 BH abgelehnt, ohne konkrete Befangenheitsgründe vorzubringen, die sich individuell auf einen bestimmten Richter beziehen (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 60 RdNr 10b). Der Senat ist deshalb nicht gehindert, über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter in der üblichen, nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgeschriebenen Besetzung zu entscheiden (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7 RdNr 8). Das Verbot der Selbstentscheidung (§ 60 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO) gilt insofern nicht.
2. Wegen der Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs ist der Senat ferner nicht gehindert, über den PKH-Antrag unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7 RdNr 8).
Der PKH-Antrag unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG PKH nur dann bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier zu verneinen. Insoweit lässt der Senat dahinstehen, ob im Fall des Klägers die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Berufungsgerichts (vgl §§ 160, 160a SGG) Erfolg haben könnte. Denn die hinreichende Erfolgsaussicht ist bei der Bewilligung von PKH für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein danach zu beurteilen, ob die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Vielmehr ist PKH auch dann zu versagen, wenn der Antragsteller letztlich nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will. Die PKH hat nicht den Zweck, Bedürftigen die Durchführung solcher Verfahren zu ermöglichen, welche im Ergebnis nicht zu ihrem Vorteil ausgehen können und die daher ein vernünftiger Rechtsuchender nicht auf eigene Kosten führen würde (vgl BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 3). So verhält es sich hier.
Der Kläger, der von der Beklagten eine Regelaltersrente bezieht, hat mit Schreiben vom 2.2.2012 - beim SG Hannover eingegangen am 3.2.2012 - Klage gegen die Beklagte erhoben. Hierzu hat er vorgetragen: Das Jobcenter habe ihm "am 13.09.2011 eine berichtigte beitragspflichtige Einnahme in Höhe von ... Euro" für die Zeit vom 1.1.2007 bis 31.10.2007 gemeldet. Am 20.12.2011 habe er die Beklagte unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgefordert, "die Beitragserhöhung zu bearbeiten" und mit der Januar-Rente 2012 die Nachzahlung zu leisten. Da die Beklagte bis heute nicht reagiert habe, sei Klage wegen Untätigkeit geboten. Die Beklagte sei zu verurteilen, einen neuen Rentenbescheid zu erlassen und die Rentenerhöhung ab 1.11.2007 sowie ein Zwangsgeld in Höhe von 50 000 Euro zu zahlen. Mit Bescheid vom 8.5.2012 hat die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers unter Berücksichtigung der vom Jobcenter gemeldeten Zeit neu berechnet.
Die Untätigkeitsklage des Klägers ist unzulässig. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht sachlich beschieden, so ist die Klage gemäß § 88 Abs 1 S 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig.
Der Kläger hat nach seinen Angaben in der Klageschrift den Antrag auf Neuberechnung seiner Rente und damit auf Erlass eines Verwaltungsakts mit Schreiben vom 20.12.2011 gestellt. Nach dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 10.5.2016) hat das LSG der Beklagten im Rechtsstreit L 10 R 408/11 ein Schreiben des Klägers vom 26.9.2011 - eingegangen bei ihr am 30.9.2011 - übersandt, mit dem dieser eine Neufeststellung seiner Rente begehrt hat. Die bereits am 3.2.2012 und damit hinsichtlich beider Termine vor Ablauf der Sperrfrist erhobene Untätigkeitsklage ist im Zeitpunkt der Erhebung unzulässig gewesen. Da die Beklagte den Rentenbescheid am 8.5.2012 erlassen hat, ist die Klage wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geblieben (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 88 RdNr 10a iVm 11).
Die mit der Untätigkeitsklage erhobene Klage auf Auszahlung eines Rentennachzahlungsbetrages ist gleichfalls unzulässig, weil ein den Rentenwert festsetzender Verwaltungsakt zu ergehen hatte (vgl BSGE 96, 83, 84), sodass die vom Kläger insoweit erhobene (reine) Leistungsklage nicht statthaft ist (vgl § 54 Abs 5 SGG). Ebenso wenig besteht ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Zwangsgelds. Hierfür fehlt es an jeglicher Rechtsgrundlage.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger neben der Weiterverfolgung der Auszahlung eines Rentennachzahlbetrages und eines Zwangsgeldes sinngemäß die Richtigkeit des Bescheides vom 8.5.2012 angegriffen (Schriftsatz vom 26.5.2016). Insoweit ist die geänderte Klage nicht zulässig. Der Kläger hat den Bescheid vom 8.5.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2012 bereits mit der am 21.11.2012 vor dem SG Hannover unter dem ursprünglichen Aktenzeichen S 14 R 1065/12 erhobenen Klage angefochten, sodass eine erneute Klageerhebung wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig gewesen ist (§ 202 S 1 SGG iVm § 17 Abs 1 S 2 Gerichtsverfassungsgesetz).
Fundstellen
Dokument-Index HI11141573 |