Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17.05.2018; Aktenzeichen L 9 AL 61/16) |
SG Köln (Entscheidung vom 25.02.2016; Aktenzeichen S 31 AL 408/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Alg bei beruflicher Weiterbildung und eine Erstattungsforderung der Beklagten, weil die Klägerin im Anschluss an ein Auslandspraktikum in Frankreich wegen der Geburt ihrer Tochter ab Mai 2012 nicht mehr an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme in Form einer Umschulung zur Industriekauffrau teilgenommen hat. Das LSG hat ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil zurückgewiesen.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgründe geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG).
Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160 RdNr 119). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.
Die Klägerin sieht zunächst eine Divergenz des Berufungsurteils zu den Rechtssätzen in den beiden Urteilen des BSG vom 24.4.1997 (11 RAr 89/96) und vom 16.3.2005 (B 11a/11 AL 41/03 R) sowie zur Entscheidung des LSG für das Saarland vom 21.8.2018 (L 6 AL 6/17), jeweils bezogen auf eine grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten bei unklaren Inhalten von Merkblättern. Der Rechtssatz des LSG sei "so zu sehen, dass grobe Fahrlässigkeit bei objektiv eindeutiger Darstellung im Merkblatt vorliegt", während nach der Rechtsprechung des BSG "die Übergabe eines Merkblattes nur dann genügen kann, wenn die Pflicht auch deutlich verständlich dargestellt ist". Auch habe das LSG - entgegen der Rechtsprechung des BSG - bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit nicht auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und weitere subjektive Merkmale abgestellt. Mit diesem Vortrag ist - unbesehen des bei einer Nichtzulassungsbeschwerde geforderten Herausarbeitens von abstrakten Rechtssätzen - eine Abweichung im Grundsätzlichen nicht ausreichend dargetan. Die Klägerin hätte sich damit befassen müssen, dass sich das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil angeschlossen und bei seinen ergänzenden Erwägungen auch die dort aufgeführte ständige Rechtsprechung des BSG zur groben Fahrlässigkeit zugrunde gelegt hat (vgl § 153 Abs 2 SGG). Hiernach ist nicht allein auf die Inhalte von Merkblättern abzustellen, sondern der von der Rechtsprechung des BSG herausgearbeitete Maßstab für die Prüfung einer groben Fahrlässigkeit zugrunde zu legen. Bei der von der Klägerin beanstandeten Würdigung der Vorinstanzen, dass die Notwendigkeit einer Mitteilung des Auslandsaufenthalts sowie der tatsächlichen Nichtteilnahme an der Maßnahme für sie ab Mai 2012 klar erkennbar gewesen sei, handelt es sich um eine Wertung im Einzelfall, deren inhaltliche Richtigkeit nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist (BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Um eine Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit, nicht jedoch um eine Divergenz, handelt es sich auch, soweit die Klägerin mit Bezug auf ein Urteil des Bayerischen LSG vom 22.6.2017 (L 10 AL 260/15) ohne Darstellung divergierender Rechtssätze beanstandet, dass die nicht mitgeteilte Anschriftenänderung keine für die Klägerin nachteilige Änderung sei, weil es im Rahmen des § 144 Abs 1 SGB III nicht auf die Verfügbarkeit für die Vermittlung in Arbeit ankomme. Eine Abweichung kann nur bezeichnet werden, wenn sich das Gericht zu einem der in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte gebildeten Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat. Unabhängig hiervon ist das LSG in seiner vom Senat zugrunde zu legenden Tatsachenwürdigung von einem Abbruch der Maßnahme durch die Klägerin zu Anfang Mai 2012 ausgegangen, weshalb eine Verfügbarkeit im Rahmen des § 144 SGB III nicht mehr fingiert werden konnte.
Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Auch daran fehlt es.
Insofern formuliert die Klägerin schon keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Soweit sie vorträgt, Art 6 Abs 4 GG stehe dem Abbruch der Maßnahme wegen einer viermonatigen Unterbrechung der Ausbildung im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes möglicherweise entgegen, hat sie sich nicht mit der schon vorhandenen Rechtsprechung des BSG und des BVerfG auseinandergesetzt. Sie hat nicht zu der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG vorgetragen, nach der aus den Schutz- und Fördergeboten des Art 6 Abs 1 und Abs 4 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen hergeleitet werden können (zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers angesichts der durch die Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip weitgehend offen gelassenen Kriterien vgl BVerfG vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412; zuletzt BSG vom 21.6.2018 - B 11 AL 8/17 R, RdNr 27 - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12975656 |