Orientierungssatz
1. Sind Art 7 EWGVtr und Art 7 Abs 2 EWGV 1612/68 dahin auszulegen, daß bei einem Arbeitnehmer, dessen Ehegatte im Ausland wohnt und keinen Arbeitslohn bezieht, in die Lohnsteuerkarte keine ungünstigere Steuerklasse eingetragen werden darf, als bei einem Arbeitnehmer, dessen Ehefrau im Inland wohnt?
2. Bei Verneinung der Frage zu 1: Ist Art 68 Abs 2 EWGV 1408/71, dahin auszulegen, daß er auch Fälle umfaßt, in denen die Höhe des Arbeitslosengeldes nicht direkt von der Zahl der Familienangehörigen abhängig ist, sondern von der in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse III, die wiederum davon abhängig ist, daß der Arbeitnehmer verheiratet ist und der Ehegatte keinen Arbeitslohn bezieht sowie im Inland wohnt?
3. Bei Verneinung der Frage 2: Sind Art 48 und 51 EWGVtr dahin auszulegen, daß das nationale Recht in Fällen, wie dem oben beschriebenen, dem Arbeitslosen, der in dem betreffenden Mitgliedsstaat wohnt und gearbeitet hat, Arbeitslosengeld in gleicher Höhe zubilligen muß, wie er es erhielte, wenn seine Ehefrau ebenfalls in diesem Mitgliedsstaat wohnen würde?
Normenkette
EWGV 1612/68 Art. 7 Abs. 2; EWGV 1408/71 Art. 68 Abs. 2 S. 1; EWGVtr Art. 7, 48, 51; AFG § 111 Abs. 2 S. 2; EStG §§ 1, 38b S. 2 Nr. 3 Buchst. a DBuchst aa
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des dem Kläger in der Zeit vom 8. Dezember 1986 bis 31. März 1987 gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg). Umstritten ist, ob der Kläger statt in die Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse I), in die Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) einzustufen ist, obwohl er die steuerlichen Voraussetzungen für die Steuerklasse III nicht erfüllt, weil seine Ehefrau im (EG-)Ausland lebt und deshalb nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (§ 38b Satz 2 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst aa des Einkommensteuergesetzes -EStG- iVm § 1 EStG).
Der Kläger ist spanischer Staatsangehöriger, ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er hält sich in der Bundesrepublik auf, wo er seit 1980 als Baumschulenarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt ist. Seine Familie wohnt weiterhin in Spanien. Auf seiner Lohnsteuerkarte für die Jahre 1986/87 war die Lohnsteuerklasse I eingetragen.
Am 8. Dezember 1986 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte diese Leistung ab Antragstellung für 208 Tage. Für die Berechnung legte sie die Leistungsgruppe A zugrunde. Später wurde die Bezugsdauer auf 364 Tage verlängert (Bescheid vom 14. Januar 1987).
Unter dem 30. Januar 1987 erließ die Beklagte einen Aufhebungs-und Erstattungsbescheid, mit dem sie das Alg neu berechnete. Sie war der Auffassung, daß die Kinder bei der Bemessung des Alg nicht zu berücksichtigen seien. Auf die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 14. und 30. Januar 1987 nahm sie den Bescheid vom 30. Januar 1987 zurück, lehnte aber die im Widerspruch außerdem begehrte Berechnung nach Leistungsgruppe C (Steuerklasse III) ab (Widerspruchsbescheid vom 9. April 1987). Mit Bescheid vom 12. Februar 1987 wies sie das Alg ab 11. Januar 1987 in alter Höhe wieder an.
Mit der Klage berief sich der Kläger auf Art 68 Abs 2 der EWGVO 1408/71. Seiner Auffassung nach ist aufgrund dieser Vorschrift seine in Spanien lebende Ehefrau ebenso zu berücksichtigen, als ob sie in der Bundesrepublik wohnte. Dementsprechend sei trotz der Eintragung der Steuerklasse I in seiner Steuerkarte das Alg so zu berechnen, als ob die Steuerklasse III eingetragen wäre.
Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Itzehoe -SG- vom 10. März 1988). Die Berufung wurde zurückgewiesen (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts -LSG- vom 13. Oktober 1988).
Das LSG hat die Auffassung vertreten, § 68 Abs 2 EWGVO 1408/71 sei hier nicht anzuwenden, da sich die Berechnung des Alg nicht nach der Zahl der Familienangehörigen, sondern nach der Steuerklasse richte. Die Voraussetzungen der Steuerklasse seien unbeachtlich, weil die Steuerklasse für die Alg-Berechnung Tatbestandswirkung habe. Soweit der Kläger die Steuerklasse für unrichtig halte, sei er darauf hinzuweisen, daß er nicht alles getan habe, um den Finanzrechtsweg auszuschöpfen.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß sich aus der Anknüpfung an die Steuerklassen eine mittelbare Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer ergebe, die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache 41/84 (Entscheidung vom 15. Januar 1986 - EuGHE 1986, 1) einer direkten Diskriminierung gleichgestellt worden sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 14. und 30. Januar 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1987 sowie den Bescheid vom 12. Februar 1987 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 8. Dezember 1986 bis 31. März 1987 Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Leistungsgruppe C zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil. Ergänzend vertritt sie die Auffassung, die vom Kläger zitierte Entscheidung des EuGH sei nicht einschlägig. Dort werde lediglich beanstandet, daß eine französische Rechtsvorschrift Rechtsfolgen davon abhängig gemacht habe, ob die Familienangehörigen in Frankreich als dem zur Leistung verpflichteten Staat oder in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen. Die Zuordnung eines Arbeitslosen zur jeweiligen Leistungsgruppe erfolge demgegenüber aber unabhängig von seiner Nationalität.
Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) entschieden wird.
Entscheidungsgründe
Der Kläger begehrt höheres Alg unter Anwendung des Art 68 Abs 2 EWGVO 1408/71. Er möchte aufgrund dieser Vorschrift bei der Berechnung des Alg nach § 111 Abs 2 AFG so behandelt werden, als wäre statt der Steuerklasse I in seiner Steuerkarte die günstigere Steuerklasse III eingetragen. Die Entscheidung dieser Frage ist indes nicht von Bedeutung, wenn nach den Vorschriften des EG-Rechts ohnehin die Steuerklasse III einzutragen wäre, weil - worauf noch einzugehen ist - diese dann ausnahmsweise unabhängig von der tatsächlichen Eintragung in die Steuerkarte bei der Alg-Berechnung zu berücksichtigen wäre. Erst wenn ein Anspruch auf Eintragung der Steuerklasse III zu verneinen ist, wäre zu prüfen, ob dem Kläger, obwohl er nach Steuerklasse I zu besteuern ist und diese Steuerklasse deshalb allein eingetragen werden kann, aus Art 68 Abs 2 EWGVO 1408/71 oder direkt aus Art 48 und 51 EWGV ein Anspruch auf das höhere Alg nach Leistungsgruppe C zusteht, das vergleichbaren Arbeitnehmern zugebilligt wird, deren Ehefrauen im Inland wohnen.
Alle diese Fragen sind nicht zweifelsfrei zu beantworten. Deshalb ist gemäß Art 177 EWGV die Sache zur Vorabentscheidung über die im Beschlußtenor formulierten Fragen dem EuGH vorzulegen.
Die Erheblichkeit dieser Fragen und die Gründe, die für und wider die Ansprüche des Klägers sprechen, ergeben sich aus folgenden Überlegungen:
Nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht ist die Höhe des Alg unter anderem von der in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse abhängig. Gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 AFG erhalten Arbeitnehmer, in deren Lohnsteuerkarte die Steuerklasse I eingetragen ist, Alg nach der Leistungsgruppe A, Arbeitnehmer, in deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist, Alg nach der günstigeren Leistungsgruppe C.
Die Höhe des Alg nach den einzelnen Leistungsgruppen wird durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bestimmt. Er erläßt eine Rechtsverordnung mit Tabellen, aus denen die Höhe des Alg, gestaffelt nach bisherigem Arbeitsentgelt, dem Leistungssatz des § 111 Abs 1 AFG und den in den einzelnen Steuerklassen anfallenden Steuersätzen ablesbar sind (§ 111 Abs 2 Satz 1 AFG).
Für den gesamten hier streitigen Anspruch galt die AFG-Leistungsverordnung 1986 vom 2. Januar 1986 (BGBl I, 40). Danach stand dem Kläger nach Leistungsgruppe A (Steuerklasse I) ein wöchentliches Alg in Höhe von DM 259,20 zu. Bei Zugrundelegung der Leistungsgruppe C (Steuerklasse III) hätte ihm ein wöchentliches Alg von DM 283,20 zugestanden.
Diese Regelung des innerstaatlichen Rechts hat einerseits den Zweck der Verwaltungsvereinfachung. Zur Bewältigung der Vielzahl der Leistungsfälle und zur Sicherung einer schnellen Auszahlung des Alg knüpft die Berechnung an die aus der Steuerkarte ablesbare Steuerklasse und pauschalierte ebenfalls ablesbare Tabellenwerte an. Gleichzeitig soll die Anbindung an die Steuerklasse aber auch sichern, daß alle Arbeitslosen gleichermaßen einen bestimmten Prozentsatz ihres (allerdings gemäß §§ 112 und 111 AFG pauschaliert berechneten und dadurch häufig gegenüber dem realen Nettoentgelt niedrigeren) Nettoentgelts erhalten (vgl BT-Drucks 7/2822 S 31 zu Art 23a, Abs 3 Nr 2; ebenso S 32 zu Nr 8; ferner BT-Drucks 7/4127 S 52).
Um diese Ziele zu erreichen, hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, daß im Einzelfall bei Eintragung einer unrichtigen Steuerklasse zu viel oder zu wenig Alg gezahlt wird. Es ist deshalb grundsätzlich von der eingetragenen Steuerklasse auszugehen, auch wenn sie unrichtig ist, solange der Fehler nicht berichtigt worden ist (zuletzt BSG 12.7.1989 - 7 RAr 58/88 -). Nach Durchführung der Berichtigung ist allerdings rückwirkend der Alg-Berechnung die richtige Lohnsteuerklasse zugrunde zu legen.
Auch bei Veränderungen, die sich auf die Steuerklasse auswirken oder bei einem Steuerklassenwechsel ist im Gesetz die uU rückwirkende Berücksichtigung einer späteren Eintragung vorgesehen (§ 113 AFG iVm § 39 Abs 5 EStG). Dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer die Eintragung der Steuerklasse wirksam angefochten hat und im Einspruchsverfahren oder durch Urteil des Finanzgerichts festgestellt wird, daß die Eintragung unrichtig war; denn nur auf diese Weise kann der Rechtsschutzanspruch verwirklicht werden. Der erkennende Senat ist darüber hinaus der Auffassung, daß auch im vorliegenden Fall abweichend von der Regel eine Feststellung, daß die unrichtige Steuerklasse eingetragen war, Rückwirkung haben muß. Der Kläger hat zwar die Eintragung der Steuerklasse nicht wirksam angefochten. Entgegen der Auffassung des LSG durfte er aber wegen der besonderen Lage des Falles nicht auf den Finanzrechtsweg verwiesen werden, weil dies zu einem im Hinblick auf die Höhe der streitigen Leistung unzumutbar langen Rechtsweg führen kann. Es stand außer Zweifel, daß das innerstaatliche Steuerrecht zutreffend angewandt worden war (darauf wird noch einzugehen sein). Es wäre also notwendig gewesen, den Finanzrechtsweg uU durch alle Instanzen und letztlich unter Einbeziehung eines Verfahrens vor dem EuGH zu beschreiten. Dabei könnte der Rechtsstreit sich allenfalls dann erledigen, wenn der EuGH entscheiden würde, daß sich aus dem Gemeinschaftsrecht ein Anspruch auf Eintragung der Steuerklasse III ergibt. Würde dies indes verneint, so müßte der Kläger wiederum unter Einschluß einer Anrufung des EuGH alle Instanzen des Sozialrechtswegs durchlaufen, um prüfen zu lassen, ob ihm die Ansprüche auf höheres Alg unter Berücksichtigung von Art 68 Abs 2 EWGVO 1408/71 oder aus Art 48/51 EWGV zustehen. Ein solcher doppelter Rechtsweg käme insbesondere im Hinblick auf die Höhe des zur Entscheidung stehenden Anspruchs einer Rechtsverweigerung gleich (vgl hierzu ua Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte vom 29. Mai 1986 - 9/1984/81/128 - EuGRZ 1988, 20 zu Art 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950).
Da somit der Kläger vor allen Dingen wegen der Unklarheit der EG-rechtlichen Fragen nicht auf den Finanzrechtsweg verwiesen werden durfte, ist er im Falle einer Entscheidung des EuGH, daß nach EG-Recht ein Anspruch auf Eintragung der Steuerklasse III besteht, so zu stellen, als hätte er die Eintragung angefochten.
Auf der Basis dieser Erkenntnis kommt es nunmehr als erstes darauf an, ob sich aus dem EG-Recht ein Anspruch des Klägers auf Eintragung der Steuerklasse III ableiten läßt. Das Berechnungssystem des AFG stellt auf die Steuerklassen ab. Deswegen ist zunächst zu prüfen, ob eine systemgerechte Lösung in der Weise möglich und geboten ist, daß die ihn treffenden Benachteiligungen bereits auf der Basis des Steuerrechts, an das das AFG anknüpft, auszuräumen sind.
III
Im innerstaatlichen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland besteht folgende Rechtslage:
Zur Durchführung des laufenden Lohnsteuerabzugs wird bei Arbeitnehmern in die Lohnsteuerkarte eine Lohnsteuerklasse eingetragen. Diese hat vorwiegend Bedeutung für den vom Arbeitgeber vorzunehmenden Steuerabzug (§§ 38, 38b Satz 1, 39b, 42b Abs 3 EStG). Die Eintragung in die Steuerkarte ist ein Mittel des Steuerabzugsverfahrens. Die materielle Steuerschuld bestimmt sich letztlich allein nach dem Jahreseinkommen (§ 38a Abs 2 EStG). Nach § 38b EStG hängt die Einstufung in die Steuerklassen ua von dem Vorhandensein eines Ehegatten sowie davon ab, ob dieser Arbeitsentgelt bezieht und ob er unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Je nach Sachlage kommen die Steuerklassen I bis IV in Betracht: Steuerklasse I wird eingetragen, wenn der Arbeitnehmer ledig ist oder wenn er verheiratet ist und die Voraussetzung der Steuerklassen III und IV nicht erfüllt sind, Steuerklasse II, wenn bei dem verheirateten Arbeitnehmer ein Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs 7 EStG) berücksichtigt wird, Steuerklasse III, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht oder beide Ehegatten die Kombination III/V vereinbart haben, Steuerklasse IV, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte ebenfalls Arbeitslohn bezieht, Steuerklasse V, wenn die Ehegatten die Kombination V/III vereinbart haben.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die Einstufung in die Steuerklasse III mit der einen Ausnahme, daß seine Ehefrau nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist nämlich gemäß § 1 EStG grundsätzlich nur eine Person, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im Ausland lebende Personen fallen nur darunter, wenn sie deutsche Staatsangehörige sind, und das auch nur unter besonderen Voraussetzungen.
Eine Einstufung des Klägers in die Steuerklasse III kommt deshalb nach geltendem innerstaatlichen Steuerrecht nicht in Betracht.
Dieser Benachteiligung bei der zunächst nur dem laufenden Steuerabzugsverfahren dienenden Eintragung entspricht eine Benachteiligung im materiellen Steuerrecht. Der Kläger kann nicht am Splittingverfahren teilnehmen, weil seine Ehefrau im Ausland wohnt, und deshalb nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 32a Abs 5 EStG iVm § 26, 26b EStG). Weitere Benachteiligungen ergeben sich bei der Berücksichtigung von Kindern, was hier jedoch nicht entscheidungserheblich ist.
Allerdings werden diese Nachteile steuerlich teilweise durch die Möglichkeit ausgeglichen, die Kosten des Unterhalts für die Ehefrau als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen und hierfür einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eintragen zu lassen (§ 33a Abs 1 EStG iVm § 39a Abs 1 Nr 5 und Abs 2 sowie § 39d Abs 2 Nr 4 und § 50 Abs 4 Satz 1 EStG s dazu BFHE 154, 556).
Ob möglicherweise darüber hinaus ein Billigkeitserlaß (§ 163 der Abgabenordnung -AO-) in Betracht kommt, soweit die Besteuerung im Verhältnis zu Personen, deren Familien im Inland wohnen, der Leistungsfähigkeit nicht gleichermaßen gerecht wird (vgl BVerfGE 41, 1 und BFHE 154, 38, 46; dazu Herrmann, Finanzrundschau -FR- 1989, 605, 613), ist noch ungeklärt.
Der Ausgleich ist aber unvollkommen. Die Vorteile einer Eintragung der Steuerklasse III fließen dem Arbeitnehmer zu, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Höhe von Unterhaltskosten (die auch im Bereich der Bundesrepublik Deutschland je nach Wohnort erheblich differieren). Der Steuerfreibetrag für außergewöhnliche Belastungen ist demgegenüber nur ein Höchstbetrag, der nur bei sehr niedrigen Einkommen zu derselben Steuerentlastung führt wie die Steuerklasse III, die das Splittingverfahren vorwegnimmt. Außerdem müßten für den Freibetrag die tatsächlichen Unterhaltskosten glaubhaft gemacht werden, was oft schwierig ist und einen bürokratischen Aufwand erfordert, dem Arbeitnehmer - zumal in einem ihnen fremden Rechtsbereich - oft nicht oder nur unzureichend gewachsen sind. Hinzu kommt, daß regelmäßig strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Unterhaltsaufwandes und der Unterhaltsbedürftigkeit der unterstützten Person gestellt werden.
Entsprechendes gilt für ein eventuell mögliches Erlaßverfahren mit dem Ziel des Steuererlasses aus Billigkeitsgründen (Gleichbehandlung).
Die innerstaatliche Finanzrechtsprechung hat bisher keine Möglichkeit gesehen, aufgrund des EG-Rechts zu anderen Ergebnissen zu kommen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer älteren Entscheidung eine Gleichstellung des im Ausland lebenden Ehegatten eines EG-Ausländers mit einem im Inland lebenden Ehegatten abgelehnt, soweit es um die Zubilligung des Splittingverfahrens (§§ 26, 26b EStG) geht. Er hat dies damit begründet, daß eine solche Gleichstellung zu verfassungswidrigen Bevorzugungen führen würde (BFHE 119, 439). Solche Bevorzugungen sieht der BFH darin, daß nach deutschem Steuerrecht die ausländischen Einkünfte des im Ausland lebenden Ehegatten bei der Festsetzung des Steuersatzes unberücksichtigt bleiben und deshalb - sofern der im Ausland lebende Ehegatte eigenes Einkommen hat - die Steuer niedriger festgesetzt werden müßte als bei einem im Inland lebenden Ehepaar in gleicher Einkommenssituation.
Der BFH hat ferner zunächst sogar die Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen für die Ehefrau als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG versagt (BFHE 128, 236; s nunmehr aber BFHE 154, 556). Diese Rechtsprechungslinie hat er auch im Bereich der Steuerpflicht für Personen, die im Inland Einkünfte erzielen oder im Ausland wohnen und deshalb nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, verfolgt (BFHE 115, 319; 154, 38).
Die Finanzgerichte Münster (Urteil vom 15. Juli 1987 - IV 7102/86 - EFG 1988, 182) und Düsseldorf (Urteil vom 15. März 1988 - 9 K 23/87 L - EFG 1989, 121) haben es in vergleichbaren Fällen als verfassungsmäßig und mit EG-Recht vereinbar angesehen, daß für im Ausland lebende Kinder kein Kinderfreibetrag eingeräumt wird. Sie verweisen darauf, daß nach der Gesetzesbegründung zum Steuersenkungsgesetz statt dessen ein Freibetrag für die besonderen Belastungen nach § 33a Abs 1 EStG gewährt wird, um so in flexiblerer Weise den unterschiedlichen Aufwendungen für Kinder je nach deren Wohnsitzland Rechnung tragen zu können (BT-Drucks 10/2884 S 102 zu Abs 2. Es heißt dort:
"Für ... Auslandskinder soll statt eines Kinderfreibetrages nach den Verhältnissen des Einzelfalles eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung nach § 33a Abs 1 EStG gewährt werden. Diese Umstellung ist gerechtfertigt, weil der Unterhaltsbedarf eines Auslandskindes sich von demjenigen eines Inlandskindes je nach den gegebenen Verhältnissen unterscheiden kann."
Ein Verstoß gegen den Freizügigkeitsgedanken in Art 7 EWGVO 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer liegt nach Ansicht der Finanzgerichte deshalb nicht vor, weil dort nur die Diskriminierung von Staatsangehörigen der Vertragsstaaten untersagt sei. Die geltenden steuerrechtlichen Regelungen stellten indes nicht auf die Staatsangehörigkeit ab.
Die diese Finanzrechtsprechung tragenden Argumente vermögen den erkennenden Senat indes nicht davon zu überzeugen, daß zweifelsfrei ein Einfluß des EG-Rechts auf das innerstaatliche Recht auszuschließen ist. Sie sind auch in der Literatur auf Kritik gestoßen (vgl Herrmann, FR 1989, 605 mwN). Art 7 EWGV will die Freizügigkeit in der Gemeinschaft sichern. Dazu gehört, daß auch die Bedingungen des Aufenthalts so gestaltet sind, daß eine rechtliche Diskriminierung vermieden wird (vgl ua EuGHE 1986,1,25). Für das Steuerrecht fordert dementsprechend Art 7 Abs 2 EWGVO 1612/68 die Zubilligung aller steuerlichen Vergünstigungen an den Wanderarbeitnehmer.
Ob die hier streitige Regelung diesen Anforderungen entspricht, erscheint zweifelhaft. Sie gilt zwar gleichermaßen für deutsche und ausländische Arbeitnehmer, deren Ehefrauen im Ausland leben (abgesehen von den hier nicht erheblichen Besonderheiten, die sich aus § 1 Abs 2 und 3 EStG ergeben). Die Nachteile treffen aber weit überwiegend ausländische Arbeitnehmer, deren Familien noch nicht nachgezogen sind. Dies bedeutet eine mittelbare Diskriminierung, die uU einer direkten Diskriminierung gleichzustellen ist (EuGHE 1974, 153, 164 f; 1978, 1489, 1498; 1980, 3427, 3436; 1984, 2971; 1986,1,25 f). Sie beeinflußt die Freizügigkeit, weil die Entscheidung, ob die Familienmitglieder nachziehen, in der Heimat verbleiben oder dorthin zurückkehren, ob sie dort arbeiten oder im Inland arbeiten, ein Teil der Freizügigkeit ist und diese durch die steuerrechtlichen Bedingungen beeinflußt wird.
Die mögliche Ungleichbehandlung beim Splitting, die den BFH veranlaßt hat, eine Gleichstellung ausländischer Arbeitnehmer auszuschließen, ließe sich dadurch beseitigen, daß das Einkommen des im Ausland lebenden Ehegatten für die Bestimmung des Steuersatzes fiktiv dem Einkommen des im Inland steuerpflichtigen Ehepartners zugerechnet wird, wie dies auch bei eigenen ausländischen Einkünften des Steuerpflichtigen geschieht (§ 32b Abs 2 Satz 1 Nr 2 EStG; s dazu Herrmann FR 1989, 605, 612 f). Es wird deshalb zu prüfen sein, inwieweit der innerstaatliche Gesetzgeber durch das EG-Recht verpflichtet wird, die Ungleichbehandlung zu beseitigen, oder ob er sich auf die genannten Schwierigkeiten nicht berufen kann, weil er sie zumutbar beseitigen könnte.
Die oben wiedergegebenen Überlegungen der Finanzgerichte und der Gesetzesbegründung zum Steuersenkungsgesetz, die meinen, daß wegen der teilweise niedrigeren Unterhaltskosten für Angehörige, die in anderen Mitgliedsstaaten wohnen, eine Bevorzugung entstehen könne, der vorgebeugt werden müsse, erscheinen nicht zwingend. Dieses Argument verfängt zunächst nicht gegenüber Personen, deren Ehegatte in einem sogenannten Drei-Drittel-Land, dh einem Land mit vergleichbar hohen Lebenshaltungskosten wohnen. Dazu gehören die meisten EG-Länder und auch Spanien, das Wohnsitzland der Ehefrau des Klägers (vgl BStBl 1982 I, 903; 1987 I, 621).
Es erscheint prüfungsbedürftig, ob die Probleme, die im Verhältnis zu den verbleibenden Vertragsstaaten auftreten (in der streitbefangenen Zeit nur Portugal, inzwischen nicht einmal mehr dieses: BStBl I, 1989, 463 f), es rechtfertigen, die Mehrheit der Betroffenen schlechter zu stellen und ob insbesondere ein die betreffenden Arbeitnehmer meist überforderndes bürokratisches Verfahren zur Geltendmachung außergewöhnlicher Belastungen (und evtl eines Billigkeitserlasses) notwendig machen.
IV
Ergibt die Prüfung der steuerrechtlichen Fragen, daß der Kläger keinen Anspruch auf Eintragung der Steuerklasse III hatte, könnte sich sein Anspruch auf höheres Alg noch aus den speziell das Sozialrecht betreffenden Vorschriften des EG-Rechts ergeben, entweder aus Art 68 Abs 2 EWGV 1408/71 oder direkt aus Art 48/51 EWGV.
Art 68 Abs 2 EWGVO 1408/71 bestimmt, daß der zuständige Träger eines Mitgliedsstaats, nach dessen Rechtsvorschriften sich die Höhe der Leistungen nach der Zahl der Familienangehörigen richtet, auch die Familienangehörigen zu berücksichtigen hat, die im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohnen, als ob sie im Gebiet des zuständigen Staates wohnten.
Ebenso sieht Art 74 Abs 1 EWGVO 1408/71 speziell für Familienleistungen bei Arbeitslosigkeit (ausgenommen Frankreich) vor, daß sie für Familienangehörige, die im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats wohnen, so zu gewähren sind, als wenn diese im Inland wohnten.
Art 74 Abs 1 EWGVO 1408/71 kann den vorliegenden Fall allerdings nicht erfassen, da abgrenzbare Familienleistungen nicht gezahlt werden.
Ob demgegenüber Art 68 Abs 2 Satz 1 EWGVO 1408/71 auch diese Fälle umfaßt, in denen es nicht nur um die Zahl der Familienangehörigen geht, sondern letztlich um das hiervon beeinflußte Nettoeinkommen, ist aber nicht eindeutig zu beantworten.
Der Wortlaut schließt nicht unmittelbar die Alg-Berechnung nach § 111 Abs 2 AFG ein; denn dort wird die Höhe der Leistungen nicht von der Zahl der Familienangehörigen, sondern von der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse abhängig gemacht. Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat nicht zu prüfen, ob Familienangehörige vorhanden sind, sondern nur die Steuerkarte zu lesen.
Die Abhängigkeit von der Eintragung ist jedoch nur vordergründig. Materiell will der Gesetzgeber die Höhe des Alg in Verhältnis setzen zu dem jeweils monatlich ausgezahlten Nettolohn (der allerdings im Rahmen der Alg-Berechnung pauschalierend festgesetzt wird). Damit soll die Lohnersatzfunktion verdeutlicht und eine gleichmäßige Berechnung gesichert werden.
Steuerklasse und Nettolohn haben aber weitere Voraussetzungen, die damit materiell (auch wenn die BA sie nicht zu prüfen hat) regelmäßig zur Voraussetzung für die Gewährung der Leistungsgruppe C werden.
Diese Voraussetzungen sind:
- daß ein Ehegatte vorhanden ist, - daß dieser keinen Arbeitslohn bezieht und - daß dieser unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, dh im
Inland wohnt (§ 1 Abs 1 EStG).
Als die EWGVO 1408/71 geschaffen wurde, gab es eine dem § 111 Abs 2 AFG vergleichbare Regelung im deutschen Arbeitsförderungsrecht noch nicht. Das Alg setzte sich damals aus dem Hauptbetrag und den Familienzuschlägen zusammen. Gemäß § 113 AFG aF wurde ein Familienzuschlag ua für den Ehegatten gewährt, wenn die Ehegatten nicht dauernd getrennt lebten.
Diese Regelung unterfiel dem Art 74 Abs 1 EWGVO 1408/71 und entsprechend auch dem Art 68 Abs 2 Satz 1 EWGVO 1408/71. Die EG-Ausländer hatten also Anspruch auf einen Familienzuschlag für den Ehegatten. Auf derartige Konstruktionen waren die Art 68 Abs 2 und 74 Abs 1 EWGVO 1408/71 offenbar auch zugeschnitten.
Entsprechendes konnte zunächst auch noch für die spätere Fassung des § 111 AFG aufgrund des EG-EStRG angenommen werden. Gemäß § 111 Abs 2 Nr 1 Buchst b AFG (idF des EG-EStRG) war bei Verheirateten die Steuer nach der Einkommensteuersplittingtabelle zugrunde zu legen. Die heutige Fassung hat das AFG erst durch das HStruktG-AFG (in Kraft ab 1. Januar 1976) erhalten.
Sie weicht nach Zweck und Konstruktion von den bisherigen Fassungen in wesentlichen Punkten ab und führt dazu, daß sowohl die uneingeschränkte Anwendung von Art 68 Abs 2 und Art 74 Abs 1 EWGVO 1408/71 auf Fälle wie den vorliegenden als auch eine Gleichstellung der Arbeitnehmer, deren Ehegatte im Ausland lebt mit Arbeitnehmern, deren Ehegatte im Inland lebt und deshalb unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, ohne Eintragung einer entsprechenden Steuerklasse problematisch wird.
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die Anknüpfung an die eingetragenen Steuerklassen der Verwaltungsvereinfachung und zur Sicherung einer schnellen Auszahlung des Alg dient.
Dieser Zweck könnte bei EG-Ausländern nicht mehr erreicht werden, wenn man zu der Erkenntnis käme, daß das europäische Sozialrecht zumindest die Berücksichtigung eines in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerfreibetrages nach § 33a EStG gebietet. Erstens werden alle Steuerfreibeträge nur in einer Gesamtsumme eingetragen, ohne Angabe des Rechtsgrundes, so daß bei mehreren Freibeträgen die Höhe des Freibetrages nach § 33a EStG nicht aus der Lohnsteuerkarte ablesbar wäre. Zweitens wäre es nötig, weitere Leistungstabellen zu erstellen, die zu jedem der in der AFG-Leistungsverordnung genannten Entgeltbeträge je nach Höhe des Freibetrages weitere Untergruppen ausweisen. Die Steuerklasse III (zB) führt für jeden Arbeitnehmer, der das gleiche Arbeitsentgelt (= Bemessungsentgelt iS des § 112 AFG) bezieht, zu dem gleichen Nettobetrag, die Freibeträge nach § 33a EStG können jedoch zwischen 0 und 4.500,-- DM jährlich schwanken, was maximal einem Betrag von etwa 86,50 DM wöchentlich entspricht. Das bedeutet, daß zu jedem Entgeltbetrag, der für Arbeitnehmer der Steuerklasse I ausgewiesen ist, mehrere Untergruppen gebildet werden müßten.
Käme man hingegen zu der Erkenntnis, daß fiktiv die Lohnsteuerklasse III zu berücksichtigen ist, wenn der Ehegatte eines EG-Ausländers im Ausland lebt, so könnte die Bundesanstalt für Arbeit die Steuerklasse nicht mehr aus der Steuerkarte ablesen, sondern müßte eigene Ermittlungen anstellen. Dies würde das Ziel der Entlastung und das Ziel schneller Auszahlung des Alg gefährden.
Ein zweiter wichtiger Grundgedanke des § 111 Abs 2 AFG ist es, das Alg an dem vor der Arbeitslosigkeit laufend monatlich erzielten Nettoentgelt (pauschal berechnet nach §§ 111/112 AFG) zu orientieren. Würde zugunsten des ausländischen Arbeitnehmers für das Arbeitsförderungsrecht die Eintragung der Steuerklasse III fingiert, so würde damit zugleich ein höheres laufendes Nettoentgelt fingiert, als sich für diesen Arbeitnehmer aus den §§ 111/112 AFG errechnet. Der Zweck der Regelung, durch eine angemessene Differenz zwischen diesem Nettoentgelt und dem Alg die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit zu sichern und außerdem eine Gleichbehandlung durch die Orientierung am (pauschalierten) Nettoentgelt zu garantieren, wäre uU in Frage gestellt. Außerdem ergäbe sich eine Besserstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern mit gleichem (pauschalierten) Nettoentgelt. Im vorliegenden Fall beträgt die Differenz bei einem Arbeitnehmer, dessen Ehefrau im Inland wohnt, 32 %; bei dem Kläger würde sie, wenn man für die Alg-Berechnung die Steuerklasse III fingiert (Leistungsgruppe C), ca 23,5 % betragen (beides bezogen auf das nach §§ 111/112 AFG pauschaliert berechnete niedrigere Nettoentgelt; nicht bezogen auf das reale Nettoentgelt).
Demgegenüber ist allerdings zweierlei zu beachten. Erstens bringt in diesen Fällen auch die Berechnung nach Steuerklasse I unter Vernachlässigung des Freibetrages nach § 33a EStG Ungleichbehandlungen mit sich (zumal dann, wenn er in der Lohnsteuerkarte eingetragen ist und damit zur Erhöhung des laufenden Nettoentgelts führt). Bei dem Arbeitnehmer, dessen Ehegatte im Inland wohnt, wirkt sich der höhere Nettobetrag, den er im Hinblick auf die ehelichen Unterhaltspflichten durch Eintragung der Steuerklasse III erhält, in vollem Umfang beim Alg aus; bei dem Arbeitnehmer, dessen Ehegatte im Ausland wohnt, wird selbst, wenn er den höchsten Freibetrag des § 33a EStG erreicht, das dadurch erhöhte Nettoentgelt nicht berücksichtigt. Anders als im Steuerrecht, wo die Versagung der Steuerklasse III zumindest teilweise durch die Freibetragsregelung ausgeglichen wird, gibt es im Bereich des AFG keine flexible Alternative, die dem Bedürfnis nach Differenzierung gerecht wird; dem betroffenen Arbeitnehmer, dessen Ehegatte im Ausland wohnt, wird das höhere Alg uneingeschränkt versagt.
Die sehr pauschale Regelung der Alg-Berechnung nach §§ 111/112 AFG kann zwar bei geringfügigen Benachteiligungen auch als Argument dienen, diese ebenfalls hinzunehmen, weil sie im Rahmen einer so stark pauschalierten Regelung nicht ins Gewicht fallen (so BSG 27. Juli 1989 - 11/7 RAr 101/87 -). Bei der hier zu entscheidenden Frage handelt es sich jedoch nicht um eine solche unbeachtliche Verschlechterung.
Wägt man ab, welche dieser Ungleichheiten eher hinzunehmen ist, so spricht für die Alg-Berechnung nach der eingetragenen Steuerklasse der Gedanke der Verwaltungsvereinfachung und das Streben nach angemessener Differenz zwischen bisherigem (pauschaliert berechneten) Nettolohn und Alg. Demgegenüber fällt aber ins Gewicht und spricht für die Zugrundelegung der Steuerklasse III der Grundgedanke der Art 68 Abs 2 und 74 Abs 1 EWGVO 1408/71, der eine Differenzierung nach der Höhe des Unterhaltsaufwandes im Wohnland des unterhaltsberechtigten Familienmitgliedes ausschließt. Dort ist vorgeschrieben, daß Leistungen, die im Hinblick auf die Zahl der Familienangehörigen erhöht werden, für die Arbeitnehmer aus EG-Staaten, deren Ehegatte im Ausland wohnt, uneingeschränkt in gleicher Höhe zu zahlen sind wie bei Arbeitnehmern, deren Ehegatte im Inland wohnt. Folgt man den Auslegungsrichtlinien des EuGH, daß nicht der Wortlaut, sondern der Sinn der Vorschrift im Vordergrund steht und daß auch mittelbare Diskriminierungen vermieden werden müssen (vgl EuGH, Urteil vom 15. Januar 1986 - RS 41/84 - Pinna - EuGHE 1986, 1), so zeigt gerade das Zusammenspiel von Art 68 Abs 2 EWGVO 1408/71 und § 111 Abs 2 AFG, daß die europarechtliche Regelung den Sinn hat, Differenzierungen nicht allein deshalb zuzulassen, weil Familienangehörige im Ausland wohnen. Die ausländischen Arbeitnehmer sollen sozialrechtlich so gestellt werden, als würden ihre Angehörigen im Inland wohnen. Dies kann es erforderlich machen, daß alle mit dem Wohnsitz im Inland zusammenhängenden Voraussetzungen, die für das Sozialrecht maßgeblich sind, ebenfalls fingiert werden müssen, soweit sie für den Sozialleistungsanspruch bedeutsam sind, wenn nur so mittelbare Diskriminierungen vermieden werden können.
Geringerer Aufwand für Familienangehörige im Ausland (sofern eine solche Annahme überhaupt gerechtfertigt ist) kann dabei keine Rolle spielen. Diese Situation bestünde nämlich bei allen Sozialleistungen, bei denen im Ausland lebende Familienangehörige zu berücksichtigen sind. Gleichwohl ist in Art 68 Abs 2 und Art 74 Abs 1 EWGVO 1408/71 die volle Auszahlung der Leistungen für Familienangehörige der Staatsangehörigen aller Vertragsstaaten vorgesehen und damit eine Differenzierung nach dem Preisniveau im Heimatland ausgeschlossen worden.
Weiter ist zu bedenken, daß die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sehr pauschale Alg-Berechnung ohnehin vielfältige Unterschiede in der Höhe des realen Nettoentgelts unberücksichtigt läßt. Das Nettoprinzip wird bei einem Steuerklassenwechsel der Ehegatten durchbrochen (§ 113 Abs 2 AFG), ferner, soweit Freibeträge in die Steuerkarte eingetragen sind oder Unterschiede bei dem Kirchensteuerbetrag bestehen und auch bereits im Vorfeld bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts nach § 112 AFG (vgl zum Freibetrag für Schwerbehinderte Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juli 1989 - 11/7 RAr 101/87 -). Ein weiterer Einbruch in das Nettoprinzip wäre also nicht völlig systemfremd. Er kann lediglich dazu führen, daß die Differenz zwischen Alg und Nettoentgelt nicht mehr den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht und deshalb der Anreiz, eine Arbeit anzunehmen, vermindert wird, insbesondere, wenn die Vergünstigungen bei der Steuerklasse nicht durch Nachteile der Pauschalierungen an anderer Stelle ausgeglichen werden.
Insgesamt läßt sich also sagen, daß durch die mit § 111 Abs 2 AFG erstrebte Verwaltungsvereinfachung und das Ziel einer angemessenen Differenz zwischen Nettoentgelt und Alg beachtliche materielle Nachteile für ausländische Arbeitnehmer entstehen. Sie erhalten bei gleicher Arbeit, gleichem Lohn und gleichen Beiträgen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein geringeres Alg (und zahlen höhere Steuern). Die Orientierung an dem (pauschal berechneten) Nettolohn bei gleichzeitiger Sicherung der Verwaltungsvereinfachung führt außerdem ebenso zu Ungleichbehandlungen (hier zu Lasten der ausländischen Arbeitnehmer), wie die Fiktion der Steuerklasse III (dort zu Gunsten der ausländischen Arbeitnehmer). Die letztgenannte Differenzierung entspricht eher dem Grundgedanken der Art 68 Abs 2 und 74 Abs 1 EWGVO 1408/71.
Diese verschiedenen für und gegen einen Einfluß des EG-Rechts auf die bei der Alg-Berechnung zugrunde zu legende Steuerklasse sprechenden Gründe zwingen nach Auffassung des erkennenden Senats zu Überlegungen, ob aus Art 68 Abs 2 EWGVO 1408/71 oder aber aus Art 48/51 EWGV das Erfordernis abzuleiten ist, bei der Berechnung des Alg von EG-Ausländern, deren Ehegatte im Ausland wohnt und kein Arbeitsentgelt bezieht, fiktiv die Steuerklasse III zugrunde zu legen (vgl auch Vorlagebeschluß des BSG vom 23. August 1989 - 10 RKg 26/88 -).
Fundstellen