Entscheidungsstichwort (Thema)

Letztinstanzliches Gericht iS von Art 177 EWGVtr. Arbeitslosengeld. Zuordnung der Leistungsgruppe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist Art 177 S 3 EWGVtr dahingehend auszulegen, daß als einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, nicht nur die obersten Gerichte der Mitgliedstaaten, sondern jedes einzelstaatliche Gericht anzusehen und daher zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet ist, dessen konkrete Entscheidung nicht mehr oder nur noch (außerordentlich) angefochten werden kann, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vorliegt?

2. Sind Art 7 EWGV und Art 7 Abs 2 EWGV 1612/68 dahin auszulegen, daß bei einem Arbeitnehmer, dessen Ehegatte im Ausland wohnt und keinen Arbeitslohn bezieht, in die Lohnsteuerkarte keine ungünstigere Steuerklasse eingetragen werden darf, als bei einem Arbeitnehmer, dessen Ehefrau im Inland wohnt?

3. Bei Verneinung der Frage zu 2:

Ist Art 68 Abs 2 der EWGV 1408/71, dahingehend auszulegen, daß sich die Verpflichtung zur Berücksichtigung von in einem anderen Mitgliedsstaat wohnenden Familienangehörigen als ob sie im Gebiet des zuständigen Staates wohnen, auch auf Bemessungsfaktoren erstreckt, die die Leistungshöhe beeinflussen und sich ihrerseits danach richten, ob der Arbeitnehmer Familienangehörige hat und diese ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben?

 

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Europäischen Gerichtshof werden gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 (EWGV) zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorgelegt:

1.) Ist Art. 177 Satz 3 EWGV dahingehend auszulegen, dass als einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, nicht nur die obersten Gerichte der Mitgliedstaaten, sondern jedes einzelstaatliche Gericht anzusehen und daher zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet ist, dessen konkrete Entscheidung nicht mehr oder nur noch (außerordentlich) angefochten werden kann, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahren vorliegt?

2.) Sind Art. 7 EWGV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft (VO (EWG) 1612/68) dahin auszulegen, dass bei einem Arbeitnehmer, dessen Ehegatte im Ausland wohnt und keinen Arbeitslohn bezieht, in die Lohnsteuerkarte keine ungünstigere Steuerklasse eingetragen werden darf, als bei einem Arbeitnehmer, dessen Ehefrau im Inland wohnt?

3.) Bei Verneinung der Frage zu 2):

Ist Art. 68 Abs. 2 der Verordnung 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auch Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, VO (EWG) 1408/71, dahingehend auszulegen, dass sich die Verpflichtung zur Berücksichtigung von in einem anderen Mitgliedsstaat wohnenden Familienangehörigen als ob sie im Gebiet des zuständigen Staates wohnen, auch auf Bemessungsfaktoren erstreckt, die die Leistungshöhe beeinflussen und sich ihrerseits danach richten, ob der Arbeitnehmer Familienangehörige hat und diese ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben?

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger ab dem 12. August 1988 gezahlten Arbeitslosengeldes. Umstritten ist insbesondere, ob der Kläger zur Berechnung seines Arbeitslosengeldes statt in die Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse I), in die Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) einzustufen ist, obwohl er die steuerrechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt, weil seine Ehefrau in Spanien lebt und deshalb im Inland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (§ 38 b Satz 2 Nr. 3 a, aa Einkommenssteuergesetz (EStG) i.V.m. § 1 EStG).

Der 1938 geborene Kläger ist spanischer Staatsangehöriger und war vom 24. Juli 1968 bis 20. Juli 1988 bei der Firma … und … KG … in … als Gummiwerker beschäftigt. Er ist verheiratet und hat einen 1975 geborenen Sohn. Dieser und die Ehefrau des Klägers, die keiner Beschäftigung nachgeht, sondern Hausfrau ist, leben in Spanien. Auf der Lohnsteuerkarte des Klägers war für das Jahr 1988 ebenso wie auf den Steuerkarten für die Folgejahre daher die Steuerklasse I ohne Kinder eingetragen.

Nachdem sich der Kläger am 21. Juli 1988 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hatte, bewilligte ihm diese mit Bescheid vom 24. August 1988 Arbeitslosengeld ab dem 12. August 1988 unter Zugrundelegung eines Leistungssatzes von 68 v.H. und der Leistungsgruppe A, d.h. konkret für ein maßgebliches Arbeitsentgelt in Höhe von DM 730,- wöchentlich ein Arbeitslosengeld in Höhe von DM 309,- wöchentlich. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1988 zurück.

Mit der hiergegen am 21. Oktober 1988 erhobenen Klage machte der Kläger weiterhin geltend, die Beklagte ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge