Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung eines in Italien später eingetretenen Arbeitsunfalls bei der Gewährung einer Rente nach RVO § 581 Abs. 3

 

Orientierungssatz

Hat der deutsche Versicherungsträger nach EWGV 3 Art 30 Abs 1 und nach EWGV 1408/71 Art 61 Abs 5 den in Italien später eingetretenen Arbeitsunfall des Klägers zu berücksichtigen, als ob er unter deutschen Rechtsvorschriften eingetreten wäre, wenn die Gewährung einer Rente an den Kläger aus einem früheren nach deutschen Rechtsvorschriften eingetretenen Arbeitsunfall davon abhängt, daß die Hundertsätze der durch beide Arbeitsunfälle verursachten MdE wenigstens die Zahl 20 erreichen (RVO § 581 Abs 3 S 1)?

 

Normenkette

EWGV 3 Art. 30 Abs. 1 Fassung: 1958-09-25; EWGV 1408/71 Art. 61 Abs. 5 Fassung: 1971-06-14; RVO § 581 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 28.10.1975; Aktenzeichen L 3 U 133/75)

SG München (Entscheidung vom 10.03.1975; Aktenzeichen S 20 U 551/74)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.10.1979; Aktenzeichen 2 RU 3/76)

 

Tenor

Die Verhandlung wird ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird zur Vorabentscheidung nachstehende Frage vorgelegt:

Hat der beklagte deutsche Versicherungsträger nach Art 30 Abs 1 der Verordnung Nr 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und nach Art 61 Abs 5 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, den in Italien später eingetretenen Arbeitsunfall des Klägers zu berücksichtigen, als ob er unter deutschen Rechtsvorschriften eingetreten wäre, wenn die Gewährung einer Rente an den Kläger aus einem früheren nach deutschen Rechtsvorschriften eingetretenen Arbeitsunfall davon abhängt, daß die Hundertsätze der durch beide Arbeitsunfälle verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit wenigstens die Zahl 20 erreichen (§ 581 Abs 3 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung)?

 

Gründe

Der Kläger ist Staatsangehöriger der Italienischen Republik und wohnt in Italien. Wegen der Folgen eines am 14. September 1942 in einem jetzt zur Bundesrepublik Deutschland gehörenden Gebiet des Deutschen Reiches erlittenen Arbeitsunfalls gewährte die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente, die sie mit Ablauf des Monats Dezember 1955 entzog, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Unfallfolgen nur noch am 15 vH gemindert war (Bescheid vom 11. November 1955). Am 5. April 1966 erlitt der Kläger in Italien einen weiteren Arbeitsunfall. Er bezieht deswegen vom Istituto nazionale per l' assicurazione contro gli infortuni sul lavoro (INAIL), Geschäftsstelle T. Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 14 vH (Bescheid vom 9. April 1968). Am 14. Februar 1973 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Wiedergewährung einer Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 14. September 1942. In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Prof. Dr. M... in S. vom 31. Juli 1973 wurde die MdE wegen der Folgen des Unfalls vom 14. September 1942 auf 15 vH geschätzt. Durch Bescheid vom 17. Mai 1974 lehnte die Beklagte die Wiedergewährung der Rente ab. Die Rente, die aus Anlaß des am 5. April 1966 in Italien erlittenen Unfalls vom INAIL in T. gewährt werde, könne nicht nach § 581 Abs 3 RVO eine Rente wegen des Unfalls vom 14. September 1942 stützen. Nach Art 61 Abs 5 der EWG-VO Nr 1408/71 und der Durchführungsbestimmungen des Art 72 der EWG-VO Nr 574/72, die gegenüber dem § 581 Abs 3 RVO Vorrang hätten, sei eine solche Stützung ausgeschlossen. Das Sozialgericht (SG) München hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die im Bescheid vom 17. Mai 1974 genannten Leiden ab 1. Februar 1973 Rente nach einer MdE von 15 vH zu gewähren (Urteil vom 10. März 1975). Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Oktober 1975). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Rente für die Folgen des im Jahre 1942 erlittenen Arbeitsunfalls nach § 581 Abs 3 RVO. Art 61 Abs 5 der EWG-VO Nr 1408/71 gebiete nur, daß der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung eines Mitgliedstaates, dessen nationales Recht die Berücksichtigung früher eingetretener Arbeitsunfälle bei der Bemessung des Grades der MdE vorsehe, früher in einem anderen Mitgliedstaat eingetretene Arbeitsunfälle so zu berücksichtigen habe, als ob sie unter den für ihn geltenden Rechtsvorschriften eingetreten seien. Die Berücksichtigung späterer Arbeitsunfälle sei nicht vorgesehen. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine Ausnahmeregelung, die grundsätzlich keiner extensiven Auslegung zugänglich sei. Allenfalls könne der italienische Versicherungsträger verpflichtet sein, die Folgen des im Jahre 1942 erlittenen Arbeitsunfalls bei der Entschädigung des Arbeitsunfalls vom 5. April 1966 zu berücksichtigen. Darauf, ob das hier einschlägige Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf das vor Inkrafttreten des § 581 Abs 3 RVO geltende Recht abgestellt sei, komme es nicht an.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Nach § 581 Abs 3 RVO komme es nicht auf die zeitliche Reihenfolge der einzelnen Arbeitsunfälle an. Diese Rechtslage werde durch Art 61 Abs 5 EWG-VO Nr 1408/71 nicht geändert. Diese Vorschrift solle nur sicherstellen, daß bei der Bemessung der MdE ein früher eingetretener Arbeitsunfall nicht außer Betracht bleibe. Der geltend gemachte Anspruch müsse aus dem Sinn und Zweck der Gemeinschaftsnorm abgeleitet werden. Es widerspreche dem in Art 3 EWG-VO Nr 1408/71 niedergelegten Gleichbehandlungsgebot, wenn der Anspruch auf Rente davon abhänge, wann und wo sich der Arbeitsunfall ereignet habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 28. Oktober 1975 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 10. März 1975 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, daß es sich bei Art 61 Abs 5 EWG-VO Nr 1409/71 um eine Zuständigkeitsregelung für die Berücksichtigung der Folgen früherer Unfälle handele. Danach sei im vorliegenden Fall der italienische Versicherungsträger für die Rentengewährung aus dem im Jahre 1942 erlittenen Unfall zuständig.

Die Verhandlung war auszusetzen, da der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) vom 25. März 1957 (BGBl II 766) zur Vorabentscheidung über die Auslegung von Rechtsvorschriften der EWG anzurufen ist.

Die Anrufung des EuGH ist erforderlich, weil der Anspruch des Klägers auf eine Rente für die Folgen des am 14. September 1942 auf einem jetzt zur Bundesrepublik Deutschland gehörenden Gebiet des Deutschen Reiches erlittenen Arbeitsunfalls nach nationalem deutschen Recht nicht gegeben ist und allenfalls aufgrund von Rechtsvorschriften der EWG begründet sein könnte, deren Anwendung auf den vorliegenden Fall jedoch zweifelhaft ist.

Die einem durch Arbeitsunfall verletzten Versicherten zu gewährende Rente hängt unter anderem gemäß § 581 Abs 1 RVO von dem Grad der durch die Folgen des Unfalls verursachten MdE ab. Grundsätzlich muß die Erwerbsfähigkeit um mindestens ein Fünftel (20 vH) gemindert sein (§ 581 Abs 1 Nr 2 RVO). Besondere Vorschriften regeln das sogenannte Recht der kleinen Renten. Nach § 581 Abs 3 Satz 1 RVO erhält ein Verletzter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert ist, für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall Verletztenrente, wenn die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsanfälle verursachten MdE zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind jedoch nach § 581 Abs 3 Satz 2 RVO nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern. Den Arbeitsunfällen stehen nach § 581 Abs 3 Satz 3 RVO gleich Unfälle und Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, den Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

Sofern der Kläger nach dem ersten Arbeitsunfall später einen zweiten nach deutschen Rechtsvorschriften zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten hätte und seine Erwerbsfähigkeit durch jeden dieser beiden Arbeitsunfälle um 10 vH gemindert wäre, würde er nach § 581 Abs 3 Satz 1 RVO Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente für beide Arbeitsunfälle jeweils nach einer MdE von 10 vH haben. Ein nicht nach deutschen Rechtsvorschriften zu entschädigender Arbeitsunfall - hier der nach italienischen Rechtsvorschriften zu entschädigende Arbeitsunfall vom 5. April 1966 - vermag den Anspruch des Klägers auf Rente für die Folgen des ersten Arbeitsunfalles vom 14. September 1942 nach einer MdE von wenigstens 10 vH gemäß § 581 Abs 3 Satz 1 RVO nicht zu begründen.

Das frühere Reichsversicherungsamt (RVA) hat in einer die Grundsätze zum Recht der kleinen Rente betreffenden Entscheidung vom 5. April 1939 (Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung -AN- 1939, 190) kein Zweifel daran gehabt, daß als andere für die Erreichung der Zahl 20 beitragende Unfälle nur nach der RVO versicherte Unfälle in Frage kommen. Dieser Auffassung stimmt der erkennende Senat zu.

Der in § 581 RVO verwendete Begriff “Arbeitsunfall„ ist in § 548 RVO als ein Unfall definiert, den ein nach deutschen Rechtsvorschriften Versicherter bei Tätigkeiten erleidet, die in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannt sind. Unfälle, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Staates als Arbeitsunfälle gewertet werden, fallen nicht darunter. Das schließt nicht aus, daß einzelne tatbestandsmäßige Voraussetzungen des Anspruchs auf Unfallentschädigung auch im Ausland verwirklicht werden können (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl S 474 a - Hilfeleistung im Ausland; S 486 K - Wegeunfall im Ausland; S 574 c - Arbeitseinkommen im Ausland). Jedoch muß es sich um einen nach deutschen Rechtsvorschriften zu beurteilenden Anspruch handeln, für dessen Erfüllung ein deutscher Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig ist. Die Definition des Begriffs “Arbeitsunfall„ gilt gleichermaßen für alle in § 581 Abs 3 Satz 1 und 2 RVO genannten Arbeitsunfälle, sowohl für denjenigen, für den ein Anspruch auf eine kleine Rente geltend gemacht wird, als auch für den schon entschädigten - früheren oder späteren - Arbeitsunfall, der den Anspruch auf die kleine Rente stützen soll. Auch die in § 581 Abs 3 Satz 3 RVO normierte Gleichstellung der Arbeitsunfalle mit Unfällen und Entschädigungsfällen nach einer Reihe von deutschen Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren, deutet darauf hin, daß § 581 RVO insgesamt nur auf Tatbestände anzuwenden ist, die nach deutschen Rechtsvorschriften zu beurteilen sind. Der vom Kläger am 5. April 1966 in Italien erlittene und vom INAIL entschädigte Arbeitsunfall kann somit nicht nach § 581 Abs 3 Satz 1 RVO einen Anspruch des Klägers auf eine kleine Rente für die Folgen des früher von der Beklagten entschädigten Arbeitsunfalls vom 14. September 1942 stützen, der die Erwerbsfähigkeit des Klägers noch um 15 vH mindert.

Ein Anspruch auf eine kleine Rente könnte dem Kläger allenfalls zustehen, sofern aufgrund von Rechtsvorschriften der EWG der später in Italien eingetretene Arbeitsunfall des Klägers im Rahmen des § 581 Abs 3 Satz 1 RVO zu berücksichtigen ist, als ob er unter deutschen Rechtsvorschriften eingetreten wäre.

Eine solche Rechtsfolge ist nicht schon aus den Art 48 bis 51 EWG-Vertrages herzuleiten, die sich mit dem Prinzip der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EWG und dessen Verwirklichung durch Maßnahmen des Rates der EWG befassen. Das nationale Recht mit seinem in der Regel auf das eigene Staatsgebiet beschränkten Geltungsbereich ist erhalten geblieben. Daher ist nicht jeder in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Anspruch ohne weiteres wie ein im eigenen Staatsgebiet erworbener Anspruch zu behandeln. Von einer so weitgehenden Koordinierung und Deterritorialisierung kann in der EWG nicht die Rede sein (vgl die Ausführungen des Generalanwalts R. in EuGHE 1969, 607, 608).

In Art 30 Abs 1 der Verordnung Nr 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. September 1958 - EWG-VO Nr 3 - (Amtsbl d Europ Gemeinschaften vom 16. Dezember 1958 S 561), der vom 1. Januar 1959 bis zum 30. September 1972 in Kraft war und in Art 61 Abs 5 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern - EWG-VO Nr 1408/71 - (Amtsbl d Europ Gemeinschaften Nr 149 L vom 5. Juli 1971 S 2), der am 1. Oktober 1972 in Kraft getreten ist, sind jedoch Vorschriften enthalten, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung sein können. Unter der Voraussetzung, daß die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates ausdrücklich oder stillschweigend vorsehen, daß bei der Bemessung des Grades der Erwerbsminderung infolge eines Arbeitsunfalls früher eingetretene Arbeitsunfälle zu berücksichtigen sind, müssen auch früher nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates eingetretene Arbeitsunfälle berücksichtigt werden, als seien sie unter den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates eingetreten. Durch § 581 Abs 3 RVO ist die Berücksichtigung eines früher eingetretenen Arbeitsunfalls bei der Bemessung des Grades der Erwerbsminderung eines später eingetretenen Arbeitsunfalls vorgesehen, sofern der durch den späteren Arbeitsunfall verursachte Grad der MdE nicht mindestens 20 vH (§ 581 Abs 1 Nr 2 RVO), aber wenigstens 10 vH erreicht. Nach deutschem Recht ist jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht nur ein früher, sondern auch ein später eingetretener Arbeitsunfall im Rahmen des Rechts der kleinen Rente zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob auch nach den Rechtsvorschriften der EWG - Art 30 Abs 1 EWG-VO Nr 3 und Art 61 Abs 5 EWG-VO Nr 1408/71 - ein später in einem anderen Mitgliedstaat eingetretener Arbeitsunfall zu berücksichtigen ist, als sei er nach deutschen Rechtsvorschriften eingetreten, ob also der vom Kläger im Jahre 1966 in Italien erlittene Arbeitsunfall einen Anspruch auf eine kleine Rente nach § 581 Abs 3. Satz 1 RVO für die Folgen des nach deutschen Rechtsvorschriften zu entschädigenden Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1942 stützen kann.

Der erkennende Senat hat Bedenken, Art 30 Abs 1 EWG-VO Nr 3 und Art 61 Abs 5 EWG-VO Nr 1408/71 über ihren Wortlaut hinaus auszulegen. Er vermag nicht zu erkennen, inwieweit diese Vorschriften im Hinblick auf das deutsche Recht der kleinen Renten, das im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen war, normiert sind. Das bis zum 30. Juni 1963 in Kraft gewesene alte Recht der kleinen Renten (§ 559 a Abs 3 RVO aF) wurde durch die Rechtsprechung zunächst dahin ausgelegt, daß ein nach dem Gesetz zu berücksichtigender “anderer„ Unfall in der Regel nur ein früherer Unfall sein kann (AN 1939, 190). Im April 1960 hat das Bundessozialgericht (BSG) jedoch entschieden, daß für eine kleine Rente nicht nur ein früher, sondern auch ein später eingetretener Unfall zu berücksichtigen ist (BSGE 12, 58). Dieser gewandelten Rechtsauffassung hat der deutsche Gesetzgeber in § 581 Abs 3 RVO idF des am 1. Juli 1963 in Kraft getretenen Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz - UVNG - vom 30. April 1963 (BGBl I 241) Rechnung getragen. Die Rechtsvorschriften der EWG, deren Anwendung, hier in Erwägung gezogen ist, regeln dem Wortlaut nach aber nur die Berücksichtigung eines früher nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates eingetretenen Arbeitsunfalls, sofern das nationale Recht die Berücksichtigung eines früheren Arbeitsunfalls bei der Bemessung des Grades der Erwerbsminderung vorsieht.

Der erkennende Senat hält sich daher für verpflichtet, die Verhandlung auszusetzen und den EuGH gemäß Art 177 EWG-Vertrag zu bitten, über die Auslegung des Art 30 Abs 1 EWG-VO Nr 3 und des Art 61 Abs 5 EWG-VO Nr 1408/71 wegen ihrer Entscheidungserheblichkeit für den Anspruch des Klägers auf eine kleine Rente (§ 581 Abs 3 Satz 1 RVO) vorab zu entscheiden. Er stellt dem EuGH die im Beschlußausspruch im einzelnen formulierte Frage nach der Berücksichtigung des später in Italien eingetretenen Arbeitsunfalls des Klägers.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655660

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