Leitsatz (amtlich)

Auch bei einem Fremdrentner ist der Steigerungsbetrag für Zeiten der Kriegsgefangenschaft und der Internierung und einer anschließenden unverschuldeten Arbeitslosigkeit nach HkG § 24 Abs 2 zu berechnen. Es kommt nicht darauf an, ob ohne die solche Ersatzzeiten begründenden Umstände höhere Beiträge geleistet worden wären.

 

Normenkette

FANG Art. 6 § 6 Abs. 2 Fassung: 1960-02-25; HkG § 24 Abs. 2 Fassung: 1950-06-19

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. Dezember 1963 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Ruhegeldes, das der Kläger seit November 1956 erhält, und zwar nunmehr nur noch um die Frage, wie die Zeit vom 2. April 1948 bis zum 31. Oktober 1956, in der er in der sowjetischen Besatzungszone interniert und anschließend krank gewesen war, bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte legte in ihren Bescheiden vom 24. Juli 1961, 9. Mai 1962 und vom 20. August 1962 der Ermittlung des Steigerungsbetrages für die genannte Ersatzzeit das Bruttojahresarbeitsentgelt für das Jahr 1948 nach der Leistungsgruppe (LGr) 2 der Anlage 9 zu § 22 des Fremdrentengesetzes (FRG) zugrunde (4.668,-: 12 = 389,- DM monatlich x 103 Monate = 40.067,00 DM). Der Kläger begehrt stattdessen einen Steigerungsbetrag, der für die Jahre 1948 bis 1956 nach den jeweils hierfür bestimmten, steigenden Bruttojahresarbeitsentgelten der Anlage 9 zu § 22 FRG berechnet werden soll.

Das Sozialgericht gab seiner Klage statt. Das Landessozialgericht (LSG) hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab: Bei der Umstellung der Rente nach Art. 6 § 6 Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) sei nur der für Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 FRG zu gewährende Steigerungsbetrag nach den Tabellen zum FRG zu ermitteln. Für die Ersatzzeiten des Klägers gelte die Regelung des § 24 Abs. 2 des Heimkehrergesetzes (HkG) bzw. des § 9 Abs. 2 des Häftlingshilfegesetzes (HHG). Danach richte sich der Steigerungsbetrag nach der Höhe der Beiträge, die vor dem Beginn der Ersatzzeit entrichtet worden seien (Urteil vom 13. Dezember 1963).

Mit der - zugelassenen - Revision beantragt der Kläger sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. Juli 1963 zurückzuweisen.

Er rügt die unrichtige Anwendung des Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG. Das LSG habe verkannt, daß diese Vorschrift hinsichtlich der für Ersatzzeiten zu ermittelnden Steigerungsbeträge eine Lücke enthalte, die durch die Rechtsprechung unter Beachtung der dem HkG und dem HHG zu entnehmenden Grundgedanken zu schließen sei. Da der Versicherte durch Ereignisse, die ihn stellvertretend für alle an der geregelten Fortsetzung seiner Versicherung gehindert haben, keinen Schaden erleiden solle, müsse der Steigerungsbetrag für Ersatzzeiten nach den entsprechenden Jahresdurchschnittsgehältern der Tabelle 9 zu § 22 FRG ermittelt werden. In seinem Fall sei die Beklagte hierzu aber auch deshalb verpflichtet, weil sie bei der ursprünglichen Rentenberechnung nach den Vorschriften des früheren Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) in dieser Weise vorgegangen sei. Hiervon könne sie bei der Umstellung der Rente nach Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG nicht ohne weiteres abgehen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

Das LSG hat zutreffend die streitigen Bescheide der Beklagten für richtig erachtet und es abgelehnt, der Ermittlung des Steigerungsbetrages für die vom Kläger zurückgelegte Ersatzzeit die den einzelnen Jahren entsprechenden Bruttojahresarbeitsentgelte der Anlage 9 zu § 22 FRG zugrunde zu legen.

Die vom Kläger gewünschte Berechnungsart, die die Ersatzzeit so behandelt, als ob der Versicherte durchgehend mit steigendem Einkommen beschäftigt gewesen wäre, ist vom Gesetzgeber nach § 4 Abs. 4 des Gesetzes über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung vom 22. August 1949 (WiGBl S. 263) allein für Zeiten der nationalsozialistischen Verfolgung vorgesehen. Dem davon betroffenen Personenkreis ist die besondere Vergünstigung eingeräumt worden, daß Verdienststeigerungen, die während der Ersatzzeit glaubhaft eingetreten wären, bei der Ermittlung des Steigerungsbetrages zu berücksichtigen sind.

Eine Ausdehnung dieses Privilegs über den Kreis der Verfolgten des Nationalsozialismus hinaus ist angesichts der entgegenstehenden ausdrücklichen Regelungen nicht möglich.

Ausgangspunkt für die rentensteigernde Anrechnung der Ersatzzeiten des Klägers ist § 24 Abs. 2 HkG, da der Versicherungsfall noch vor dem Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze des Jahres 1957 eingetreten ist. Diese Vorschrift verweist für die Ermittlung des Steigerungsbetrages auf §§ 1 und 2 der Verordnung über die Gewährung von Steigerungsbeträgen vom 8. Oktober 1941 (RGBl I 634) und § 7 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der 2. Lohnabzugsverordnung (LAV) vom 15. Juni 1942 (RGBl I 403). Danach richtet sich der Steigerungsbetrag für die Ersatzzeit nach dem vorher geleisteten letzten Beitrag bzw. dem zuletzt bescheinigten Arbeitsverdienst oder nach dem Durchschnitt der letzten drei Monate; mindestens ist er jedoch nach einem Beitrag der 2. Beitragsklasse (2. Gehaltsklasse) zu gewähren.

Diese Berechnungsart sieht also einen einheitlichen, nach der letzten vorherigen Beitragsleistung ausgerichteten Steigerungsbetrag für die gesamte Ersatzzeit vor; sie läßt den Beweis, daß ohne die Ersatzzeit höhere Beiträge geleistet worden wären, nicht zu. An dieser Art der Ermittlung des Steigerungsbetrages für die Ersatzzeiten des § 24 HkG haben die Neuregelungsgesetze nichts geändert. Vielmehr sind nach Art. 2 § 6 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG - (Art. 2 § 5 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG -) für die Rentenansprüche aus Versicherungsfällen vor dem Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften maßgebend geblieben. Der hiernach errechnete Steigerungsbetrag wurde damit Grundlage der Rentenumstellung nach Art. 2 § 31 AnVNG (Art. 2 § 32 ArVNG).

Auch das FANG hat die Art und Weise, nach der bei "Altrenten" der Steigerungsbetrag für Ersatzzeiten zu ermitteln ist, nicht berührt:

Nach Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG sind die Renten, die auf vor dem 1. Januar 1957 eingetretenen Versicherungsfällen beruhen, lediglich unter Einbeziehung der nach §§ 15, 16 FRG anrechenbaren Zeiten erneut umzustellen. Dabei ist der Steigerungsbetrag für die Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 FRG nach den Tabellen der Anlagen des FRG zu ermitteln. Die Berechnung des Steigerungsbetrages für die auf die Fremdzeiten folgenden Ersatzzeiten ist dagegen in Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG nicht geregelt worden. Zu Unrecht sieht der Kläger darin eine Lücke, die durch die Rechtsprechung auszufüllen sei. Er verkennt insoweit die bloß ergänzende Bedeutung des Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG, der nur Bestimmungen für die neu einzubeziehenden Fremdrentenzeiten (§§ 15 und 16 FRG) zu treffen hatte, es im übrigen aber bei der früheren Berechnungsart nach den allgemeinen Vorschriften belassen hat.

Es besteht kein Anhalt für die Annahme, die Methode, nach der der Steigerungsbetrag für Ersatzzeiten bisher zu ermitteln war, habe geändert werden sollen. Dazu gab die Neuregelung des Fremdrentenrechts auch schon deshalb keinen Anlaß, weil sich die Situation der Fremdrentner insoweit von der der einheimischen Versicherten nicht unterscheidet. Beiden Gruppen können durch Kriegsdienst, -gefangenschaft, Internierung usw. in gleicher Weise Lücken im Versicherungsverlauf entstanden sein, die jedoch bei beiden nach denselben Vorschriften auszugleichen sind.

Das LSG hat danach zu Recht in Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG keine Grundlage für das Begehren des Klägers gesehen.

Der Klageanspruch ist aber auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte in einem früheren Bescheid den Steigerungsbetrag für die vom Kläger zurückgelegte Ersatzzeit nach den verschiedenen, den Tabellen zum FAG entnommenen Jahresarbeitsentgelten berechnet und insoweit - wie der Kläger meint - ein ausdrückliches "Anerkenntnis" abgegeben hat.

An diese unrichtige Berechnungsart war die Beklagte nicht durch § 77 SGG gebunden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, erstreckt sich die Bindungswirkung des § 77 SGG nicht auf die Gründe, Berechnungsfaktoren und die Berechnungsart einer Rente (vgl. BSG 14, 154; 24, 236; BSG-Urteil vom 21. September 1966 - 11 RA 189/64). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlaß. Die Beklagte konnte danach bei erneuter Umstellung nach Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG den Steigerungsbetrag für die Ersatzzeit des Klägers in gesetzmäßiger Weise berechnen und war lediglich gehalten, den Besitzstand des Klägers zu wahren, d. h. den bisherigen Rentenzahlbetrag nicht zu unterschreiten. Das ist geschehen. Im übrigen ergibt die frühere Berechnung der Steigerungsbeträge für die Internierungs- und Krankheitszeiten durch die Beklagte (nach der Anlage 3 der Ersten Durchführungsverordnung zum FAG), auf die sich der Kläger beruft, einen wesentlich geringeren Steigerungssatz als die Berechnung der Beklagten in den jetzt angefochtenen Bescheiden. Durch die neue Berechnung wäre daher der Kläger gar nicht "beschwert".

Die streitigen Bescheide der Beklagten sind somit rechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision des Klägers gegen das angefochtene Urteil ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2340766

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