Leitsatz (redaktionell)
Feststellung der Beitragsentrichtung nach AFG § 141n durch Verwaltungsakt sowie Beiladung von Arbeitnehmern, Arbeitgeber und Konkursverwalter bei Streit zwischen Arbeitsamt und Einzugsstelle über die Beitragsentrichtung:
1. Die Entscheidung des Arbeitsamtes über die Bewilligung oder Ablehnung der Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen nach AFG § 141n stellt einen Verwaltungsakt dar.
2. Bei Streit zwischen Arbeitsamt und Einzugsstelle über die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen nach AFG § 141n sind weder die Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber oder der Konkursverwalter nach SGG § 75 Abs 2 notwendig beizuladen.
Orientierungssatz
1. Gemäß AFG § 141n hat die Einzugsstelle die Entrichtung von Beiträgen bei der BA zu beantragen. Hieraus ist zu entnehmen, daß die Einzugsstelle die Beiträge nicht schlicht anfordern kann, sondern daß vielmehr die Entrichtung von einer Entscheidung der BA abhängig ist.
Diese besondere, durch Gesetz der BA zugewiesene Entscheidungsbefugnis zeigt, daß insoweit die Einzugsstelle und die BA sich nicht als gleichgeordnete Behörden gegenübertreten. Vielmehr besteht zwischen beiden ein Über- und Unterordnungsverhältnis.
2. Allein aus der Tatsache, daß sich 2 Behörden gegenüberstehen, kann nicht gefolgert werden, daß zwischen ihnen kein Verwaltungsakt ergehen kann (vgl BSG 1978-02-02 12 RK 29/77 = HVBGB RdSchr VB 52/78). Das Sozialrecht kennt keine eigene gesetzliche Bestimmung des Begriffs des Verwaltungsakts. Daher kann auch im Sozialrecht auf die Begriffsbestimmung in VwVfG § 35 S 1 zurückgegriffen werden.
3. Für Fälle, in denen die Entscheidung lediglich die Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch bestimmt, kommt allein die fakultative Beiladung nach SGG § 75 Abs 1 in Betracht, deren Unterlassung keinen Verfahrensfehler darstellt, der von Amts wegen zu beachten ist (vgl BSG 1974-03-12 2 S 1/74 = SozR 1500 § 75 Nr 1).
Normenkette
AFG § 141n Fassung: 1974-07-17, § 141e Abs. 1 S. 2 Fassung: 1974-07-17; SGG § 75 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; VwVfG § 35 S. 1
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 06.06.1977; Aktenzeichen L 1 Ar 1038/76) |
SG Wiesbaden (Entscheidung vom 08.10.1976; Aktenzeichen S 5 Ar 45/75) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Juni 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Klägerin auf Beiträge aus der Konkursausfallversicherung (§ 141n Arbeitsförderungsgesetz - AFG -) davon abhängig ist, daß sie den Antrag auf Entrichtung der Beiträge innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 141e Abs 1 Satz 2 AFG) oder eines ihm gleichgestellten Ereignisses (§ 141b Abs 3 AFG) stellt.
Am 10. Dezember 1974 lehnte das Amtsgericht Hadamar einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns Josef L, Stahlbau, Industriemontagen und Hallenbau, E, mangels Masse ab. Am 15. Februar 1975 beantragte die Klägerin ihrerseits die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns Josef L. Diesen Antrag lehnte das Amtsgericht Hadamar durch Beschluß vom 4. April 1975 ebenfalls mangels Masse ab, nachdem sich die Klägerin geweigert hatte, entsprechend dem Beschluß des Amtsgerichts vom 11. März 1975 einen Kostenvorschuß von 1.000,- DM einzuzahlen.
Am 17. April 1975 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ablehnung ihres Konkursantrages vom 4. April 1975 die Zahlung rückständiger Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. März 1974 bis 30. Juni 1974 in der Gesamthöhe von 70.515,78 DM.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die Klägerin die Ausschlußfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG nicht eingehalten habe (Entscheidung vom 9. Juni 1975). Für die Berechnung dieser Frist sei das erste Insolvenzereignis - hier der 10. Dezember 1974 - maßgebend.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin zunächst - der Rechtsmittelbelehrung entsprechend - Widerspruch eingelegt (eingegangen am 23. Juni 1975). Der Widerspruch wurde vom Arbeitsamt Limburg als Klage angesehen und an das Sozialgericht (SG) Wiesbaden abgegeben. Alsdann hat die Klägerin mit Datum vom 8. Oktober 1975 eine Klage erhoben, die sie ausdrücklich als Leistungsklage nach § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bezeichnete. Sie führte dazu aus, der Widerspruch sei lediglich vorsorglich erhoben worden und nicht als Klage anzusehen. Da zwischen Behörden kein Über- und Unterordnungsverhältnis bestehe, das den Erlaß eines Verwaltungsaktes ermögliche und die Entscheidung der Beklagten deshalb nicht als Verwaltungsakt angesehen werden könne, sei auch keine Anfechtungsklage zu erheben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat sie - davon abweichend - allerdings beantragt, "die Entscheidung vom 9. Juni 1975 aufzuheben". Im Berufungsverfahren ist sie aber wieder zu einem reinen Leistungsantrag zurückgekehrt, nachdem das SG ungeachtet des weitergehenden Antrags in der mündlichen Verhandlung die Klage als reine Leistungsklage und als die gebotene Klageform angesehen hatte. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG Wiesbaden vom 8. Oktober 1976; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts - LSG - vom 6. Juni 1977).
Das LSG hat ausgeführt, daß die Ausschlußfrist im vorliegenden Fall nicht bereits am 10. Dezember 1974, sondern erst am 24. Dezember 1974 in Gang gesetzt worden sei. Die geltend gemachten Ansprüche seien erst durch das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 eingeführt worden. Dieses Gesetz sei am 24. Dezember 1974 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl I S. 3656). Die Ausschlußfrist könne erst an diesem Tage beginnen. Der spätere erneute Konkursantrag der Klägerin sei jedoch für den Fristablauf ohne Bedeutung. Unerheblich sei auch, ob die Klägerin von dem ersten Ablehnungsbeschluß erfahren habe, da sie die Möglichkeit gehabt habe, durch Anfrage beim Amtsgericht hiervon Kenntnis zu erhalten. Anhaltspunkte, daß die Beklagte sich rechtsmißbräuchlich auf die Ausschlußfrist berufe, seien weder aus dem Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Forderung noch aus der Abwägung der beiderseitigen Interessen herzuleiten.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, daß die Ausschlußfrist nicht vor zuverlässiger Kenntnis von dem Eintritt des Insolvenzereignisses beginnen könne. Außerdem hält sie die vom LSG vorgenommene Interessenabwägung für unzutreffend.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 70.515,78 DM zu zahlen.
Die Beigeladenen haben sich diesem Antrag angeschlossen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen.
Mit Recht haben die Vorinstanzen keinen Anlaß gesehen, die Arbeitnehmer, für die die Klägerin Beiträge von der Beklagten fordert, den Arbeitgeber oder den Konkursverwalter zum Rechtsstreit nach § 75 Abs 2 SGG beizuladen. Es liegt diesem Verfahren kein Streitgegenstand zugrunde, über den auch dem Versicherten oder dem Arbeitgeber gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann. Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Voraussetzungen der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG bei Beitragsstreitigkeiten bisher nur in zwei Gruppen von Fällen anerkannt. Die erste Gruppe umfaßt Fälle, in denen aus der Entscheidung, daß Beiträge zu entrichten oder nicht zu entrichten sind, die Verpflichtung oder die Entlastung eines Dritten folgt, der im Falle der Versicherungspflicht einen Teil der Beiträge zu tragen hätte (BSG v. 28.August 1968 - 3 RK 26/68 - SozR Nr 32 zu § 75 SGG; vom 2. Dezember 1970 - 4 RJ 33/70 - SozR Nr 37 zu § 75 SGG; vom 27. Januar 1977 - 12 RK 8/76 -; vom 23. Februar 1977 - 12/3 RK 30/75 - und - 12 RK 14/76 -). Die zweite Gruppe umfaßt Fälle, in denen beim Streit zwischen dem zur Zahlung der Beiträge verpflichteten (meist dem Arbeitgeber) zugleich über die Versicherungspflicht und damit das Versicherungsverhältnis des Versicherten (meist des Beschäftigten) zu entscheiden ist (BSG vom 16. Dezember 1976 - 12/3/12 RK 23/74 -; vom 27. Januar 1977 - 12 RK 90/75 -; vom 28. April 1977 - 12 RK 30/76 -; vom 2. Februar 1978 - 12 RK 56/76 - und - 12 RK 59/76 -). Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Bei einem Erfolg des Klagebegehrens wäre allein die Beklagte verpflichtet, Beiträge zu entrichten. Die Pflichten des Arbeitgebers und daraus folgend die Ansprüche gegen die Konkursmasse und ebenso die Versicherungsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer werden nicht berührt. Über diese Fragen hat nämlich die Klägerin vor oder mit Stellung des Antrags auf Beitragsentrichtung durch die Beklagte bereits aufgrund der ihr als Einzugsstelle zugewiesenen Befugnis über die Versicherungspflicht Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen binden auch die Beklagte. Sie sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Der Senat hat bereits in zwei Urteilen vom 2. Februar 1978 (- 12 RK 17/76 - und - 12 RK 29/77 -) ausgesprochen, daß die Krankenkassen in ihrer Eigenschaft als Einzugsstellen auch gegenüber anderen Behörden, denen die Entrichtung von Pflichtbeiträgen - gleichviel aus welchem Grund - obliegt, verbindlich durch Verwaltungsakt über die Versicherungspflicht und die übrigen Voraussetzungen der Beitragszahlung entscheiden. So ist es auch hier hinsichtlich der Versicherungspflicht der Arbeitnehmer und der Beitragszahlungspflicht des in Konkurs gegangenen Arbeitgebers sowie der Beitragshöhe. Von dieser Entscheidung der Klägerin ist deshalb für die Beurteilung dieses Rechtsstreits auszugehen. Lediglich die Entscheidung, ob die Beklagte anstelle des Arbeitgebers (bzw des Konkursverwalters) zur Beitragsentrichtung verpflichtet ist, ist der AOK durch die besondere Regelung des § 141n AFG entzogen worden. Nur über diese Frage ist deshalb auch in diesem Rechtsstreit zu befinden. Die Versicherten werden zumindest im Bereich der Rentenversicherung zwar auch bei diesem eingeengten Entscheidungsgegenstand betroffen, weil der Umfang ihrer Rentenansprüche davon abhängen kann, ob die Beiträge durch die Bundesanstalt für Arbeit (BA) entrichtet werden oder nicht. Insoweit sind sie aber nur mittelbar betroffen und können allenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen. Für derartige Fälle, in denen die Entscheidung lediglich die Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch bestimmt, kommt allein die fakultative Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG in Betracht, deren Unterlassung keinen Verfahrensfehler darstellt, der von Amts wegen zu beachten ist (BSG SozR 1500 § 75 Nr 1).
Der Revision muß aber aus anderen Gründen der Erfolg versagt bleiben. Die Klägerin hat - jedenfalls in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG - ausschließlich eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG erhoben. Für eine Umdeutung in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG ist angesichts der eindeutigen Erklärungen der Klägerin, daß kein Verwaltungsakt vorliege, kein Raum.
Der mit der Leistungsklage verfolgte Anspruch auf Beitragsentrichtung nach § 141n AFG besteht indes nicht. Er kommt der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 9. Juni 1975 entgegensteht. Diese ist - entgegen der Auffassung der im Verfahren Beteiligten und der Vorinstanzen - ein Verwaltungsakt. Wie der Senat in den bereits zitierten Urteilen vom 2. Februar 1978 entschieden hat, kann allein aus der Tatsache, daß sich zwei Behörden gegenüberstehen, nicht gefolgert werden, daß zwischen ihnen kein Verwaltungsakt ergehen kann. Das Sozialrecht kennt keine eigene gesetzliche Bestimmung des Begriffs des Verwaltungsakts. Daher kann auch im Sozialrecht auf die Begriffsbestimmung in § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zurückgegriffen werden, zumal diese Definition im wesentlichen den in Rechtsprechung und Rechtslehre seit langem entwickelten Grundsätzen zum Verwaltungsakt entspricht (vgl Begründung des Regierungsentwurfs vom 18. Juli 1973 zum Entwurf des VwVfG, BT-Drucks 7/910, S. 56f; Kopp, VwVfG, 1976, § 35, Anm 1; derselbe, VwGO, 2. Aufl 1976, § 42, Anm 9a; Eyermann/Fröhler, VwGO, 7. Aufl 1977, § 42, Rdnrn 12 bis 14). § 35 Satz 1 VwVfG definiert den Verwaltungsakt als "jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist".
Die streitige Entscheidung erfüllt alle Voraussetzungen eines Verwaltungsakts: Sie enthält eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts - Ablehnung der Entrichtung von Beiträgen aus der Konkursausfallversicherung -, diese Ablehnung ist auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet - sie wendet sich unmittelbar an die Klägerin - und sie ist von der Beklagten als Behörde erlassen. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin und die Beklagte an sich als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts rechtlich gleichgeordnet sind. Es gehört allerdings zum Wesen eines Verwaltungsakts, daß er, indem er eine Regelung trifft, dem Adressaten gebietet. Das schließt sachnotwendig die Überordnung des Gebietenden über den Gebotsunterworfenen ein. Im Regelfall liegt das Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen einer einen Verwaltungsakt erlassenden Behörde und dem Betroffenen auch deutlich zutage, weil die Entscheidung an einen Bürger gerichtet ist. Ein Über- und Unterordnungsverhältnis kann aber auch zwischen an sich in ihrer Rechtsstellung Gleichgeordneten vorhanden sein, wenn einem von ihnen für eine bestimmte Aufgabe ein gesetzlicher Auftrag erteilt und ihm insoweit eine Regelungsmacht übertragen ist. So werden seit jeher Maßnahmen der Aufsicht gegenüber Selbstverwaltungsträgern wegen des sachgebotenen Über- und Unterordnungsverhältnisses als Verwaltungsakte angesehen (vgl BVerwGE 19, 121; BVerwG DVBl 1965, 86; BSGE 31, 247, 249; Bachof, Festschrift für Laforet, 1952, S. 285, 287, 313; Peter Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 229, 1974, S. 142; Salzwedel, Die Lehre vom Verwaltungsakt in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, ... 1965, S. 197, 212 ff). Ob Träger der öffentlichen Verwaltung im Verhältnis zueinander über- und untergeordnet sind, ist nur aufgrund ihrer jeweiligen Rechtsbeziehungen zu entscheiden (BSG SozR 5910 § 90 Nr 2; Urteil des erkennenden Senats vom 26. Mai 1976 - 12/7 RAr 70/75 - SozSich 1976, 349 = USK 76195 = AuB 1977, 390 mit Anm Hoppe). Es kommt also darauf an, ob zwischen den Verwaltungsträgern ein dem Regelverhältnis von Verwaltung und Betroffenem vergleichbares Rechtsverhältnis besteht, das die Züge von Über- und Unterordnung trägt (vgl Peter Krause, aaO, S. 142f). Das ist hier der Fall. § 141n AFG sieht ausdrücklich vor, daß die Einzugsstelle bei der BA einen Antrag zu stellen hat. Daraus läßt sich entnehmen, daß die Einzugsstelle weder die Befugnis hat, die Beitragszahlungspflicht durch Verwaltungsakt festzulegen, noch die Beiträge schlicht anfordern kann, sondern daß vielmehr die Beitragsentrichtung von einer besonderen Entscheidung des zuständigen Arbeitsamts abhängig ist. Dies bestätigt auch die Verweisung (§ 141n Satz 3 AFG) auf § 141e AFG, wo für den Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug) ebenfalls bestimmt ist, daß diese Leistungen nur auf Antrag gewährt werden. Die Verweisung ebenso wie die gleiche Wortwahl zeigen, daß die Entscheidung über diese Leistungen dem Arbeitsamt zur alleinigen verbindlichen Regelung gegenüber jedem Antragsteller zugewiesen ist. Daraus folgt die Befugnis, auch die Beitragsentrichtung den Einzugsstellen gegenüber durch Verwaltungsakt festzulegen.
Die bisherige Rechtsprechung des BSG steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Soweit bisher die Möglichkeit zur Regelung eines Rechtsverhältnisses zwischen zwei Behörden durch Verwaltungsakt ausgeschlossen wurde, ging es um Fragen der Haftung oder des internen Ausgleichs zwischen mehreren Leistungsverpflichteten in einem Fall auch darum, daß eine Norm für Regelungen in einem bestimmten Bereich überhaupt fehlte (vgl BSG vom 9. Mai 1957 - 4 RJ 228/55 -, BSGE 5, 140, 143f; vom 6. April 1960 - 2 RU 198/57 -, BSGE 12, 65, 67 ff; vom 19. Oktober 1960 - 4 RJ 214/58 -, BSGE 13, 94, 96; vom 23. Oktober 1959 - 3 RK 53/56 -, BSGE 10, 260, 263). In keinem dieser Fälle war der anspruchsberechtigten Behörde aufgegeben, einen Antrag zu stellen; auch enthielt das Gesetz dort keinen ähnlichen Hinweis auf die Entscheidungsbefugnis der leistenden Behörde.
Ist somit davon auszugehen, daß die Entscheidung über die Beitragsentrichtung nach § 141n AFG vom Arbeitsamt verbindlich gegenüber der Einzugsstelle durch Verwaltungsakt getroffen wird, so muß auch die Entscheidung vom 9. Juni 1975 als Verwaltungsakt angesehen werden. Daran ändert sich nichts dadurch, daß nach den Ausführungen des LSG die Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr daran festgehalten hat, daß es sich bei ihrer Entscheidung um einen Verwaltungsakt gehandelt hat. Hierin könnte allenfalls die Bereitschaft gesehen werden, sich nicht auf eine Bindungswirkung der getroffenen Entscheidung zu berufen. Eine Aufhebung der Entscheidung kann darin nicht gesehen werden. Ist der Verwaltungsakt vom 9. Juni 1975 aber bestehengeblieben, so ist für seinen Rechtscharakter nicht die Auffassung der Prozeßbeteiligten, sondern allein der Inhalt des Gesetzes maßgeblich. Danach handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der dem Verlangen nach Beitragsentrichtung entgegensteht, solange er nicht beseitigt worden ist. Da dies nicht geschehen ist, kann die Klägerin mit der Leistungsklage keinen Erfolg haben.
Die Klägerin hat auch nicht die Möglichkeit, von der reinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zur Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG überzugehen. Die Erhebung einer Anfechtungsklage gegenüber einem im Verfahren vor dem LSG nicht mehr streitbefangenen Verwaltungsakt stellt eine Klageänderung dar (BSG vom 11. März 1976 - 7 RAr 147/74 - SozR 5910 § 90 Nr 2). Eine solche Klageänderung ist gem § 168 Halbsatz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen