Leitsatz (amtlich)

Zur Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes, wenn der Versicherte in der letzten Zeit vor seinem Tode Arbeitseinkünfte nur noch auf Kosten seiner Gesundheit erzielt hat.

 

Normenkette

AVG § 42 S 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1265 S 1 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 09.04.1980; Aktenzeichen III ANBf 14/79)

SG Hamburg (Entscheidung vom 27.08.1976; Aktenzeichen 10 AN 355/75)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit wird um die Gewährung einer sogen. "Geschiedenen-Witwenrente" geführt. Die im Oktober 1906 geborene Klägerin war mit dem Maschinenbauingenieur Alfons N. (im folgenden: Versicherter) verheiratet. Diese Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 3. Mai 1966 aus dem Verschulden des Versicherten geschieden. Er schloß im September 1970 eine neue Ehe mit der Beigeladenen. Am 1. Juni 1973 verstarb der Versicherte. Die Beklagte bewilligte der Beigeladenen mit Bescheid vom 22. Oktober 1973 eine ungekürzte Witwenrente.

Der Versicherte war bis zum 28. März 1965 selbständig tätig und sodann arbeitslos. Am 9. Dezember 1965 erlitt er einen Herzinfarkt. Die Beklagte gewährte ihm für den Zeitraum vom 9. Dezember 1965 bis 30. Juni 1967 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit. Ab Mai 1971 war der Versicherte als Abteilungsleiter bei der Firma SE-F. GmbH (später Firma St. GmbH) tätig. Sein Nettoeinkommen betrug dort im Juni 1972 DM 1.660,--, vom Juli bis Oktober 1972 je DM 1.653,--, im November 1972 DM 2.156,- im Dezember 1972 DM 1.729,-, im Januar 1973 DM 1.714,-, im Februar 1973 DM 1.007,--, im März 1973 DM 2.200,--, im April 1973 DM 401,--, im Mai 1973 nichts und im Juni 1973 DM 1.734,--. Von Oktober bis Anfang Dezember 1972 und erneut ab 5. Januar 1973 war er wegen einer Herzerkrankung arbeitsunfähig. Mit dem erst nach seinem Tode ergangenen Bescheid vom 22. Oktober 1973 bewilligte ihm die Beklagte für die Zeit ab 1. November 1972 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die Klägerin war bis Ende 1971 als Verwaltungsangestellte mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von zuletzt DM 923,-tätig. Seit dem 1. Januar 1972 bezog sie von der Beklagten Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von DM 157,60 monatlich und von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) eine Versorgungsrente von monatlich DM 192,90. Diese Beträge erhöhten sich ab 1. Januar 1973 auf DM 172,60 bzw DM 203,30.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Geschiedenen-Witwenrente vom 13. Juni 1973 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Mai 1974 ab, weil der Versicherte während des mit dem Eintritt dauernder Erwerbsunfähigkeit am 30. Oktober 1972 eingeleiteten letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode mangels Unterhaltsfähigkeit der Klägerin nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) Unterhalt nicht habe zu leisten brauchen. Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts -SG- Hamburg vom 27. August 1976 und des Landessozialgerichts -LSG- Hamburg vom 26. Oktober 1977). Auf die Revision der Klägerin hob der erkennende Senat mit Urteil vom 14. Dezember 1978 (BSGE 47, 269 = SozR 2200 § 1265 Nr 37) das Urteil des LSG auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Das LSG hat den Sachverhalt weiter aufgeklärt und sodann mit dem nunmehr angefochtenen Urteil vom 9. April 1980 die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Bei der für den Rechtsstreit allein noch entscheidenden Frage, ob der Klägerin nach § 58 Abs 1 EheG ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten zugestanden habe, bestimmten sich die Leistungsfähigkeit des Versicherten und die Leistungsbedürftigkeit der Klägerin nach den Verhältnissen während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten. In dem durch den im Dezember 1965 erlittenen Herzhinterwandinfarkt, einen labilen Bluthochdruck, einen Zustand nach Thrombose des linken Unterschenkels, Bandscheibenschäden der Lendenwirbelsäule und ein Übergewicht geprägten gesundheitlichen Zustand des Versicherten sei spätestens im April 1971 eine Verschlimmerung eingetreten. Hierdurch sei der Gesundheitszustand eingeleitet worden, der sich über die Krankenhauseinweisung des Versicherten im November 1972 wegen Verdachts eines Re-Infarktes bis zu seinem Tode im Juni 1973 fortgesetzt habe. Dabei habe es sich allerdings noch nicht um das Endstadium einer mit Wahrscheinlichkeit zum Tode führenden Krankheitsentwicklung gehandelt. Dieses Endstadium sei unter Berücksichtigung der von dem Sachverständigen Dr. M. bestätigten medizinischen Erfahrung, daß eine Belastung durch Arbeit bei vermehrt auftretenden Angina-pectoris- Anfällen das Versagen des Herzmuskels fördere und bei fortschreitender Koronarsklerose den Tod beschleunige, erst im November 1972 eingetreten. Der zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes und schließlich zum Tode des Versicherten führende wesentliche Umstand liege in der Weiterarbeit auf einem Arbeitsplatz, der nach der von dem letzten Arbeitgeber des Versicherten gegebenen Arbeitsplatzbeschreibung auch einen gesunden Arbeitnehmer voll beansprucht hätte. Dieser Zeitraum, der nur durch arbeitsbedingte Weiterbelastung den Tod beschleunigt habe, müsse in den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand einbezogen werden, weil der Versicherte auch noch in der Zeit von November 1972 bis zu seinem Tode überwiegend wegen effektiv geleisteter Arbeit Entgelt bezogen habe. Im übrigen habe nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. der im November 1972 vorhandene verschlechterte Gesundheitszustand wahrscheinlich schon acht bis zwölf Wochen vorher bestanden. Damit sei der Zeitraum der schließlich zum Tode führenden Krankheit etwa ab Mitte September 1972 bis Anfang Juni 1973 (Tod des Versicherten) anzunehmen. Dieser Zeitraum von ca. 9 Monaten mit schwankender Krankheitsintensität und zwischenzeitlichem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei zu lang, um bei der Festlegung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes unberücksichtigt bleiben zu dürfen. Dieser umfasse damit die Zeit von Anfang September 1972 bis Anfang Juni 1973. Die Darlegungen des Sachverständigen Dr. M. vermittelten die Überzeugung, daß der Versicherte jedenfalls ab September 1972 seine Erwerbstätigkeit auf Kosten seiner Gesundheit ausgeübt habe. Die aus einer solchen Tätigkeit erzielten Einkünfte müßten bei der Prüfung der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten außer Betracht bleiben. Das gelte zunächst für die vom Versicherten in den Monaten September bis Dezember 1972, ab 6. März 1973 und bis 9. April 1973 durch effektive Arbeit verdienten Gehälter. Aber auch die im Januar und Februar sowie zum Teil im April 1973 geleisteten Gehaltsfortzahlungen seien nicht zu berücksichtigen, weil der Versicherte bereits ab September 1972 auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet habe. Das im November 1972 gezahlte Weihnachtsgeld (DM 503,14), die Lohnsteuerrückvergütung im Dezember 1972 (DM 45,46) und das im März 1973 gezahlte Urlaubsgeld (DM 485,92) seien ungeachtet ihres Rechtscharakters bei Umlegung auf den gesamten letzten wirtschaftlichen Dauerzustand wegen ihrer geringen Höhe selbst dann nicht geeignet, einen Beitrag von ca. 25 v.H. des Mindestbedarfes eines Alleinstehenden nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zu erreichen, wenn diese Beträge ungeschmälert nur für den Unterhalt der Klägerin verwendet würden. Die Erwerbsunfähigkeitsrente habe dem Versicherten zu seinen Lebzeiten nicht mehr zur Verfügung gestanden und müsse deswegen unberücksichtigt bleiben. Insgesamt hätten während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nur rechtlich unerhebliche Unterhaltsbeträge in Betracht kommen können. Damit bedürfe es nicht der Feststellung, wie hoch das Gesamtnettoeinkommen zur Zeit der Scheidung gewesen und wie es auf den Zeitpunkt des Todes zu projizieren sei. Eine Berücksichtigung der dem Versicherten im Februar/März und vom April bis Juni 1973 zugeflossenen Krankengeldleistungen von insgesamt DM 3.672,- führe zu keinem anderen Ergebnis. Bei Hinzurechnung des Weihnachtsgeldes, der Lohnsteuerrückvergütung und des Urlaubsgeldes ergebe sich ein Gesamtbetrag von DM 4.735,60 und damit bei Umrechnung auf die neun Monate des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ein monatlicher Betrag von DM 526,18. Bei Einbeziehung der Renteneinkünfte der Klägerin von DM 375,90 habe sich das Gesamteinkommen der geschiedenen Eheleute während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auf monatlich DM 902,08 belaufen. Für die Maßgeblichkeit der Lebensverhältnisse der früheren Ehegatten zur Zeit der Scheidung unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse und ihrer gesellschaftlichen Stellung vor allem am Ende der Ehe sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Scheidung über erheblich höhere Nettoeinkünfte verfügt habe als der damals arbeitsunfähige und auch späterhin vermindert einsatzfähige Versicherte. Ihr habe deswegen zur Zeit der Scheidung effektiv kein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten zugestanden. Selbst wenn es gleichwohl zulässig sei, die späteren Einkommensverhältnisse dergestalt zu berücksichtigen, daß die Verhältnisse zur Zeit der Scheidung auf diejenigen im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand projiziert würden, hätten der Klägerin bei den bestehenden relativ einfachen Lebensverhältnissen am Ende der Ehe ein Anteil von 8/21 des anrechenbaren Gesamteinkommens von DM 902,08 und damit monatlich ca. DM 344,- zugestanden. Werde hierauf ihr eigenes Einkommen von DM 375,90 angerechnet, ergebe sich wiederum kein Betrag, der als Unterhalt zu berücksichtigen sei. Die Klägerin habe somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt im Zeitpunkt des Todes des Versicherten einen Unterhaltsanspruch gehabt.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 58 Abs 1 EheG in seiner bis zum 30. Juni 1977 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung. Das LSG habe unzutreffend den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand für die Zeit von September 1972 bis Juni 1973 festgelegt. Der Versicherte habe seit dem 17. Mai 1971 ohne Unterbrechung in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma St. gestanden und Arbeitseinkommen erzielt. Ohne seinen Tod hätte sich dieser wirtschaftliche Zustand fortgesetzt. Zu Unrecht habe das LSG wegen des Verlaufes der schließlich zum Tode führenden Krankheit des Versicherten als Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes den Monat September 1972 angenommen. Einmal habe der Krankheitsverlauf keine nennenswerte wirtschaftliche Auswirkung auf das Arbeitseinkommen des Versicherten gehabt. Zum anderen sei die zum Tode führende Erkrankung ein Re-Infarkt gewesen, der erst am 30. Mai 1973 zur stationären Krankenhausaufnahme geführt habe. Selbst bei Würdigung der fortschreitenden Koronarsklerose als die den Tod beschleunigende Krankheit sei die Festlegung des Beginns des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auf den Monat September 1972 unrichtig. Denn die Erkrankung sei vom Sachverständigen bereits für April 1971 festgestellt worden. Letzter wirtschaftlicher Dauerzustand sei daher der Zeitraum vom 17. Mai 1971 bis Anfang Juni 1973. Die Auffassung des LSG, die dem Versicherten in der Zeit zwischen September 1972 bis zum 9. April 1973 gezahlten Gehälter seien durch eine Erwerbstätigkeit auf Kosten seiner Gesundheit erzielt worden und deswegen bezüglich seiner Unterhaltsfähigkeit außer Betracht zu lassen, werde durch die tatsächlichen Feststellungen nicht gestützt. Die in den Gründen des angefochtenen Urteils erwähnte Krankenhauseinweisung im November 1972 finde im Urteilstatbestand keine Stütze. Die von der Firma St. übersandte Arbeitsplatzbeschreibung rechtfertige nicht die Feststellung, daß der Versicherte durch den Arbeitsplatz voll beansprucht worden und dort einem erheblichen Zeitdruck ausgesetzt gewesen sei. Vielmehr ergebe sich aus der Arbeitsplatzbeschreibung, daß es sich um eine Tätigkeit sitzender und gehender Natur ohne schwere körperliche Belastung gehandelt habe, deren zeitliche Lage und Ausübung im Ermessen des Versicherten gestanden habe. Das LSG habe auch versäumt, Feststellungen über die persönliche Einstellung des Versicherten zu seiner Arbeitsleistung und über deren Ablauf und Umfang zu treffen. Der Sachverständige Dr. M. habe ohne Differenzierung nach der Art der Tätigkeit lediglich pauschal angegeben, daß jede berufliche Tätigkeit zu Lasten des Gesundheitszustandes gegangen sei. Unter Berücksichtigung der häufigen, zunächst kurzfristigen und später mehrwöchigen Arbeitsunfähigkeitszeiten des Versicherten sei er durch seine Tätigkeit allenfalls überfordert worden. Im übrigen habe das LSG versäumt, Feststellungen über die Höhe ihres (der Klägerin) Nettoeinkommens im Zeitpunkt der Scheidung zu treffen.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 9. April 1980 und des Sozialgerichts Hamburg vom 27. August 1976 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. Mai 1974 und Abänderung des Bescheides vom 22. Oktober 1973 zu verurteilen, ihr (Klägerin) Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres früheren Ehemannes Alfons N. zu gewähren; hilfsweise: das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 9. April 1980 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie bringt vor, das LSG habe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand zu Recht und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) den Zeitraum von Anfang September 1972 bis Anfang Juni 1973 festgestellt. Ebenfalls zutreffend sei es nach Aufklärung der hierfür erforderlichen tatsächlichen Umstände unter Zugrundelegung der vom BSG aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkte zu dem Ergebnis gelangt, daß der Versicherte bereits vor seiner Krankmeldung seine Beschäftigung auf Kosten seiner Gesundheit ausgeübt habe und deswegen die daraus erzielten Einkünfte bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit außer Ansatz bleiben müßten.

Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klägerin begehrt eine Geschiedenen-Witwenrente. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist, wie mit bindender Wirkung für den nachfolgenden Rechtsstreit (§ 170 Abs 5 SGG) bereits durch das in dieser Sache ergangene erste Urteil des Senats vom 14. Dezember 1978 (BSGE 47, 269, 271 = SozR 2200 § 1265 Nr 37 S 114) entschieden worden ist, die erste Regelung des § 42 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in seiner zur Zeit des Todes des Versicherten geltenden Fassung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl I S 88). Danach wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten (vor dem 1. Juli 1977; vgl die Einfügung durch Art 4 Nr 1 Buchst b des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts - 1. EheG - vom 14. Juni 1976; BGBl I S 1421) geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte.

Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Versicherte hatte zur Zeit seines Todes der Klägerin keinen Unterhalt zu leisten.

Unter der "Zeit des Todes" iS des § 42 Satz 1 AVG ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten zu verstehen. Der Rechtsbegriff des "letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes" ist von der Rechtsprechung im Rahmen sowohl des § 42 Satz 1 AVG  (= § 1265 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) als auch des § 43 Abs 1 AVG (= § 1266 Abs 1 RVO) entwickelt worden, um nicht Zufälligkeiten wie etwa besonders günstige oder besonders ungünstige Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes des bzw der Versicherten für den Anspruch auf eine in der Regel langfristige Leistung bestimmend sein zu lassen (vgl BSGE 35, 243, 244f = SozR Nr 13 zu § 1266 RVO; BSG SozR 2200 § 1265 Nr 35 S 106; BSGE 47, 269, 273). Für die zeitliche Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ist ohne Rücksicht auf ihre Dauer grundsätzlich die Zeitspanne von der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes mit Dauerwirkung bis zum Tode des Versicherten maßgebend (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 6 S 29). Die nach dem Tode des Versicherten zu erwartenden Verhältnisse können nicht berücksichtigt werden. Der als "Zeit des Todes" geltende letzte wirtschaftliche Dauerzustand kann immer nur ein vor dem Tode des Versicherten gegebener Zustand sein. Nur bei einem solchen läßt sich mit dem Gesetzgeber generell vermuten, daß dieser Zustand ohne den Tod wahrscheinlich fortbestanden hätte (BSGE 46, 14, 15 = SozR 2200 § 1265 Nr 30 S 88 f mwN). Andererseits darf im Regelfall der letzte wirtschaftliche Dauerzustand nicht auf einen früheren Lebensabschnitt der Hinterbliebenen und des Versicherten vorverlegt werden (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 13 S 52; Urteil des Senats vom 27. April 1982 - 1 RJ 134/80 -). Allerdings hat das BSG im Rahmen seiner Rechtsprechung zum letzten wirtschaftlichen Dauerzustand eine starre schematische Handhabung abgelehnt und auch Billigkeitserwägungen Raum gegeben. So kann es unbillig sein, die dem Tode des Versicherten vorausgehende Zeit einer Erkrankung und einer dadurch bedingten Verschlechterung der Unterhaltslage bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings nicht eine bestimmte zeitliche Grenze maßgebend. Insbesondere kann eine dem Tode vorausgehende Zeit der Erkrankung nicht allein deshalb bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes außer Betracht bleiben, weil die Krankheit in weniger als einem Jahr zum Tode geführt hat. Zwar kann nur eine verhältnismäßig kurze Krankheitszeit unberücksichtigt bleiben. Im übrigen jedoch ist auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen und vor allem zu berücksichtigen, ob die Krankheit die spätere Todesursache ("Vorstufe des Todes") gewesen ist und ob sie den Tod in absehbarer Zeit hätte herbeiführen müssen (BSGE 35, 243, 245 f = SozR Nr 13 zu § 1266 RVO; BSG SozR 2200 § 1265 Nr 35 S 106; BSGE 47, 269, 273; Urteil des Senats vom 27. April 1982 - 1 RJ 134/80 - mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung zu § 1266 RVO).

Das LSG (S 13 des Urteils) hat als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand die Zeit von Anfang September 1972 bis Anfang Juni 1973 angesehen. Es hat somit bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes die dem Tode des Versicherten vorausgehende Zeit seiner Erkrankung nicht unberücksichtigt gelassen. Das kann schon angesichts der Länge dieses Zeitraumes nicht als unbillig angesehen werden. Dies macht auch die Revision nicht geltend. Nach Ansicht der Klägerin hätte das LSG als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand den Zeitraum vom 17. Mai 1971 (Aufnahme der Tätigkeit des Versicherten als Abteilungsleiter bei der Firma SE-F.) bis Anfang Juni 1973 feststellen müssen. Sie wendet sich demnach nicht gegen die Einbeziehung der vor dem Tode des Versicherten liegenden Zeit seiner Krankheit in den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand. Vielmehr beanstandet sie lediglich die Festlegung des Beginns dieses Zustandes auf den Monat September 1972.

Indes begegnet das angefochtene Urteil auch insoweit keinen Bedenken. Das LSG ist nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe davon ausgegangen, daß der Versicherte ab Anfang September 1972 seine Arbeitseinkünfte auf Kosten seiner Gesundheit erzielt hat, und hat diesem Umstand in rechtlicher Hinsicht Bedeutung nicht nur für die Berücksichtigungsfähigkeit der Einkünfte, sondern auch für die Bestimmung des Beginns des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes beigemessen. Dem ist zunächst in tatsächlicher Hinsicht zu folgen. Das LSG hat auf der Grundlage insbesondere des Gutachtens des Sachverständigen Dr. M. vom 13. Dezember 1979 und seiner ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung am 9. April 1980 festgestellt, daß der Versicherte von Anfang September 1972 bis zu seinem Tode auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet und Erwerbseinkünfte erzielt hat. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 163 SGG). Die dagegen vorgebrachten Einwendungen der Klägerin entsprechen nicht den Anforderungen an eine zulässige Revisionsrüge (§§ 163, 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Hierfür reicht die bloße Behauptung einer "Unrichtigkeit" der tatsächlichen Feststellungen ohne nähere Darlegung, daß und aus welchem Grunde sie verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind, nicht aus. Ebenso wenig genügt es, daß der Revisionskläger die erhobenen Beweise - hier vor allem die Arbeitsplatzbeschreibung der Firma St. vom 7. August 1979 und die Äußerung des Sachverständigen Dr. M. vom 9. April 1980 - anders als das Tatsachengericht würdigt und daran anschließend eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich hält. Wird in der Revisionsbegründung lediglich die Beweiswürdigung des LSG angegriffen, ohne im einzelnen darzulegen, inwieweit diese gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoße und deswegen eine Überschreitung der Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht vorliege, so sind zulässige und begründete Revisionsrügen in der durch § 164 Abs 2 SGG vorgeschriebenen Form nicht vorgebracht worden (so Urteil des BSG vom 29. November 1978 - 5 RKn 24/77 -; insoweit in BSGE 47, 192 = SozR 2200 § 1251 Nr 55 nicht abgedruckt). Das gilt auch vorliegend. Die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen (vgl BSGE 48, 228, 230 = SozR 2200 § 548 Nr 46 S 122), daß und aus welchen Gründen die Beweiswürdigung des LSG gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt.

Auch in rechtlicher Hinsicht sind gegen die vom LSG vorgenommene Festlegung des Beginns des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auf Anfang September 1972 Bedenken nicht zu erheben. Allerdings weist der vorliegende Sachverhalt eine Besonderheit auf. Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des BSG ist für den Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes die letzte vor dem Tode des Versicherten eingetretene Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes - im Rahmen des § 42 AVG im weiteren Sinne unter Einbeziehung der geschiedenen Ehefrau - mit Dauerwirkung maßgebend. Diese Änderung hat in den vom BSG bisher entschiedenen Rechtsstreitigkeiten regelmäßig zu einer Verschlechterung oder Verbesserung der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Versicherten selbst oder eines Familienmitgliedes bestanden. Eine solche in Zahlen und Beträgen zum Ausdruck kommende Veränderung hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden. Nach den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG (S 2 des Urteils) hat der Versicherte ebenso wie bis Anfang September 1972 auch in der Zeit danach eine Erwerbstätigkeit ausgeübt und daraus grob durchschnittlich in etwa gleich hohe Einkünfte erzielt wie zuvor. Die Anfang September 1972 eingetretene Veränderung besteht allein darin, daß er von diesem Zeitpunkt an die Arbeitseinkünfte auf Kosten seiner Gesundheit erzielt hat. Diese Tatsache ist indes nicht nur für die Beurteilung der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten im Rahmen des § 58 Abs 1 EheG rechtserheblich. Ihr kommt rechtliche Bedeutung auch für die Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes zu. Die Rechtskonstruktion des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes dient - wie erwähnt - einer Konkretisierung der generellen Vermutung des Gesetzgebers, daß dieser Zustand ohne den Tod des Versicherten wahrscheinlich fortbestanden hätte. Hierbei kann nicht außer Betracht bleiben, daß der Versicherte in der letzten Zeit vor seinem Tode Erwerbseinkünfte nur auf Kosten seiner Gesundheit erzielt hat. Denn nach genereller gesetzlicher Vermutung hätte ohne seinen Tod allein dieser Zustand fortbestanden. Die Tatsache der Erzielung von Einkünften auf Kosten der Gesundheit kann in ihren rechtlichen Auswirkungen im Rahmen des § 42 Satz 1 AVG nicht anders beurteilt werden als ein Wegfall dieser Einkünfte und ist deswegen wie dieser als eine für die Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes wesentliche wirtschaftliche Änderung anzusehen.

Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand umfaßt somit den Zeitraum von Anfang September 1972 bis zum Tode des Versicherten. Während dieses Zeitraums hat der Versicherte der Klägerin keinen Unterhalt zu leisten brauchen. Rechtsgrundlage eines etwaigen Unterhaltsanspruchs ist § 58 Abs 1 EheG, der inzwischen mit Ablauf des 30. Juni 1977 seine Wirksamkeit verloren hat (vgl Art 3 Nr 1, Art 12 Nr 13 Buchst a des 1. EheRG). Hiernach hat der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Voraussetzung für das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs ist somit, daß während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes der Versicherte leistungsfähig und die geschiedene Ehefrau unterhaltsbedürftig gewesen ist. Letzteres kann hier auf sich beruhen. Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin scheitert jedenfalls an der fehlenden Leistungsfähigkeit des Versicherten.

Bei deren Beurteilung haben - wie der Senat bereits in seinem in diesem Rechtsstreit ergangenen ersten Urteil vom 14. Dezember 1978 (BSGE 47, 269, 271f = SozR 2200 § 1265 Nr 37 S 114 f) ausgesprochen hat - die vom Versicherten auf Kosten seiner Gesundheit erzielten Einkünfte außer Ansatz zu bleiben. Das gilt zunächst für die ihm aufgrund seiner Erwerbstätigkeit bei der Firma SE-F. von September 1972 bis Juni 1973 gezahlten Gehälter einschließlich der Lohnfortzahlung. Aber auch das nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (S 14 des angefochtenen Urteils) im November 1972 gezahlte Weihnachtsgeld in Höhe von DM 503,14 und das im März 1973 gezahlte Urlaubsgeld in Höhe von DM 485,92 müssen unberücksichtigt bleiben. Diese Einkünfte resultieren mittelbar ebenfalls aus der vom Versicherten auf Kosten seiner Gesundheit ausgeübten Erwerbstätigkeit. Dies trifft schließlich ebenso für das dem Versicherten für die Zeiträume vom 19. Februar bis 5. März 1973 und vom 10. April bis 1. Juni 1973 gezahlte Krankengeld zu (vgl S 15 des angefochtenen Urteils). Dabei kann auf sich beruhen und bedarf nicht der Aufklärung, ob ein Teil jedenfalls des auf den zweiten Zeitraum entfallenden Krankengeldes nicht ohnehin erst nach dem Tode des Versicherten ausgezahlt worden und somit während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes gar nicht in seine Verfügungsgewalt gelangt ist. Ungeachtet dessen muß das Krankengeld insgesamt bei der Beurteilung der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten außer Betracht bleiben. Wie der Senat ebenfalls bereits in seinem Urteil vom 14. Dezember 1978 (BSGE 47, 269, 272 = SozR 2200 § 1265 Nr 37 S 116) ausgesprochen hat, gehört das Krankengeld zu den Erträgnissen aus einer Erwerbstätigkeit und damit zum Einkommen des Verpflichteten. Es kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn der Versicherte bereits vor der Krankmeldung seine Beschäftigung auf Kosten seiner Gesundheit ausgeübt hat, sei es vom Beginn der Tätigkeit an oder wegen einer deutlich vor der Krankmeldung liegenden Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes. Diese Voraussetzungen sind nach den ergänzenden tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllt. Danach hat der Versicherte seit Anfang September 1972 seine Erwerbstätigkeit auf Kosten seiner Gesundheit ausgeübt. Ursächlich hierfür ist eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes gewesen. Diese liegt deutlich vor dem Beginn der ersten Zeit des Krankengeldbezuges ab 19. Februar 1973. Das Krankengeld kann deswegen bei einer Beurteilung der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten ebenfalls keine Berücksichtigung finden. Für die dem Versicherten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (S 14 des Urteils) im Dezember 1972 gewährte Lohnsteuerrückvergütung in Höhe von DM 45,46 kann dies auf sich beruhen. Angesichts seiner geringen Höhe ist dieser Betrag ohne Bedeutung für eine etwaige Unterhaltsfähigkeit des Versicherten.

Die Klägerin hat nach alledem während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes keinen Unterhaltsanspruch aufgrund des EheG gegen den Versicherten gehabt. Die Voraussetzungen der ersten Regelung des § 42 Satz 1 AVG für die Gewährung einer Geschiedenen-Witwenrente sind nicht erfüllt. Das hat das LSG zutreffend erkannt. Dies führt zur Zurückweisung der Revision.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659807

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