Entscheidungsstichwort (Thema)

Verordnung des Generalkommissars in Kauen (Litauen)

 

Leitsatz (redaktionell)

Das von einem Organ der deutschen Besatzungsmacht ausschließlich für die einheimische Bevölkerung in Litauen gesetzte Sozialversicherungsrecht wird auch nicht nach dem Sinn des SVFAG § 3 Abs 1 von dieser Vorschrift erfaßt.

 

Normenkette

SVFAG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 2, § 4 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 1964 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten hin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 1964 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. März 1962 zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Es ist streitig, ob nicht versicherte Beschäftigungszeiten, die der Kläger vor November 1940 in Litauen zurückgelegt hat, auf die Wartezeit anzurechnen sind.

Der Kläger ist heimatloser Ausländer aus Litauen. Nach seinen Angaben war er dort von 1929 bis Juli 1943 - unterbrochen durch eine Dienstzeit im litauischen Heer in den Jahren 1933/34 - als Arbeiter und Angestellter bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt. Im August 1943 kam er nach Deutschland; hier war er bis März 1945 als Fremdarbeiter eingesetzt. Danach stand der Kläger noch von Juni 1948 bis April 1949 in Lübeck in einem Beschäftigungsverhältnis; während dieser Zeit sind für ihn Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung (ArV) entrichtet worden. Seitdem hat der Kläger wegen eines Lungenleidens nicht mehr gearbeitet.

Den im November 1960 gestellten Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte ab. Sie nahm an, der Kläger sei seit 1949 berufsunfähig, erfülle aber die Wartezeit für eine Rente nicht, weil unter Berücksichtigung der Kürzungen nach § 19 Abs. 2 des Fremdrentengesetzes (FRG) nur eine Versicherungszeit von 38 Monaten (9 Monate von November 1940 bis August 1941, 18 Monate von August 1943 bis März 1945, 11 Monate von Juni 1948 bis April 1949) zurückgelegt sei.

Die Klage, mit der der Kläger die Anrechnung der nicht berücksichtigten Beschäftigungszeiten in Litauen begehrte, war erfolglos (Urteil des Sozialgerichts - SG - Lübeck vom 29. März 1962). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte zur Gewährung von Rente wegen EU unter Berechnung einer Beitragszeit von 45 Monaten für die Zeit von November 1940 bis März 1945 und von 11 Monaten für die Zeit von Juni 1948 bis April 1949 verurteilt, im übrigen die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es verwertete dabei eine Erklärung der Beklagten, nach der diese auch die Zeit von September 1941 bis Juli 1943 als Versicherungszeit anerkannte und gelangte auf insgesamt 56 Monate durch Anwendung des § 19 Abs. 2 FRG. Weiterhin sah das LSG eine Beschäftigungszeit des Klägers von 1935 bis Oktober 1940 als glaubhaft gemacht an. Diese sei zwar nicht nach dem FRG, bei dem hier vor dem Inkrafttreten des Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) liegenden Versicherungsfall der EU aber noch nach § 3 Abs. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 (BGBl I 848-FremdRG) i. V. m. den Verordnungen (VO) des deutschen Generalkommissars in Kauen über den Aufbau einer Sozialversicherung aus dem Jahre 1943 - hier § 24 der Zweiten Durchführungsverordnung (DVO) vom 1. Juli 1943 - zusätzlich auf die Wartezeit anzurechnen. Mit diesen VOen sei deutsches Sozialversicherungsrecht in Litauen eingeführt worden; es handele sich dabei also um Einführungsvorschriften i. S. des § 3 Abs. 1 FremdRG. Diese seien erst zum 1. Januar 1959 außer Kraft getreten. Dies ergebe - mittelbar - Art. 7 § 3 Abs. 1 Buchst. p FANG, der eine solche Anordnung für die gleichlautenden VOen des Generalkommissars in Riga enthalte. Eine rentensteigernde Anrechnung der vor November 1940 liegenden Beschäftigungszeit komme jedoch nicht in Betracht; nach Art. 6 §§ 8 und 6 FANG erfolge die Rentenberechnung auch bei Versicherungsfällen alten Rechts nach dem FRG; dieses sehe aber eine Gleichstellung von Beschäftigungszeiten mit Versicherungszeiten (§ 16) für heimatlose Ausländer nicht vor (§ 17 Abs. 2 Satz 2).

Das LSG hat die Revision zugelassen. Beide Beteiligte haben das Rechtsmittel eingelegt.

Der Kläger rügt Verletzungen der Vorschriften des Art. 6 §§ 6, 8, Art. 7 § 3 Abs. 1 FANG und der §§ 16, 17 FRG. Er meint, die VO des Generalkommissars in Kauen über den Aufbau einer Sozialversicherung vom 1. Mai 1943 (Amtsbl. des Generalkommissars in Kauen 1943, 163) und die DVOen dazu seien Einführungsvorschriften i. S. des § 3 FremdRG, dessen Regelungen über die Berechnung von Renten weiterhin verbindlich seien. Die Auslegung der §§ 6, 8 des Art. 6 FANG durch das LSG, nach der eine rentensteigernde Anrechnung der Beschäftigungszeiten in Litauen unterbleibt, sei grundgesetzwidrig. Wenn man die erwähnten VOen auf Grund des Art. 7 § 3 FANG als aufgehoben betrachte und für die Rentenberechnung allein das FRG maßgebend sei, ergebe sich eine ungleiche Behandlung im Verhältnis zu den Berechtigten, deren Renten noch nach früherem Recht festgestellt wurden, weil sich in diesen Fällen die Anrechnung von Beschäftigungszeiten auf die Rentenhöhe günstig auswirke. Der Ausschluß der heimatlosen Ausländer von der Vergünstigung des § 16 FRG bedeute auch eine Benachteiligung dieser Personengruppe gegenüber deutschen Vertriebenen, dies um so eher, als jene durch § 18 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer vom 25. April 1951 (BGBl I 269) in der Sozialversicherung den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt seien. Weil den heimatlosen Ausländern aus Litauen durch das FremdRG (§ 3 Abs. 1 i. V. m. den VOen des Generalkommissars in Kauen) eine Anwartschaft auf einen Ausgleich für nicht versicherte Beschäftigungszeiten eingeräumt worden sei, sei mit dem ersatzlosen Wegfall dieses Rechts durch das FANG auch das Verbot einer entschädigungslosen Enteignung mißachtet worden. - Soweit das LSG die von ihm angegebenen Beschäftigungszeiten in Litauen nicht für nachgewiesen hält, rügt der Kläger mangelnde Sachaufklärung. Die Anrechnung von Beschäftigungszeiten nur seit 1935 werde seinem Berufsleben nicht gerecht. Das LSG hätte zur Glaubhaftmachung der früheren Beschäftigungszeiten eine eidesstattliche Erklärung zulassen müssen, zumal seine Angaben teilweise durch Zeugenaussagen bestätigt worden und damit glaubhaft seien.

Die Beklagte macht geltend, das Berufungsurteil könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Urteilsformel mit der Verpflichtung zur Rentengewährung unter Annahme einer Wartezeit von nur 56 Monaten und Zurückweisung der Berufung im übrigen in sich unverständlich sei. Diese Unklarheit werde durch die Entscheidungsgründe nicht beseitigt, weil das LSG Ansprüche des Klägers nach § 3 Abs. 1 FremdRG bejahe, die im Urteilstenor ausdrücklich abgewiesen seien. Abgesehen davon habe das LSG § 3 Abs. 1 FremdRG unrichtig angewandt. Die VOen des deutschen Generalkommissars in Kauen über den Aufbau einer Sozialversicherung seien keine dem § 3 Abs. 1 FremdRG zuzuordnenden Vorschriften über die Einführung des deutschen Sozialversicherungsrechts, sondern besatzungsrechtliche Vorschriften für Litauen, aus denen deutschen Versicherungsträgern keine Verpflichtungen erwachsen seien. Da dem Kläger ein Anspruch auf Anrechnung von nicht versicherten Beschäftigungszeiten in Litauen schon nach dem FremdRG nicht zustehe, werde er durch die im Ergebnis gleichen Regelungen des FRG nicht in unzulässiger Weise benachteiligt.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Berufung zurückgewiesen worden ist, und die Beklagte zu verurteilen, auch die von 1929 bis Oktober 1940 in Litauen zurückgelegten Beschäftigungszeiten rentensteigernd zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Lübeck vom 29. März 1962 zurückzuweisen.

Beide Beteiligten beantragen jeweils, die Revision des anderen zurückzuweisen.

Sie haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Revisionen sind zulässig. Die Revision des Klägers ist unbegründet; diejenige der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Tenor des angefochtenen Urteils in sich so widerspruchsvoll ist, daß die Entscheidung keine Rechtswirkung haben kann und deshalb aufgehoben werden muß. Das Urteil des LSG hat schon deshalb keinen Bestand, weil dem Kläger keine Rente zusteht; es fehlt an der Erfüllung der Wartezeit.

Der Versicherungsfall, aus dem der Kläger eine Rente begehrt, ist im Jahre 1949 eingetreten. Die Voraussetzungen für den Anspruch und die Berechnung einer etwaigen Rente richten sich nach dem vor dem 1. Januar 1957 geltenden Recht (Art. 2 § 5 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG -) unter Berücksichtigung der nach dem ArVNG und sonstigen Gesetzen für Altfälle vorgesehenen besonderen Regelungen. Die Wartezeit beträgt mindestens 60 Beitragsmonate (§ 1262 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO - in der vor dem 1. Januar 1957 geltenden Fassung); hierauf anrechenbar sind nach § 1249 RVO (idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965) die vom 1. Januar 1924 an zurückgelegten Versicherungszeiten (Art. 2 § 8 ArVNG). Der Kläger hat im Bundesgebiet nur für 11 Monate Beiträge zur ArV entrichtet, mit denen die Wartezeit nicht erfüllt ist. Ob und welche der bis zum Kriegsende zurückgelegten Beschäftigungszeiten daneben bei der Wartezeit- und Rentenberechnung zu berücksichtigen sind, richtet sich nach dem Fremdrentenrecht, dem der Kläger als heimatloser Ausländer unterliegt (§ 1 Buchst. d FRG, § 1 Abs. 2 FremdRG). Insoweit sind - entgegen der Auffassung des LSG - gesonderte Prüfungen nach dem FRG und dem FremdRG vorzunehmen. Dies ergeben für den im Jahre 1949 liegenden Versicherungsfall die Übergangsvorschriften des Art. 6 FANG.

Nach Art. 6 §§ 5, 8 FANG gelten in den Fällen, in denen der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1959 eingetreten und die Rente vor der Verkündung des Gesetzes (3. März 1960) nicht festgestellt worden ist, die §§ 6 und 7 dieses Art. entsprechend. § 6 Abs. 2 aaO behandelt die Renten aus Versicherungsfällen vor dem 1. Januar 1957 in der Weise, daß die Umstellung erneut vorzunehmen ist; dabei sind der Ermittlung des Steigerungsbetrages für die nach §§ 15, 16 FRG gleichstehenden Zeiten in entsprechender Anwendung der §§ 14 bis 31 FRG die Tabellen der Anlagen zum FRG zugrunde zu legen (Satz 1), die Kürzungsvorschrift des § 19 Abs. 2 FRG anzuwenden (Satz 2) und nach dem FRG über das bisherige Recht hinaus anrechnungsfähige Versicherungszeiten zusätzlich zu berücksichtigen (Satz 3). Eine "entsprechende" Anwendung dieser Vorschrift auf einen noch nicht endgültig beschiedenen Versicherungsfall (§ 8 aaO) schließt eine Berücksichtigung der Bestimmungen der §§ 14 bis 31 FRG auch bei der Berechnung der Wartezeit ein. Daß das FRG in den vor seiner Verkündung liegenden Versicherungsfällen auch für die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen maßgebend ist, ergibt Art. 6 § 10 FANG. Die danach vorgesehene Überprüfung bereits abgelehnter Leistungsanträge nach den - im Einzelfall vielleicht - günstigeren Vorschriften des FRG bezieht sich auf den Leistungsgrund. Was hier für schon abgelehnte Leistungsanträge angeordnet ist, wird von der Prüfung nach §§ 8 und 6 Abs. 2 aaO in den noch nicht bindend beschiedenen Fällen mit umfaßt. Die auf die Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten sind daher - soweit sie dem Fremdrentenrecht unterliegen - nach den Vorschriften der §§ 14 bis 31 FRG zu bestimmen. Daneben besteht aus Gründen des Besitzschutzes eine Pflicht zur Berechnung der Wartezeit unter Berücksichtigung der nach dem FremdRG anrechnungsfähigen Versicherungszeiten. Das ergibt sich für Ansprüche aus Versicherungsfällen vor dem 1. Januar 1957, die bei der Verkündung des FANG noch nicht beschieden waren, aus Art. 6 § 11 Satz 2 FANG. Ist danach der Zahlbetrag zu gewähren, der bei einer Feststellung vor der Verkündung des Gesetzes zu zahlen gewesen wäre, wenn die Rente bei einer Feststellung nach § 6 Abs. 2 aaO niedriger ausfällt, so erfordert diese Regelung eine Berechnung sämtlicher für die Rentengewährung maßgeblichen Voraussetzungen - auch der Wartezeit - nach dem vor dem Inkrafttreten des FANG geltenden Recht.

Neben der in der Bundesrepublik zurückgelegten Beitragszeit von 11 Monaten sind nach dem FRG (Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG) als weitere Beitragszeit die Zeit von November 1940 bis Juli 1943 (versicherte Beschäftigungszeit in Litauen, § 15 FRG) sowie der Zeitraum von August 1943 bis März 1945 als nachversicherte Beschäftigungszeit in Deutschland (Art. 6 § 23 Abs. 1 FANG) - wie die Beklagte anerkannt hat - mit insgesamt 45 Monaten auf die Wartezeit anzurechnen. Vor November 1940 zurückgelegte, nicht versicherte Beschäftigungszeiten des Klägers bleiben außer Ansatz. Nach § 16 FRG sind Beschäftigungszeiten, für die keine Beiträge zu einem sozialen Sicherungssystem geleistet wurden, zwar unter bestimmten Voraussetzungen den Beitragszeiten gleichgestellt. Es kann dahinstehen, ob der Kläger solche Beschäftigungszeiten nachgewiesen hat. Die Vorschrift des § 16 FRG gilt, wie sich aus § 17 Abs. 2 Satz 2 FRG i. V. m. § 1 Buchst. d FRG ergibt, nicht für heimatlose Ausländer; sie findet daher auf den Kläger keine Anwendung.

Diese Regelung verstößt, wie der Senat bereits am 28. Oktober 1966 - Az. 4 RJ 305/63 - im Anschluß an das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. September 1965 (BSG 24, 20) entschieden hat, nicht gegen höherrangiges Recht. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) scheidet - selbst wenn Rentenanwartschaften dem Schutz dieses Artikels unterliegen sollten - aus, weil nach dem FremdRG kein Recht auf Anrechnung von Beschäftigungszeiten in Litauen, die nicht mit Beiträgen belegt sind, erworben werden konnte. Dies werden die späteren Ausführungen ergeben. Der Ausschluß der heimatlosen Ausländer von der Vergünstigung des § 16 FRG steht dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG nicht entgegen; denn bei der Vorschrift des § 16 FRG handelt es sich um eine Maßnahme sozialer Art, die auf vertriebene und verschleppte Deutsche beschränkt werden durfte (BSG 24, 20, 23). Mit dem Recht der heimatlosen Ausländer in der Bundesrepublik ist die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 2 FRG vereinbar. Dies hat der Senat in der erwähnten Entscheidung unter Hinweis auf BSG 24, 20, 22 ebenfalls schon erörtert. Danach ist die Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen, die § 18 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer vom 25. April 1951 fordert, dadurch vorgenommen worden, daß versicherungsrechtliche Anwartschaften, welche heimatlose Ausländer gegen die Sozialversicherung ihres Heimatlandes nicht mehr geltend machen können, nach § 15 FRG in den Rentenversicherungen der Bundesrepublik abgegolten werden. Die volle Eingliederung solcher heimatloser Ausländer, die vorher nicht rentenversichert waren, in die Rentenversicherung der Bundesrepublik wird dagegen von dem Grundgedanken des Gesetzes vom 25. April 1951 nicht gefordert. Auch die Flüchtlingskonvention (Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Zustimmungsgesetz vom 1. September 1953 - BGBl II 559 -) enthält keine Vorschriften über ein unmittelbar wirkendes subjektives Recht des Einzelnen auf eine solche Eingliederung.

Da die Wartezeitberechnung bei Anwendung des FRG lediglich zu einer Versicherungszeit von 56 Monaten führt, steht dem Kläger unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt keine Rente zu.

Die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten wird auch bei Berücksichtigung der nach dem FremdRG anrechnungsfähigen Versicherungszeiten nicht erreicht. Insoweit sind nur Beiträge für die versicherte Beschäftigungszeit des Klägers in Litauen von November 1940 bis zu seiner Verschickung nach Deutschland im Jahre 1943 (allenfalls 34 Monate) nach § 4 Abs. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 2 FremdRG neben den in der Bundesrepublik entrichteten Beiträgen für 11 Monate anzusetzen. Der Zeitraum des Einsatzes als Fremdarbeiter in Deutschland scheidet bei dieser Berechnungsart als Versicherungszeit aus, weil er nach dem Recht vor dem Inkrafttreten des FANG nicht als nachversichert galt. Die vor November 1940 liegenden Beschäftigungszeiten des Klägers in Litauen können nicht berücksichtigt werden.

Nach § 24 der 2. DVO zur VO des Generalkommissars in Kauen über den Aufbau einer Sozialversicherung vom 1. Mai 1943 waren allerdings Beschäftigungszeiten, für die keine Beiträge entrichtet waren, unter bestimmten Voraussetzungen als vollkommene Ersatzzeiten auf die Wartezeit anzurechnen. Diese mit den genannten VOen für den litauischen Versicherungsträger begründete Verpflichtung ist aber durch das FremdRG nicht auf die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik übergegangen. Die VOen sind nämlich keine Vorschriften über die Einführung des deutschen Sozialversicherungsrechts in Litauen i. S. des § 3 Abs. 1 FremdRG, so daß auf Grund dieser Vorschrift keine Pflicht zur Berücksichtigung beitragsfreier Beschäftigungszeiten besteht. Die erwähnten VOen des Generalkommissars in Kauen entsprechen der VO des Generalkommissars in Riga über den Aufbau einer Sozialversicherung in Lettland vom 1. Mai 1943 und der dazu erlassenen 2. DVO vom 1. Juli 1943. Hierzu hat der Senat in dem o. a. Rechtsstreit 4 RJ 305/63 ausgeführt, daß die VOen nach ihrem Inhalt und dem Verhältnis zu sonstigem Recht, das in den besetzten Ostgebieten für den Bereich der Sozialversicherung galt, nicht als Einführungsvorschriften i. S. des § 3 Abs. 1 FremdRG anzusehen sind. Er hat weiter dargelegt, daß das von einem Organ der deutschen Besatzungsmacht ausschließlich für die einheimische Bevölkerung in Lettland gesetzte Sozialversicherungsrecht auch nicht nach dem Sinn des § 3 Abs. 1 FremdRG von dieser Vorschrift erfaßt wird. Diese Erwägungen treffen auch auf die gleichlautenden VOen des Generalkommissars in Kauen zu, weil die Verhältnisse im Rentenrecht in Litauen und Lettland damals keine Unterschiede aufwiesen.

Ein Recht zur Anrechnung der bis November 1940 in Litauen zurückgelegten beitragsfreien Beschäftigungszeiten steht dem Kläger auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1 FremdRG zu. Danach werden die bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung i. S. des § 1 Abs. 2 zurückgelegten oder von ihm zu berücksichtigenden Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten) ua auf die Wartezeit wie die in den Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet. Nicht versicherte Beschäftigungszeiten waren nach § 24 der 2. DVO zu der VO des Generalkommissars in Kauen vom 1. Mai 1943 wohl vollkommene Ersatzzeiten, die der litauische Versicherungsträger, der als nicht deutscher Versicherungsträger von § 1 Abs. 2 FremdRG erfaßt wird, auf die Wartezeit gutzubringen hatte. Sie unterliegen dennoch nicht der Anrechnung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 FremdRG. Wie das BSG schon entschieden hat (BSG 24, 20, 23 f), entsprechen derartige Beschäftigungszeiten ihrer rechtlichen Eigenart nach nicht den nach Bundesrecht anrechenbaren Ersatzzeiten.

Da der Kläger die Wartezeit auch unter Berücksichtigung der nach dem FremdRG anrechenbaren Versicherungszeiten nicht erfüllt hat, steht ihm keine Rente zu. Seine Revision kann daher keinen Erfolg haben. Vielmehr ist auf die Revision der Beklagten hin das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2387494

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge